Farc nach der Betancourt-Befreiung: Auf dem Weg zum totalen Frieden

Die Geiselbefreiung von Ingrid Betancourt und 14 Mitgefangenen trifft die Farc in einer geschwächten Situation. Doch um sie zur Abgabe der Waffen zu bringen, bedarf es politischer Mittel.

Die Befreiung von Betancourt und 14 weiteren Geiseln bringt die Farc in Bedrängnis. Bild: reuters

PORTO ALEGRE taz Es war ein Held der lateinamerikanischen Linken, der das Fazit der Geiselbefreiung in Kolumbien zog: "Die Zeiten des bewaffneten Kampfes sind vorbei", sagte der bolivianische Staatspräsident Evo Morales. Die Völker Lateinamerikas müssten "auf demokratischem Wege befreit" werden. Ähnlich hatten sich vor Wochen der Venezolaner Hugo Chávez und Rafael Correa aus Ecuador geäußert. Doch mit ihrer lange Zeit einseitigen Kritik an Uribe hatten sich die beiden keinen Gefallen getan.

Die Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) entstand 1964 aus der Bauernbewegung und der Kommunistischen Partei. Sie verstand sich als bäuerliche Selbstverteidigungsorganisation und orientierte sich an der Sowjetunion und an Kuba. Mitte der Achtziger misslang der Versuch, die Guerilla zu legalisieren. Tausende Aktivisten der von der Farc gegründeten Unión Patriótica wurden ermordet.

Seit 1990 finanziert sich die Farc durch den Drogenhandel sowie durch Geiselnahmen und Erpressungen. Im März starb der langjährige Farc-Chef Manuel Marulanda. Kurz zuvor war die Nummer zwei, Raúl Reyes, bei einem Vorstoß der kolumbianischen Armee in Ecuador getötet worden. Die Zahl der nunmehr von Alfonso Cano angeführten Guerilleros wird auf 9.000 geschätzt, das sind nur noch halb so viele wie vor einigen Jahren.

Ingrid Betancourt bezeichnete sie zwar als "sehr wichtige Verbündete", doch als Voraussetzung für eine künftige Mittlerrolle müssten sie "die kolumbianische Demokratie" anerkennen: "Die Kolumbianer haben Uribe gewählt, nicht die Farc."

Kolumbiens zivile Linke appelliert schon seit Jahren vergeblich an die Farc. Carlos Gaviria vom Alternativen Demokratischen Pol tat dies am Mittwoch erneut, warnte aber zugleich die Regierung. Die filmreife Aktion in Guaviare dürfe nun nicht dazu führen, dass die restlichen Geiseln auf ähnlichem Weg befreit würden. Präsident Uribe dürfte das kaum beeindrucken.

Der Hardliner sei beliebter denn je, räumt der Friedensaktivist Camilo González Posso ein. Jetzt sei die Farc am Zug: "Wenn sie überhaupt noch eine Überlebenschance haben will, bleibt eigentlich nur noch die einseitige Geiselfreilassung." Der Menschenrechtler Marcos Romero ergänzte, der Druck für einen Gefangenenaustausch werde nun nachlassen.

Uribe selbst sagte, die Farc müsste einsehen, dass seine harte "Politik der demokratischen Sicherheit" kein Selbstzweck sei, sondern der "Weg zum totalen Frieden" - eine kaum verhüllte Aufforderung zur Kapitulation.

Von der Farc selbst gab es noch keine Reaktion. Unbestritten trifft der Befreiungscoup die immer schwächeren Rebellen noch härter als der Tod ihrer Anführer in der ersten Jahreshälfte. Nicht nur politisch und militärisch scheinen sie am Boden zu liegen, sondern auch in der Logistik: Im letzten Jahr sei das Essen immer schlechter und der Nachschub anderer Güter immer stockender geworden, hat Betancourt beobachtet. "Ich habe jetzt über die Farc promoviert und kann hoffentlich damit helfen", sagte sie schmunzelnd.

Als sie gefragt wurde, wie sich der Tod des Farc-Gründers Manuel Marulanda auf die Organisation ausgewirkt habe, ergriff Verteidigungsminister Juan Manuel Santos das Wort, listete die jüngsten Erfolge der Armee auf und sagte, die Regierung reiche "großzügig die Hand zum Frieden".

Der im Februar freigelassene Sena- tor Luis Eladio Pérez sagte, nun müsse den Guerilleros durch eine politische Partei die Rückkehr ins zivile Leben erleichtert werden. Das klingt einfa- cher, als es ist: In den Achtzigerjahren wurde ein solcher Versuch von der Armee und von Paramilitärs in Blut ertränkt.

Der konservative Exminister Álvaro Leyva verfügt seit Jahrzehnten über gute Kontakte zur Farc. Jetzt müssten endlich die historischen Probleme Kolumbiens wie der Paramilitarismus und dessen Verquickungen mit der politischen Führungsschicht angegangen werden, meint er. In dieser Hinsicht aber ist die Regierung Uribe Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

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