Olympische Spiele in Peking: "Massaker rechtfertigt Boykott"

Marianne Heuwagen von Human Rights Watch will nicht mehr ausschließen, dass ihre Organisation bei weiteren Menschenrechtsverletzungen einen Olympia-Boykott fordert.

Die Flamme wird es wohl bis Peking schaffen. Womöglich wird aber so mancher Sportler am Ende doch zuhause bleiben. Bild: dpa

MARIANNE HEUWAGEN, 58, ist die Direktorin des Deutschland-Büros der unabhängigen NGO Human Rights Watch.

taz: Frau Heuwagen, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) behauptet, er habe sich mit Human Rights Watch und amnesty international abgesprochen, bevor er Anfang dieser Woche seine Ablehnung eines Olympia-Boykotts verkündete, und auch Sie seien gegen einen Boykott von Peking. Stimmt das so?

Marianne Heuwagen: Es stimmt, dass wir und amnesty international Gespräche mit dem DOSB geführt haben, das letzte allerdings schon am 28. Februar, bevor die Situation in Tibet eskalierte und es zu den Ausschreitungen kam. Wir haben uns bislang gegen einen Boykott ausgesprochen, weil wir die Spiele nutzen wollen, um im Vorfeld die Wahrung der Menschenrechte einzufordern.

Wie ist Ihre Position heute?

Wir lehnen auch zum jetzigen Zeitpunkt einen kompletten Boykott der Olympischen Spiele in Peking ab. Aber wir wollen die weitere Entwicklung in Tibet abwarten und können auch nicht ausschließen, dass wir unseren Standpunkt ändern, sollte es zu noch massiveren Menschenrechtsverletzungen kommen. Ein Massaker wie auf dem Tiananmen-Platz 1989 würde einen Boykott wohl rechtfertigen. Und in Anbetracht der jüngsten Ereignisse wäre es ohne Zweifel angebracht, wenn die Staatschefs zumindest die Eröffnungsfeier boykottieren würden.

Der flämische Sportminister Bert Anciaux kam dieser Empfehlung gestern bereits nach und hat seine Teilnahme an der Eröffnungsfeier abgesagt. Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude haben sich für einen Boykott der Eröffnungsfeier ausgesprochen.

Das wäre auf jeden Fall ein Schritt, die chinesische Führung daran zu erinnern, dass sie bei der Vergabe der Olympischen Spiele das Versprechen abgegeben hat, die Menschenrechtssituation in China zu verbessern. Wenn das Internationale Olympische Komitee Anfang April nach China reist, sollten die IOC-Funktionäre nicht nur Lobeshymnen auf die Sportstätten singen, sondern auch die Einhaltung der IOC-Charta einklagen, vor allem die Pressefreiheit. Dazu hat China sich bei der Vergabe der Spiele verpflichtet, und davon kann in Tibet momentan ja keine Rede sein.

Wenn man wegen Tibet über einen Boykott von Peking nachdenkt, wird man dann bald wegen Tschetschenien über einen Boykott von Sotschi nachdenken müssen, wo 2014 die Winterspiele stattfinden sollen?

Die Vergabe der Olympischen Spiele an Sotschi ist sicherlich ein Anlass, von Russland die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. Die werden ja nicht nur in Tschetschenien verletzt, sondern auch in Russland selbst sind Meinungs- und Pressefreiheit extrem eingeschränkt.

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