Hitler-Vorwürfe: Querelen in der Göring-Stadt

In Salzgitter-Bad haben vier frühere CDU-Mitglieder ihren ehemaligen Vorstandskollegen wegen rechtsradikaler Hetze angezeigt. Dieser bestreitet die Vorwürfe

Fast wäre aus Salzgitter die Hermann-Göring-Stadt geworden, nun streitet sich zumindest die örtliche CDU über die Nähe ihrer Mitglieder zu den Nazis Bild: DPA

Schlampereien bei den Parteiwahlen, Schriftvergleiche anhand von Stimmzetteln und einen Hitler-Fan an der Spitze - von den Vorwürfen, die innerhalb des CDU-Ortsverbandes Salzgitter-Bad kursieren, würde einer genügen, um Parteien auf anderer Ebene kräftig ins Schlingern zu bringen. Sicher ist in Salzgitter bisher nur: Es gibt seit mindestens zwei Jahren einen hart ausgetragenen Machtkampf. Bisheriger Höhepunkt ist der Vorwurf, dass Steffen Rogler, der Vorsitzende des Ortsverbandes, Hitler-Fan sein solle. Er habe mehrfach auf Kneipentouren das Horst-Wessel-Lied gesungen oder auf "Hitler, unseren Führer" angestoßen. Außerdem wird ihm vorgeworfen, seine angebliche rechte Gesinnung bei Terminplanungen geäußert zu haben. Während der Geburtstag Adolf Hitlers für ihn ein "Feiertag" sein solle, habe er Treffen am Tag des Stauffenbergschen Hitler-Attentats stets abgelehnt, weil "das ein schlechter Tag für Deutschland" sei. Dabei war Steffen Rogler eigentlich der Gewinner des letzten Kräftemessens in der CDU Salzgitter-Bad, einem von 16 Ortsverbänden der CDU in der 100.000-Einwohner-Stadt Salzgitter. Doch noch auf der Versammlung zur Vorstandswahl geschieht ein folgenschwerer Fehler: Nach der Abstimmung über den neuen Vorstand am 23. Mai wurden die Stimmzettel am Veranstaltungsort liegengelassen. Vier der neu gewählten Vorstandsmitglieder, Peter Kozlik, Sebastian Deliga, Martin Lippert und Michael Walter, nahmen die Unterlagen mit in eine Altstadtkneipe, um am nächsten Tag eigenhändig nachzuzählen - ohne jeglichen Beschluss. Rogler kam verspätet zu dem Treffen. Zehn Tage später tritt er zurück, weil es Schriftvergleiche gegeben habe. Die vier Beschuldigten dementieren das, trotzdem läuft daraufhin ein Parteiausschlussverfahren an. Ende Juli, als Rogler schon lange zurückgetreten ist, erstattet Kozlik Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen der Verbreitung von nazistischen Parolen. Anfang September sollte ein Urteil vor dem Parteigericht fallen, doch der Prozess dauert an, weil es Befangenheitsanträge gibt. Ein CDU-Mitglied aus Salzgitter, das anonym bleiben möchte, berichtet, dass die Vorwürfe parteiintern nicht erst seit der Anzeige im Juli bekannt sind: So habe es nach der Berichterstattung in der Lokalzeitung Hinweise von Einwohnern gegeben, dass Rogler regelmäßig rechtsextremistische Äußerungen tätige. Daraufhin hätten die vier Vorstandskollegen Rogler mit den Vorwürfen konfrontiert und andere Parteimitglieder informiert. Deswegen vermuten zumindest Kozlik, Deliga, Lippert und Walter, dass Rogler wegen seines rechtsextremen Hintergrunds zurückgetreten sei. "Es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen einen Kommunalpolitiker aus Salzgitter", bestätigt der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Die ersten Zeugen seien vernommen worden, die Akten lägen in seiner Behörde bei der Sonderabteilung für politische Straftaten. "In zwei bis drei Wochen werden wir wissen, wie wir weitermachen", sagt Ziehe. Steffen Rogler ist im Urlaub und nicht zu erreichen. Vor seiner Abreise sprach er jedoch mit der Salzgitter-Zeitung und gab ein Dementi ab mit der kuriosen Begründung: "Das ist Quatsch. Ich bin kein Nazi, sondern Historiker." In der Zeit seines Urlaubs hat ein Freund den Telefondienst für Rogler übernommen. Der Freund hält den Vorwurf für absurd, allein schon deshalb, weil er selbst einen deutsch-arabischen Hintergrund habe. Auch Peter Kozlik sagt nichts zu den Vorwürfen. Er möchte das Verfahren abwarten. Genau so halten das auch drei in der Öffentlichkeit bekannte Zeugen: Sebastian Deliga, Martin Lippert, Michael Walter. Sie reden nicht über die Details der Vorwürfe. Ihre Begründung: Sie wollten ihre Glaubwürdigkeit als Zeugen nicht gefährden. Diese Argumentation scheint erstaunlich, da die vier seit Monaten in einen parteiinternen Machtkampf mit Rogler verwickelt sind. So steht jetzt Wort gegen Wort. Beobachter außerhalb der Partei halten sich aber bewusst mit Bewertungen zurück, weil die Lage in der Partei zu unübersichtlich ist. Rogler ist noch nicht als Teilnehmer von rechtsextremen Kundgebungen aufgefallen. Peter Kozlik ist inzwischen aus der CDU ausgetreten, weil diese "Nazis in den eigenen Reihen" dulde. Dagegen wehrt sich der scheidende Kreisvorsitzende und ehemalige Landtagsabgeordnete Hermann Eppers: "Rechtsradikales Gedankengut hat in der CDU keinen Platz. Wenn die Vorwürfe stimmen, dann hat das Konsequenzen." Es gelte aber auch für Steffen Rogler die Unschuldsvermutung. "Wenn Rogler verurteilt wird, werden wir parteigerichtlich gegen ihn vorgehen." Ein Ausschluss sei dann wahrscheinlich. Allerdings macht er seine Zweifel deutlich. "Die fünf arbeiteten schon jahrelang zusammen. Ist denen das wirklich erst jetzt aufgefallen?" Nach einer umstrittenen Parteiwahl wirke das auf jeden Fall sonderbar. Doch auch Eppers trägt Verantwortung: Er hat die Stimmzettel am Wahlabend liegengelasse

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