Streit um Umweltgesetzbuch: Ablasshandel statt Natur
Nach monatelangen Verhandlungen legt die Regierung ihren neuen Entwurf fürs Umweltgesetzbuch vor - doch einer der wichtigsten Punkte bleibt offen: Ausgleichsmaßnahmen für überbaute Natur.
BERLIN taz Die Bundesregierung hat nach monatelangem Streit einen der wichtigsten Konfliktpunkte im geplanten Umweltgesetzbuch vertagt. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ zwar am Freitag seinen neuen Entwurf ins Internet stellen, der nun zur Anhörung an die Länder und Verbände geht. Dieser lässt aber explizit die Frage offen, ob bei Eingriffen in die Natur auch weiterhin Ausgleichsmaßnahmen Pflicht sind.
Das Mammutprojekt mit dem Kürzel UGB soll Dutzende Einzelgesetze zum Umweltrecht zusammenfassen. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, so Bürokratie abzubauen. Umweltschützer hatten auch gehofft, den Naturschutz zu verschärfen. Da machte ihnen Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) einen Strich durch die Rechnung. Er versuchte durchzusetzen, dass etwa für den Bau einer Autobahn künftig nicht mehr an anderer Stelle Wald aufgeforstet werden muss. Statt solche Ersatzmaßnahmen umzusetzen, sollten die Verursacher von Umweltschäden lieber Geld zahlen. Die Umweltlobby verurteilte das umgehend als "Ablasshandel", der die Behörden sogar ermutige, Eingriffe zu genehmigen, um an die Zahlungen der Unternehmen heranzukommen.
Darüber haben die Streithähne in den Ministerien sogar schon unter Aufsicht des Kanzleramtes verhandelt. Geeinigt haben sie sich trotzdem nicht. Auch der neue Entwurf aus dem Hause Gabriel schließt einen finanziellen Ausgleich für Eingriffe in die Natur in den meisten Fällen zwar aus. Aber das betreffende Kapitel trägt eine Fußnote: "Die Vorschriften zur Eingriffsreglung sind innerhalb der Bundesregierung … noch nicht abschließend abgestimmt."
"Die Regierung springt zu kurz mit dem Entwurf, weil sie zentrale umweltpolitische Herausforderungen nicht angeht", urteilte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake. So solle es zum Beispiel bei einem Rechtsanspruch auf Genehmigung von konventionellen Kohlekraftwerken bleiben. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl kritisierte, dass es im Umweltgesetzbuch keinen Teil über erneuerbare Energien geben soll.
Leser*innenkommentare
Anne
Gast
Von den mehr als 12.000 km Autobahn in Deutschland sollte mindestens insgesamt auf 4.000 km je eines Fahrstreifens Solaranlagen errichtet werden (Mittelstreifen sind oft begrünt, deshalb nicht zuerst dort). Dann wäre diese gigantische Flächenversiegelung wenigstens wirklich zu was nütze.
Allein weil Tausende Lkw auf die Bahn verlagert werden könnten, ist an vielen Stellen 1 Fahrstreifen entbehrlich. Ein Tempolimit von 110 würde den Verkehr ebenfalls gleichmäßiger und z.B. dritte Spuren an vielen Stellen noch entbehrlicher machen.
Entsprechendes gilt natürlich auch für andere Länder.
Verkehrsminister & Umweltminister freuen sich sicher über Vorschläge. Bei www.bundesregierung.de gibt es z.B. Kontaktmöglichkeiten.