Überfischung der Meere: EU fischt Afrikanern das Essen weg

Afrikanische Fischer werden zu Flüchtlingen, da Europäer das Meer leer räumen. EU-Kommission will keinen Zusammenhang sehen.

Für die traditionellen Fischer in Senegal bleibt zunehmend weniger übrig. Bild: ap

STRASSBURG taz Gegen die schwimmenden Fischfabriken Europas haben die einfachen, kleinen Pirogen afrikanischer Fischer keine Chance: Immer mehr Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage, weil vor der Küste Westafrikas das Meer leer gefischt wird. So warnt die internationale Hilfsorganisation Action Aid in einem neuen Bericht, dass der industrialisierte Fischfang Mangelernährung verschärfe. "Die Lebensmittelversorgung von Millionen von Menschen ist akut gefährdet", sagt Alhassan Cissé, der im Senegal für die Entwicklungshelfer arbeitet.

Dabei sicherte der Fischfang bisher die Versorgung vieler Westafrikaner mit Eiweiß und Proteinen. Doch die Bestände schrumpfen dramatisch: 75 Prozent gelten als voll ausgebeutet, 21 Prozent gelten bereits als überfischt. Dabei geht ein Großteil des Fangs nach Europa: Europäische Trawler ziehen Thunfisch, Makrelen und Sardinen, aber auch Shrimps und Hummer im Wert von jährlich 600 Millionen Euro allein aus den Gewässern Mauretaniens, schätzt dessen Fischereiministerium. Gesichert ist das durch ein Fischereiabkommen. Im Ausgleich zahlt die EU dafür 86 Millionen jährlich an das westafrikanische Land.

Zwar soll eine Zwölf-Meilen-Zone die einheimischen Fischer schützen. Doch auch in Küstennähe tauchen immer öfter Trawler auf. Da sich der Fang auf hoher See immer weniger lohnt, räumen die Fischfabriken illegal die Flachwasser-Bestände mit ihren Schleppnetzen ab - und rammen vor allem nachts die unbeleuchteten Boote der Afrikaner. "Dabei gibt es auch Tote", sagt Karoline Schacht, Fischereiexpertin der Umweltstiftung WWF.

Allein in der einheimischen Fischerei des Senegals seien 300.000 bis 400.000 Jobs bedroht, schätzt Action Aid. In den vergangenen 15 Jahren seien die Fischexporte des Landes um 32 Prozent gesunken. Lokale Fischereifirmen hätten bereits 50 bis 60 Prozent ihrer Beschäftigten entlassen.

Immer mehr Menschen versuchen deshalb, nach Europa zu fliehen. Sie verkaufen ihre Pirogen, um die Überfahrt in Richtung Spanien bezahlen zu können. Andere Fischer versuchen sich als Schleuser: Allein am Donnerstag erreichten neun Boote mit 500 afrikanischen Flüchtlingen die Kanarischen Inseln. 2007 kamen insgesamt 17.000 Afrikaner auf Teneriffa, Gran Canaria und El Hierro an - Hilfsorganisationen schätzen, dass weitere 3.500 bei der gefährlichen Überfahrt starben. Die Zerstörung natürlicher Ressourcen trage zum Migrationsdruck auf Europa bei, warnt Action Aid.

Die EU-Kommission will das nicht hören. "Zwischen illegaler Migration und unseren Fischereiabkommen besteht kein Zusammenhang", so die polnische Kommissarin Danuta Hübner am Montag vor dem Europaparlament in Straßburg. Zwar verabschiedeten die Abgeordneten einen Bericht, in dem ein Kurswechsel der europäischen Fischereipolitik gefordert wird. Der Bericht kam vom Vize-Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses, dem Grünen Frithjof Schmidt.

Aber die Parlamentarier verhinderten - vor allem auf Druck der spanischen Fischereilobby - ein Verbot von Joint Ventures. So könne Europas Fischindustrie über Briefkastenfirmen in Westafrika die Bestände weiter ausbeuten, fürchtet Schmidt: "Die EU meint es mit dem Kampf gegen die Überfischung der Meere nicht wirklich ernst."

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