Olympisches Feuer in Tibet: Inszenierter Fackeljubel in Lhasa

Die KP hat nichts dem Zufall überlassen: Haufenweise Polizei sicherte den Fackellauf, die Bürger Lhasas mussten zu Hause bleiben. So demonstrierte man die Herrschaft über die Provinz.

Schon mal dran gewöhnen vor Olympia in Peking: Bestellte Jubler und trotzdem Soldaten für alle Fälle. Lhasa am Rande des Fackellaufes. Bild: reuters

"Zhumulangma" heißt der Mount Everest auf Chinesisch. Das entspricht einer phonetischen Übersetzung aus dem Tibetischen. Doch dass der Name aus dem Tibetischen stammt, daran denken Chinesen eher nicht. Für sie ist der Berg Teil des "Dachs der Welt". Und dass dieses Dach der Welt zu China gehört, steht für die meisten außer Frage - also auch der Zhumulangma. An ein Tibet-Problem muss man dabei gar nicht denken. Also musste der olympische Fackellauf auch als Besteigung des höchsten Berges der Welt inszeniert werden. Dabei dachten die KP-Strategen weniger daran, welchen Unmut das bei Tibetern auslösen könnte. Vielmehr huldigten sie einer Mode neureicher Chinesen. Denn es waren Großunternehmer wie der Immobilientycoon Wang Shi, die sich mit ihrer Everest-Besteigung vom Ruf befreien wollten, nur ans Geld denkende Kapitalisten zu sein. Die Kommunisten erreichten auf dem Zhumulangma jedenfalls das Gegenteil: Sie bestätigten ihren Ruf, dumme Propagandisten zu sein. GBL

Für einen Tag herrschten in der Autonomen Region Tibet nordkoreanische Verhältnisse. In der Hauptstadt Lhasa blieben die Läden geschlossen, die Bürger der Stadt durften nicht auf die Straße. Dafür ließ die Kommunistische Partei ihre Getreuen samt Militärpolizei zum olympischen Fackellauf aufmarschieren. Die 32-jährige tibetische Lehrerin Dawa Yangzom zählte zu denen, die die Fackel trugen: "Ich platze vor Stolz, weil ich weiß, dass ich heute China und dem Rest der Welt das Beste von Tibet zeige", sagte Dawa. Es fehlte nur noch, dass sie KP-Chef Hu Jintao als "lieben Führer" bezeichnete - das diktatorische Spektakel wäre komplett gewesen.

Für die KP in Peking war es ein wichtiger Tag. Sie wollte nach den tibetischen Unruhen im März und der weltweiten Kritik ihrer Tibet-Politik ihre uneingeschränkte Herrschaft über die Region demonstrieren. Dafür besann sie sich auf alte maoistische Sitten. "Die Macht kommt aus den Gewehrläufen", hatte Mao gesagt. Nach diesem Prinzip war der Fackellauf durch Lhasa organisiert. Wo in anderen chinesischen Provinzen Fähnchen wehende Bürger den Straßenrand säumten, um die olympische Fackel zu begrüßen, standen in Tibet Polizisten. Die Fernsehkameras wollten sie nicht zeigen und fingen sie doch am äußersten Bildrand ein.

Der unabhängige Pekinger Tibet-Experte Wang Lixiong aber war von dem Sicherheitsaufgebot nicht überrascht: "Jubel und feierliche olympische Atmosphäre waren in Lhasa für die Partei nicht mehr wichtig. Es ging nur noch darum, Form und Gesicht zu wahren", sagte Wang der taz. Wang hatte im März einen Aufruf von 20 namhaften Intellektuellen für einen selbstkritisches Nachdenken über die chinesische Tibet-Politik initiiert.

Geste der Unterwerfung: Die ehemalige Residenz des Dalai Lhama, der Potala-Palast in Lhasa, als Kulisse für das Olympia der KP. Bild: reuters

Tatsächlich hatte sich die KP vor Anschlägen von tibetischen Unabhängigkeitsbefürwortern gefürchtet. "Wir glauben, dass alle Aktionen gegen den Volkswillen und gegen den historischen Trend zum Scheitern verurteilt sind", sagte Palma Trily, der Vize-Regierungschef der Autonomen Region, vor Beginn des Fackellaufs. Mit dem "Volkswillen" hatte Palma auf die Einheit Chinas angespielt, mit dem "historischen Trend" auf den vermeintlichen Niedergang des Glaubens an den Dalai Lama. So will es die KP-Propaganda. Doch im Grunde belegen die kommunistischen Sicherheitsvorkehrungen nur, für wie lebendig die Partei Unabhängigkeitswillen und Dalai-Lama-Glauben der Tibeter hält. So sah es auch Tashi Chopel, Sprecher der exiltibetischen Menschenrechtsorganisation Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) im indischen Dharamsala: "Die strikte Organisation des Fackellaufs zeigte die Nervosität der KP-Organe", sagte Chopel der taz.

Dagegen warb der außenpolitische Experte Yang Chengxu, ehemaliger Leiter des Instituts für internationaler Studien des Pekinger Außenministeriums, um Verständnis für die chinesischen Sicherheitsmaßnahmen in Lhasa. Nach den Märzunruhen in Tibet sei immer klarer geworden, dass das westliche Ausland die tibetische Exilbewegung fördere und finanziere. Ein Beispiel sei das Tibet-Programm der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Schon vor den Unruhen hätte der Dalai Lama für die Olympischen Spiele als Gelegenheit geworben, die Tibetfrage zu lösen. Wenn man diese Chance nicht wahrnehme, verliere man für immer die Gelegenheit, hätte der Dalai Lama gesagt. In diesem Sinne wären die Unruhen bewusst von exiltibetischer Seite initiiert worden, um die Aufmerksamkeit des Westens auf Tibet zu lenken.

Als dann der Westen sich der tibetischen Kritik am olympischen Fackellauf angeschlossen habe, hätten in Peking die Alarmglocken geläutet. "Hätte der Westen in diesem Moment anders reagiert, würde sich die chinesische Regierung heute nicht so große Sorgen um die Sicherheit Tibets machen und den Fackellauf derart von der Öffentlichkeit abriegeln", sagte Yang der taz.

Tatsächlich fiel dem kurzen Fackellauf in Lhasa eine der am längsten geplanten Propagandaaktionen zum Opfer: die mediale Präsentation der Vereinigung des über den Gipfel des Mount Everest getragenen olympischen Feuers mit dem "regulären" Fackelfeuer. Nun wurden fernab der Fernsehkameras die zwei Fackeln zusammengesteckt, das Ereignis nur am Rande gemeldet. Stattdessen bemühten sich chinesischen Medien gestern über die Fortsetzung des Fackellaufs in der tibetischen Nachbarprovinz Qinghai so zu berichten, als wäre Lhasa längst vergessen. Offenbar war selbst der Propagandaabteilung das Spektakel in Lhasa peinlich.

Bestellte Volkstänzerinnen, bestellter Aufpasser: Am Rande des Fackellaufes in Lhasa. Bild: reuters

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