Die Sarkozys zu Gast bei der Queen: Besuch der nackten Dame

Der hyperaktive Omnipräsident Frankreichs zum Staatsbesuch bei der Königin von England: Ein gewöhnliches, politisches Ereignis? Wohl eher ein neuer Kampf der Kulturen.

Vielleicht spielt sie der Queen auch ein Ständchen? Die Sarkozys beim Staatsbesuch. Bild: dpa

Eigentlich ist Frankreich englisch, und England ist französisch. Die Franzosen eroberten England im Jahre 1066, wurden Engländer und eroberten als Rache an sich selbst auch Frankreich, bis irgendwann nach dem Ende des Mittelalters beide Länder die bis heute gültige Straßenverkehrsordnung am Ärmelkanal einführten: England links, Frankreich rechts; England protestantisch, Frankreich katholisch; und seit neuestem, genau genommen 1789, England königlich, Frankreich republikanisch.

Jetzt besucht ein französischer Präsident, der sein Amt als Erster mit königlichem Glamour verziert und das für revolutionär hält, eine britische Königin, die schon immer republikanische Zurückhaltung pflegt und damit nur ihrer Tradition folgt. Nicolas Sarkozy bei Queen Elizabeth II. im Schloss Windsor ist ein Kampf der Kulturen, wie es ihn nur im geeinten Europa noch geben kann: tief in der Geschichte verwurzelt, grundsätzlich unlösbar und völlig belanglos. Frankreich, die sklerotische "Grande Nation", scheinbar hoffnungslos in der Autosuggestion des allmächtigen Staates der 70er-Jahre gefangen, schickt seinen hyperaktiven "Omnipräsidenten" nach Großbritannien - ein Land des Umbruchs, das seine Traditionen immer radikaler auf den Müllhaufen der Geschichte schmeißt, den Staat grundsätzlich für unfähig hält, Politik am liebsten ironisch bricht und die globale Präsenz der Londoner Finanzwelt an die Stelle staatlicher Großmacht setzt. Das Highlight davon, wie sollte es sonst sein, ist der Besuch bei einer 82-Jährigen.

Was die Briten von ihrem französischen Gast halten, zeigt schon, dass der Termin mit der Queen viel höher gehandelt wird als der mit Premierminister Gordon Brown, der ja bloß für Politik zuständig ist. Sarkozy ist Showgeschäft. Natürlich produzieren die beiden Regierungen jetzt meterweise gewichtige Erklärungen über Afghanistan, den Klimawandel, die Nato, den Dollarkurs. Aber für die gefühlten französisch-britischen Beziehungen ist es wichtiger, dass Sarkozy verlangt hat, vor seinem für Mittwochabend angesetzten Diner mit der Queen die Weinliste einsehen zu dürfen. Obwohl er selber gar keinen Alkohol trinkt. Der Mann kennt einfach keine Grenzen.

Eigentlicher Star des Besuches ist Carla Bruni, die neue First Lady im Élysée-Palast, die in London ihren allerersten Staatsbesuch absolviert. Böse Zungen behaupten, der Präsident habe sie nur deswegen schon geheiratet, um sie auf das Schloss Windsor mitnehmen zu dürfen, und tatsächlich ist Carla Bruni seit ihrer Hochzeit am 2. Februar völlig unsichtbar geworden, so als werde sie ansonsten nicht gebraucht. Jetzt wird sie wieder sichtbar, in Form eines schlechten Nacktfotos aus dem Jahr 1993, dessen bevorstehende Versteigerung das New Yorker Auktionshaus Christies mit exquisitem Timing pünktlich zur London-Reise bekanntgegeben hat. Das Foto, auf dem Carla Bruni eine gekünstelt überraschte linkische Pose einnimmt, prangte gestern in sämtlichen britischen Boulevardzeitungen. Das ist nicht weiter schlimm; dass Christies seinen Wert allerdings auf höchstens 3.000 Euro schätzt, ist schon fast hinterlistig. Schließlich verdiente sie damals als Model das Tausendfache pro Jahr.

Die wundersame Schrumpfung von Carla Brunis Marktwert passt so gut zum neuen schlichten Image, dass sie schon wieder unecht erscheint. Passend dazu wird bekannt, dass die First Lady eifrig den englischen Hofknicks geübt hat und dass sie während ihres Aufenthalts in Windsor kurz vor die Tür gehen wird, um im HMV-Musikladen um die Ecke ihre neueste CD zu signieren, als ob irgendjemand in England noch CDs kaufen würde. So richtig wird sie also das Image eines verunglückten Prinzessin-Diana-Verschnitts, der leider ebenso altmodisch ist wie Sarkozys billige Kopie von Blairs forschen und folgenlosen Reformauftritten, nicht los.

Schon immer ging es schief, wenn Franzosen in England versuchten, ernsthafter zu sein als zu Hause. Nur Franzosen, die erst in England wichtig wurden, zum Beispiel Arsène Wenger oder General de Gaulle, entgehen diesem Schicksal. Die Sun entlockte Carla Bruni jedenfalls schon im Februar unter der bemerkenswerten Überschrift "Carlas Freude über Reise zu Ihrer Majestät" folgende weltbewegende Sätze, die fast von Diana selbst hätten stammen können: "Ich bin stolz darauf, die First Lady von Frankreich zu sein. Ich werde mein Bestes tun." Nicolas Sarkozy, das darf im europäischen Kulturkampf nicht vergessen werden, ist eigentlich Ungar und Carla Bruni bloß Italienerin. Und als Frankreich englisch war und England französisch, waren die Ungarn asiatische Steppenbarbaren und Italiener gab es nicht.

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