Berlin fordert den Bund: Sozialsenatorin will mehr Hartz IV

Heid Knake-Werner (linke) findet, dass Langzeitarbeitslose viel zu wenig Geld bekommen. Bezahlen soll eine Erhöhung allerdings der Bund.

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) will den Druck auf den Bund erhöhen, die Hartz-IV-Regelsätze anzuheben. Derzeit erhalten Langzeitarbeitslose 351 Euro im Monat plus die Mietkosten. Bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister im November will Knake-Werner "schauen, ob man eine Mehrheit für eine Erhöhung gewinnen kann", sagte ihre Sprecherin Anja Wollny am Montag zur taz. Knake-Werner will dabei eine 20-prozentige Erhöhung auf rund 420 Euro, wie sie auch mehrere Sozialverbände fordern. Auch die Grünen fordern auf Bundesebene eine Erhöhung auf 420 Euro. Da jedoch der Bund die Kosten tragen müsste, ist es unwahrscheinlich, dass der Vorstoß Erfolg hat.

Die Basis zur Berechnung von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Alle fünf Jahre geben rund 75.000 Haushalte detailliert Auskunft darüber, wie viel Geld sie für welche Zwecke ausgeben: Wohnung, Auto, Urlaub, Kleidung, Essen. Die 20 Prozent mit dem geringsten Einkommen werden dann ausgewählt. Auf Grundlage der Ausgaben dieser Personen legt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fest, wie hoch das "soziokulturelle Existenzminimum" liegt - nicht ohne durch selbst definierte "Abschläge" den Betrag noch einmal zu senken.

Nach einer Schätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind rund 8 Millionen Menschen unmittelbar von dieser Berechnung betroffen - weil sie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Sozialgeld oder ähnliche Sozialleistungen erhalten.

Obwohl die Höhe des Regelsatzes sich also auf sehr viele Menschen auswirkt, bleibt der Bundestag bei der Entscheidung außen vor. Und Kritiker wie etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband werfen der Bundesregierung vor, dass sie sich bei ihrer Berechnung nicht am wirklichen Bedarf der Betroffenen orientiert, sondern vielmehr am Budget des Finanzministers.

Besonders deutlich wird das, wenn es um die Frage geht, wie viel Geld die Langzeitarbeitslosen für Kinder erhalten. Denn Kinder bekommen einfach einen prozentualen Satz des Geldes, das Erwachsene kriegen. Für Kinder unter 14 Jahren sind das 60 Prozent des vollen Satzes, also 211 Euro im Monat. Für Jugendliche bis 18 Jahre sind es 80 Prozent, also 281 Euro pro Monat. "Diese Berechnung berücksichtigt überhaupt nicht, wie viel Geld Kinder wirklich zum Leben brauchen", kritisiert Knake-Werners Sprecherin.

Wenn man nach dem tatsächlichen Bedarf geht, reicht das Geld laut einer Berechnung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nur für Säuglinge und Kleinkinder. Ein 14-Jähriger dagegen bräuchte allein für eine gesunde Ernährung aus dem Discounter 5,85 Euro pro Tag - tatsächlich sind dafür aber nur 2,72 Euro vorgesehen. Ein 17-Jähriger bräuchte 6,71 Euro pro Tag, hat aber nur 3,63 Euro zur Verfügung. Die Sozialsenatorin fordert, dass es für die Kinder von Langzeitarbeitslosen in einem ersten Schritt mindestens 50 Euro mehr geben müsste.

Ein besonderes Problem ist auch, dass die Regelsätze für Langzeitarbeitslose nicht jährlich entsprechend der Inflation angehoben werden. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes stiegen die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland von 2005 bis 2008 um 12 Prozent, die Verbraucherpreise insgesamt um 5,8 Prozent. Jeder Langzeitarbeitslose muss also für die gleichen Waren mehr Geld bezahlen. Aber Hartz IV wird nicht entsprechend der Inflation erhöht - sondern orientiert sich an der Rentensteigerung. Für Langzeitarbeitslose gab es daher am 1. Juli 2008 nur eine minimale Erhöhung von 1,1 Prozent.

Bereits im Mai hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Regelsätze für Kinder und Jugendliche anzuheben. Knake-Werner gehörte zu den Unterstützern dieses Beschlusses. Zuvor hatte die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Bundesländer dies einstimmig beschlossen. Die Bundesregierung hat die Regelsätze für Kinder allerdings dennoch nicht erhöht. SEBASTIAN HEISER

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