piwik no script img

Schule trägt Kriegsverbrecher-NamenSchüler kämpfen gegen Flick

Im südwestfälischen Kreuztal trägt noch immer ein Gymnasium den Namen des Kriegsverbrechers und Rüstungsindustriellen Friedrich Flick. Ehemalige Schüler wollen das ändern. Der Stadtrat nicht.

Im Rahmen der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse mussten auch deutsche Industrielle auf die Anklagebank. Friedrich Flick ist der erste von links Bild: dpa

Er ist ein verurteilter Kriegsverbrecher. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in seinen Rüstungsbetrieben über 50.000 Menschen zur Zwangsarbeit gezwungen - rund 10.000 starben an den grausamen Arbeitsbedingungen. In großem Stil hatte er zuvor von Zwangsarisierungen profitiert. In seiner südwestfälischen Heimatstadt Kreuztal aber trägt noch heute eine Schule seinen Namen: das Friedrich-Flick-Gymnasium.

Ein Initiative ehemaliger Schüler will das ändern. "Flick ist kein Vorbild" lautet der Name einer Internetseite, mit der die Ehemaligen die Diskussion über die Umbenennung des Gymnasiums wiederbeleben wollen. Denn schon 1988 hatte der Stadtrat über den Namenspatron Flick debattiert - und sich mit den Stimmen von CDU, FDP und Teilen der SPD vor den gebürtigen Kreuztaler gestellt, der bis zu seinem Tod 1972 auch Ehrenbürger der Stadt war.

Noch heute weigern sich Christ-, Frei- und Sozialdemokraten wie Vertreter freier Wählergemeinschaften im Kommunalparlament, über eine Umbenennung der Schule auch nur nachzudenken: "Wir werden nicht zulassen, dass eine neue Diskussion aufkommt", so der Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Werner Müller, im Februar.

Der Hintergrund: Die Grünen hatten angefragt, was die Umbenennung der Schule denn kosten würde. In der Vergangenheit hatten Verteidiger Flicks immer gewarnt, auf die Stadt kämen Regressforderungen in Millionenhöhe zu. Immerhin habe der Großindustrielle in den Jahren 1960 und 1961 3 Millionen Mark für den Bau des Gymnasiums gestiftet. Dies aber hält Anke Hoppe-Hoffmann, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Kreuztaler Stadtrat, für wenig wahrscheinlich: Schließlich habe nicht Friedrich Flick selbst gespendet, sondern Unternehmen seines Firmenimperiums wie etwa Dynamit Nobel - und diese Firmen seien längst weiterverkauft und bestünden in ihrer ursprünglichen Rechtsform längst nicht mehr.

Auch bestehe keinerlei moralische Verpflichtung gegenüber Flick, sagen die ehemaligen Schüler wie die Grünen. Trotz seiner Mitgliedschaft im "Freundeskreis Reichsführer SS" hat das ehemalige NSDAP-Mitglied in Kreuztal bis heute einen guten Ruf. Flick, dessen Sohn Friedrich Karl für die erste Bonner Parteispendenaffäre sorgte, kümmerte sich auch in seiner Heimatstadt um politische Landschaftspflege. Noch heute trainieren Sportler in der Otto-Flick-Halle. Zumindest bis in die 80er-Jahre hinein bedachte das Haus Flick auch Kirchengemeinden, die Feuerwehr, das Altenheim, selbst das Museum des benachbarten Siegen, wo Friedrich Flick selbst das Realgymnasium besuchte.

"Respektiert" werden müsse Flick "für das, was er nach dem Krieg getan hat", sagt der Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion, Frank-Wieland Frisch, noch heute. Die Initiative der ehemaligen Schüler lehnt er ab: Es sei unnötig, "wieder in den alten Geschichten herumzuwühlen". Bereits 1988 habe er sich mit Friedrich Flick "ganz intensiv" auseinandergesetzt, so Frisch. "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass unser Gymnasium diesen Namen weiter tragen kann." Voraussetzung sei allerdings eine intensive Auseinandersetzung der Schule mit der NS-Zeit.

Dort distanziert sich Schulleiter Herbert Hoß zwar von Friedrich Flick: "Wozu sollte Flick unseren Schülerinnen und Schülern als Vorbild dienen", fragt der Oberstudiendirektor und versichert, an seinem Gymnasium herrsche kein "Flickscher Geist". Eine Umbenennung aber lehnt auch er ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!