Zivilisten in Afghanistan getötet: Tödlicher Vorfall mit Bundeswehr
Bei einem Vorfall mit deutschen Soldaten sind in Afghanistan eine Frau und zwei Kinder getötet worden. Zivile Fahrzeuge hatten sich am Donnerstag einem Checkpoint südöstlich von Kundus genähert.
BERLIN dpa Bei einem Zwischenfall mit deutschen ISAF-Soldaten in Afghanistan sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Berlin drei Zivilisten getötet worden. Ferner habe es Verletzte unter Zivilisten gegeben, teilte Ministeriumssprecher Thomas Raabe am Freitag in Berlin mit. Nach Angaben des Polizeichefs der Provinz Kundus, Abdul Rahman Aqtash, handelt es sich bei den Toten um eine Frau und zwei Kinder. Vier weitere Kinder sollen verletzt worden sein.
Raabe sagte, zwei zivile Fahrzeuge hätten sich am Donnerstagabend einem Checkpoint der afghanischen Polizei und deutschen Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe ISAF südöstlich von Kundus genähert. Trotz eindeutiger Zeichen der Sicherheitskräfte seien die Fahrer der beiden Wagen weitergefahren. Daraufhin hätten die Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet.
Ob deutsche Soldaten Schüsse abgegeben haben, werde untersucht, sagte Raabe. Die afghanische Polizei habe mit Unterstützung des deutschen ISAF-Kontingents die Ermittlungen aufgenommen. Es werde auch geprüft, ob in den Fahrzeugen verdächtiges Material wie Waffen gewesen sei.
Der Sprecher des Verteidigungsminsteriums sagte, nach dem Anschlag auf die Bundeswehr am Mittwoch, bei dem ein 29 Jahre alter Hauptfeldwebel getötet und drei seiner Kameraden verletzt worden waren, sei die Lage angespannt. Es gebe Warnungen vor Sprengstoffanschlägen auch mit Hilfe von Autos. Bei einem Luftangriff der US-geführten Koalition in Afghanistan waren kürzlich bis zu 90 Zivilisten getötet worden. Dies hatte Empörung und wütende Proteste unter Afghanen ausgelöst.
Der erste Hinweis auf den Zwischenfall am Donnerstagabend an dem ISAF-Checkpoint war von einem Internet-Blog gekommen. Auf der homepage von www.soldatenglueck.de war der Vorfall geschildert worden. Erst auf auf Nachfrage bestätigte das Verteidigungsministerium den tödlichen Vorfall.
Leser*innenkommentare
huckfin
Gast
Ich hatte gestern die Gelegenheit mit einem Soldaten, der frisch aus Afganistan zurückgekommen ist zu sprechen. Abgesehen von manchen Unzulänglichkeiten bei der Organisation des Einsatzes, wird es noch lange dauern (wenn überhaupt), bis sich dort Strukturen entwickelt haben, die einen Abzug der fremden Truppen erlauben. Ob eine Verhinderung einer Talibanisierung (und damit der schon beschriebenen archaischen Zustände) von Afganistan gelingt, steht sowieso in den Sternen. Von hier aus den Moralapostel zu spielen, ist ebenfalls nicht zielführend und spielt dort den Kräften, die auf Zerfall und Chaos setzen, in die Hände. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Bildung für möglichst viele wird jedoch die einzige Möglichkeit sein, die Gesetze von Gewalt und Chaos in ferner Zukunft irgendwann einmal zu durchbrechen. So lange wird es wohl nötig sein, dass eine bewaffnete Polizei oder andere Ordnungsmacht zumindest verhindert, dass neu gebaute Schulgebäude wieder zerstört werden.
Bernd Goldammer
Gast
lieber Bark Wind,
Ihre Schilderungen wühlen mich auf.Warum läuft die Entwicklung in den islamischen Weltregionen so unterschiedlich? Bisherige Dauerkriege, Not und Elend verschärften die Probleme garantiert. Fakt ist: Gegen Pakistan, den Ort der geschilderten Barbarei, richtet sich der Afghanistan Einsatz der Bundeswehr nicht! Fakt ist auch: Die Taliban wurden vom Westen aufgerüstet und ausgebildet.Ihre barbarischen Traditionen lebten die Taliban auch aus, als noch Waffenbrüder und Auftragnehmer der USA in Afghanistan und im Kosovo waren. Es hat nie gestört! Begreift endlich: Kein einziges Problem dieser Größenordnung kann dauerhaft mit militärischen Mitteln gelöst werden! Der Ausweg liegt in zivilisierten Lebensbedingungen! Durch kontrollierbare Verträge auf Gegenseitigkeit könnten das viel schneller erreicht werden. Den Deutschen dämmert es längst: Am Hindukusch werden leider nur die Kontostände rüstungspolitischer Westmächte verteidigt. "Zahler" sind die Völker des Westens und Nutznießer werden nur sehr wenige Afghanen sein. Schluss mit dem Blödsinn!
chramb
Gast
@Bark Wind
Solche Änderungen müssen aber von sich aus erfolgen.
Dafür ist ein Wandel im Denken der Menschen nötig, dieser Wandel steht aber noch aus. Und da helfen bewaffnete Kräfte im Land wenig, sowas kann man den Menschen nicht aufzwigen bzw. sowas lassen sie sich nicht aufzwingen.
"Revolutions" Export funktioniert meistens nicht.
Bark Wind
Gast
Zwar ist so manches an diesem Krieg zu kritisieren, z.B. weil es scheinheilig ist - z.B. das Verschweigen von strategischen Interessen der Kontrolle über riesige fossile Rohstoffe -
aber ! nicht Alles ! ist hier nur scheinheilig oder sonst ungerechtfertigt.
Warum die modernen Kräfte in den USA (Obama statt McCain) wie im sog. Mittleren Osten oder anderswo das eindeutig kleinere Übel sind,
und daher auch in Afghanistan - leider auch militärisch - unterstützt werden müssen, wird hoffentlich an folgendem aktuellen Beispiel deutlich:
Fünf Frauen sind vor ca 1 Monat (Juli 2008) im Südwesten Pakistans lebend in ein Grab geworfen worden, weil sie sich ihre Ehemänner selbst aussuchen wollten.
Auf die Frauen, drei davon waren noch Jugendliche, wurde zunächst geschossen, dann warf man sie in die Grube und schaufelte Erde über sie, obwohl sie noch atmeten.
"Das sind jahrhundertealte Traditionen, und ich werde sie weiter verteidigen", sagte der Abgeordnete Israr Ullah Zehri. "Nur wer sich der Unmoral hingibt, muss Angst haben."
Zehri hatte am Freitag (29.08.08) im pakistanischen Parlament für einen Eklat gesorgt.
Eine der deutlichsten Kritikerinnen solcher Praktiken ist die ehemalige pakistanische Frauenministerin Nilofar Bakhtiar.
Wer die "Taliban" in Afghanistan und ähnliche traditionalistisch-fundamentalistischen Gruppierungen unterstützt,
unterstützt damit Praktiken wie die oben genannten. Hitler war leider mit gutem Zureden auch nicht zu stoppen.
Lorenzen-Pranger
Gast
Waren es nicht die Grünen, die diesen Einsatz seinerzeit mit beschlossen haben?
Unfall
Gast
das sind dinge die ich wohl nie verstehen werde: eine straßensperre, mitten auf der straße. was macht man da wohl, durchfahren? überall schilder in allen(!) sprachen. analphabet wird der fahrer wohl nicht sein, sonst hätte er das auto nicht bekommen. warnschüsse in die luft, keine reaktion. mit absicht taub? tja, und dann kracht es. 3 chancen anzuhalten, man sieht die sperre, sieht schilder, sieht und hört die warnschüsse....manchmal hab ich den eindruck die brüder machen das mit absicht, mal ohne sprengstoffgürtel. seufz
Troll
Gast
Lust auf Orden und Tamtam?
Die Aufwendungen für unsere militärische Aufrüstung nehmen von Jahr zu Jahr zu
gleichzeitig werden die Sozialleistungen von Jahr zu Jahr kleiner, es ist unser Geld.
Du sollst nicht töten!
Was also machen wir da?
Nie wieder wollten Deutsche, Waffen tragen…
Und nun…ermittelt die Staatsanwaltschaft…das Ergebnis aber steht schon fest:
Die Familie wollte Selbstmord begehen als sie alle Warnungen in den Wind schlug…
Du sollst nicht töten!
Und nun…legen wir wieder Ehrenfriedhöfe für unsere gefallenen Söhne an?
Scheiß auf die Helden, Scheiß auf das Gelöbnis, Scheiß auf die Orden, Scheiß auf den Irrsinn!
DU SOLLST NICHT TÖTEN!
pauline
Gast
@anke: Danke, für einen sinnfreien Kommentar!
Rapha
Gast
Ich finde es vermessen den Vorfall, wie Anke mit "Erst schießen, dann fragen" zu kommentieren.
Wir in unserem wohlbehüteten Umfeld lassen uns nur allzu leicht zu solchen Äußerungen hinreißen.
Was aber in den Soldaten unter dem ständigen Druck dem sie ausgesetzt sind vorgeht kann und mag sich vermutlich niemand ausmalen. Ich möchte nur zu gerne mal sehen wie
wir in einer solchen Situation handeln würden. Der Ausdruck Selbsterhatlungstrieb dürfte uns ja allen bekannt sein.
weselibiedaci
Gast
Da mein Beitrag von gestern bisher nicht gepostet ist - evtl. war etwas für die taz zu Gefährliches daringestanden, könnte ich glatt verstehen - hier eine entschärfte, hoffentlich als publizierbar bewertete Version:
Schuld an allen Toten dieser Militäreinsätze/Kriege sind in aller erster Linie die antidemokratischen Terroristen/Terroristinnen, die auch Frauen und Kinder als ZivilistInnen verkleidet für Anschläge benutzen - nachdem sie vorher erpresst oder einer Gehirnwäsche unterzogen wurden.
Ohne diese Damen und Herren würden solche Militäreinsätze trotz der riesigen Erdöl/Erdgas Vorkommen in "Middle East" weniger oder gar nicht existieren
(die Scheinheiligkeit, zu verschleiern, dass es primär um die Kontrolle der Rohstoffe geht, was allein schon an der Freudlichkeit zu sehen ist, mit der die menschenverachtenden Verhältisse in Saudi-Arabien freundlich toleriert werden, weil diese Regierung dem "Westen" nahe steht, muss trotzdem weitherin scharf kritisiert werden).
Glimmlampe
Gast
typisch arrogante haltung,
man kann darüber diskutieren ob es sinnvoll ist truppen in einem fremden land zu haben, aber die haben wir nunmal und zwar um den leuten dort zu helfen (jedenfalls heist es das offiziell und derzeit seh ich keinen grund anderer meinung zu sein). zieht man die zurück ohne das sich dort unten anständige strukturen gebildet haben war alles für den a****.
jetzt ist die sache nunmal angefangen, jetzt müssen wir das auch durchziehen bis zum ende und nicht einfach alles fallen lassen wie eine heiße kartoffel.
und das die soldaten in der situation geschossen haben (wenn es denn eben so war wie beschrieben), ist schlicht und einfach verständlich. wenn man sich gegen einen feind wehren muss der sich nicht offen zeigt, sondern unter zivilkleidung schutz und sicherheit sucht, passiert es zwangsläufig das eben zivilpersonen die, aus welchen gründen auch immer, falsch reagieren zu schaden kommen.
wer das anzweifelt sollte einmal versuchen sich in diese situation hinein zu denken.
FelixSchwarz
Gast
Frau Merkel hat der Bundeswehr "die Lizenz zum Töten von Frauen und Kindern" erteilt. Unsere Soldaten töten unschuldige Frauen und Kinder. Bis jetzt nur diese. Da trifft die Aussage "Soldaten sind Mörder" voll zu. Die "Koalition der Willigen" hat auch in Aphganistan schon tausende von Zivilisten getötet. Im Irak sind bisher 650 000 Zivilisten gestorben. Das alles, damit die USA ihre Verschwendung, ihren "american way of life" weiter leben können. Sie wollen uns auch in diesen Sumpf mit hineinziehen.
Joe
Gast
Support ISAF - F... the Taliban, that`s the only way for peace!
Harald Hahn
Gast
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Die Zeitungsüberschriften sagen einiges über die poltitische Ausrichtung der Zeitung aus:
Junge Welt "Zivilisten abgeknallt"
Neues Deutschland "Mutter und Kind erschossen"
und der Bayernkurier der Grünen:
taz: Tödlicher Vorfall ....
Vorfall, das klingt so harmlos, ist halt passiert, keine moralische Empörung, da ist dann die Linkspartei wohl zuständig, die ihr dann dafür in den nächsten Tagen runterschreibt.
Ganimesh
Gast
www.soldatenglueck.de ist offline
Axel
Gast
Es reicht! Aufstehen für den Frieden!
20.9.2008 Demonstration in Berlin und Stuttgart
Dem Frieden eine Chance,
Truppen raus aus Afghanistan
Nein zur Verlängerung der Mandate für
den Bundeswehreinsatz in Afghanistan
http://www.afghanistandemo.de
anke
Gast
Erst schießen, dann fragen - sicher ist sicher. Das kommt davon, wenn Beschützer glauben, sich schützen zu müssen vor ihern Schützlingen.
Man kann aber auch einen (Aber-)Glauben machen aus derartigen Dramen. In dem Dorf zum Beispiel, aus dem ich stamme, haben die Leute noch vor ein paar Jahren behauptet, jeder Tote, der übers Wochenende unbegraben liegen bleibt, würde andere mitnehmen unter die Erde. Das, fürchte ich, wäre in diesem Fall nicht der schlechteste Glaube gewesen. Wer so tickt, der wahrt seine Interessen vielleicht doch lieber vor der Haustür als am Hindukusch. Zumindes dann, wenn es riskant sein könnte. Die Wege sind dann einfach kürzer.