CDU verschweigt eigene Geschichte: Eine Partei ohne Vergangenheit

Auf ihrem Ost-Kongress in Dresden will sich die CDU an diesem Freitag als Partei der deutschen Einheit feiern. Die eigene Geschichte als Blockpartei verschweigt sie lieber.

Die CDU feiert gerne die deutsche Wiedervereinigung, blendet ihre ostdeutsche Vergangenheit aber aus. Bild: dpa

Für die Verhältnisse des bedächtigen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt ist es eine Eruption. Wolfgang Böhmer sitzt tief im Sessel, im Veranstaltungssaal der sachsen-anhaltischen Landesvertretung in Berlin. Eine Sammlung seiner Reden und Interviews hat er gerade vorgestellt, sie trägt den Titel "Lieber eine unbarmherzige Wahrheit als eine barmherzige Lüge".

Ein Journalist fragt nach dem Ost-Kongress, den die CDU an diesem Freitag in Dresden abhält, und nach dem entsprechenden Antrag für den Bundesparteitag im Dezember, der sich zur Hälfte mit der DDR-Vergangenheit beschäftigt. Da bricht es aus Böhmer heraus. "Es kann doch nicht sein", sagt er, "dass die CDU die einzige Partei ist, die nicht weiß, dass es zu DDR-Zeiten auch eine Ost-CDU gab." Die Blockpartei wird in dem Papier mit keiner Silbe erwähnt. Böhmer empfindet das offenbar als eine barmherzige Lüge.

Außer in Sachsen-Anhalt werden inzwischen alle ostdeutschen Landesverbände von Politikern angeführt, die einer Blockpartei angehörten - einer jener vier Parteien also, die mit der SED in der "Nationalen Front" zusammenarbeiteten. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus trat 1985 in die CDU ein, wurde mit 29 Jahren stellvertretender Schulleiter. Der Sachse Stanislaw Tillich gehörte der CDU seit 1987 an, im Rat des Kreises Kamenz war er stellvertretender Vorsitzender. Jürgen Seidel, Parteichef in Mecklenburg-Vorpommern, war schon seit 1971 in der CDU und saß im Rat des Kreises Waren. Der brandenburgische CDU-Vorsitzende Ulrich Junghanns schließlich entschied sich 1974 für die Demokratische Bauernpartei, die 1990 ebenfalls in der CDU aufging.

Ohne die Funktionäre mit Erfahrungen und Kontakten wären die langjährigen Erfolge der CDU im Osten kaum möglich gewesen. Die SPD konnte auch deshalb nicht mithalten, weil sie sich anders als die pragmatischen Konservativen der Aufnahme früherer SED-Genossen verweigerte. In der CDU spielen ehemalige Bürgerrechtler heute bestenfalls eine Nebenrolle. Günter Nooke etwa ist Beauftragter der Bundesregierung für die Menschrechte, Arnold Vaatz darf das Thema in der Bundestagsfraktion bearbeiten.

Im Umgang mit dem Thema war die CDU schon mal weiter, damals in den Neunzigern, als Nooke beitrat und Vaatz noch Minister in Sachsen war. "Trotz Benachteiligungen und persönlichen Risiken haben viele Mitglieder ihre Unabhängigkeit bewahrt", hieß es im Grundsatzprogramm von 1994 - aber eben auch: "Sie konnten jedoch nicht verhindern, dass Bequemlichkeit, Opportunismus und Kollaboration bis hin zur persönlichen Skrupellosigkeit einzelner das Bild der Partei prägten."

Im aktuellen Programm, 2007 in Hannover beschlossen, ist von Kollaboration und Skrupellosigkeit nicht mehr die Rede. Nur davon, wie intensiv sich die westdeutschen Christdemokraten in den demokratischen Aufbauprozess einbringen konnten. Dann heißt es lapidar: "Der CDU im sowjetisch besetzten Teil Deutschland blieb dies verwehrt."

Inzwischen dämmert dem CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, dass die Partei mit solcher Geschichtsvergessenheit nicht durchkommen wird. Er kündigte an, bis zum Parteitag eine Formulierung nachzuliefern - und verriet in einem Interview, wie eine solche Passage aussehen könnte: "Richtig ist, dass die CDU von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als führende Partei der DDR zwangsweise gleichgeschaltet wurde. Aber richtig ist auch, dass die CDU in der DDR im totalitären System der SED mitgewirkt hat."

Damit dürfte dann auch Böhmer zufrieden sein, der das Thema in Leipzig mit Pofalla besprechen will - und die Blockpartei im Übrigen nicht durchweg verdammen mag. Es seien im DDR-Alltag "durch Mitglieder der Ost-CDU bestimmte Dinge entschärft" worden, sagt er. So hatten ihm Freunde aus der Blockpartei einst geholfen, als sein Sohn aus politischen Gründen exmatrikuliert werden sollte.

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