Kommentar "Cyber-Mobbing": Schülerstreich reloaded

Umgekehrte Machtverhältnisse: Im Internet haben Schüler meist den Vorsprung vor ihren Lehrern. Gegen deren Ohnmacht hilft nur eins: sich schlau machen und mit den Kids reden.

Wer im Netz Hase und wer Igel ist, ist klar: Während einige Lehrer heute immer noch mühsam mit E-Mails umgehen oder im Internet surfen, rufen die Schüler: Bin schon lange da. Chats, Blogs, soziale Netzwerke wie Myspace oder SchülerVZ, das Videoportal YouTube: Schüler bewegen sich in der Onlinewelt so selbstverständlich wie in der realen.

Dadurch verändert sich das Machtverhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Schüler gehen ins Internet, um ihre Lehrer zu bewerten oder sich über sie lustig zu machen. In wenigen Fällen nimmt das extreme Formen an, etwa wenn Lehrerfotos in Pornos oder Hinrichtungsvideos montiert werden oder in Foren Todesdrohungen ausgesprochen werden. Hier hilft oft nur noch eine Anzeige.

In der Mehrzahl der Fälle aber sind die Handyvideos, die Schüler verbotenerweise von ihren Lehrern ins Netz stellen, relativ harmlos. Da werden etwa Lehrer gezeigt, die während des Unterrichts einnicken. Nun gibt es Schülerstreiche, seit es Schüler gibt. Doch solche Videos bekommen eine größere Wucht, weil nicht nur eine Schulklasse, sondern die ganze Schule, potenziell sogar die ganze Welt zuschauen kann.

Das macht viele Lehrer ohnmächtig. Manche meiden das Internet sogar ganz, aus Angst davor, was dort über sie stehen könnte, wie eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vorgelegte Studie zeigt. Andere rufen nach härteren Kontrollen von Foren oder verlangen ein generelles Handyverbot an den Schulen.

Aus Forderungen wie solchen spricht aber nur die Hilflosigkeit, die der digitale Abstand der Lehrer zu ihren Schülern für viele mit sich bringt. Eine Chance haben die Lehrer nur, wenn sie sich der digitalen Welt öffnen. Wenn sie gemeinsam mit ihren Schülern Handyvideos anschauen und diskutieren, was verboten und erlaubt ist. Wenn sie Bewertungsportale im Internet mit eigenen Bewertungsbögen kontern und darüber reden, was sinnvoller ist. Kurzum: wenn sie souverän mit dem Internet umgehen. Einholen werden die Lehrer ihre Schüler dadurch nicht. Aber sie werden sie und ihre Welt besser verstehen. WOLF SCHMIDT

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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