IEA wird grüner: Öl-Lobby fordert Energierevolution
Die Internationale Energie-Agentur entdeckt plötzlich den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien. Sie erwartet einen Ölpreis von 200 US-Dollar je Fass im Jahr 2030.
Dass Umweltschützer oder die Erneuerbare-Energien-Branche einen kompletten Umbau der weltweiten Energieversorgung fordern - daran hat man sich gewöhnt. Nun geht aber auch die mächtige Internationale Energieagentur IEA, die bislang als enger Verbündeter der Öl-, Kohle- und Atom-Industrie galt, davon aus, dass das weltweite Energiesystem "eindeutig nicht zukunftsfähig sind". Sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen müsse ein Kurswechsel eingeläutet werden. "Dazu bedarf es nichts Geringerem als einer Energierevolution."
Erstmalig warnt die IEA in ihrem jährlichen Ausblick vor einer "katastrophalen, irreversiblen Schädigung des Weltklimas", wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt. Denn dann werde die Durchschnittstemperatur um bis zu sechs Grad Celsius zunehmen. Und dabei gilt unter Klimaforschern alles jenseits der Zwei-Grad-Grenze als kaum noch beherrschbar. Tatsächlich erlaubt sich die IEA, auch Szenarien zu berechnen, die nicht nur den Status quo fortschreiben, sondern auch die Klimaschutzziele berücksichtigen.
Die zweite wichtige Neuerung ist, dass auch die IEA das Ende des Ölzeitalters kommen sieht. Zwar wird, wie in jedem Jahr, darauf hingewiesen, dass die Ölreserven noch für 40 Jahre reichen werden. Gleichzeitig beschleunige sich jedoch der Rückgang der Fördermengen, weil die Ausbeutung der Felder ihren Höhepunkt überschreiten werde. Und das bei einem Anstieg des Verbrauchs um gut 45 Prozent "Mit welchen Ölquellen der steigende Bedarf gedeckt werden soll, wie viel die Förderung dieses Öls kosten werde und wie viel die Verbraucher dafür zu zahlen haben werden, ist jedoch äußerst ungewiss, möglicherweise ungewisser denn je." Die IEA rechnet damit, dass der Ölpreis bis 2015 durchschnittlich bei 100 US-Dollar pro Barrel liegen werde und 2030 auf 120 US-Dollar ansteigen werde. Unter Berücksichtigung der Inflation bedeute dies, dass in gut 20 Jahren 200 US-Dollar pro Fass gezahlt werden.
Da wundert es nicht, dass die erneuerbaren Energien auch in den IEA-Szenarien an Bedeutung gewinnen. Sie würden bereits im kommenden Jahrzehnt die zweitgrößte Stromquelle nach Kohle, berechnet die IEA. Diese würden von sinkenden Kosten und steigenden Preisen der fossilen Energieträger profitieren.
"In diesem Punkt ist die IEA schon sehr nahe an unseren Szenarien", sagte Andre Böhling, Greenpeace-Energieexperte der taz. Er hält die Entwicklung der IEA ebenfalls für bemerkenswert und für einen "Schritt in die richtige Richtung". Allerdings sieht er weiterhin Defizite. Der Klimaschutz werde nicht konsequent verfolgt, die beiden vorgelegten Szenarien kämen zu dem Schluss, dass frühestens 2020 der Ausstoß von Kohlendioxid sinke. "Das ist mindestens fünf Jahre zu spät", sagt Böhling.
Auch in einem anderen Punkt sieht er Defizite. Die IEA geht von einem weltweiten Anstieg des Energieverbrauches um knapp 50 Prozent aus. Das Gegenmodell von Greenpeace, dass die Umweltschützer vor einigen Wochen präsentiert haben, hält hingegen trotz Wachstums in den Schwellenländern ein Halten des derzeitigen Niveaus für möglich. "Das Potenzial der Energieeffizienz wird von der IEA bei weitem nicht ausgeschöpft."
Auch der WWF bleibt kritisch. Im Vergleich zu früheren Prognosen sei der diesjährige Ausblick durchaus ehrgeizig, erklärte die Umweltschutzorganisation. Trotzdem lege die IEA "die Latte noch immer viel zu niedrig". Die angenommenen CO2-Reduktionen in den OECD-Ländern müssten mindestens zehn Jahre eher erreicht werden als von der IEA prognostiziert.
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