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Der Radsport hat eine verlässliche LobbyFürsorgliche Befragung

Der übel beleumundete Radsport darf weiter mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt planen. Die Sportpolitiker des Bundestags erweisen sich als bereitwillige Helfer des organisierten Sports.

Schneller voran dank Wasser und Erythropoetin. Bild: dpa

Auftritt Rudolf Scharping. "Geht's gut?", fragt er die Bedienstete des Deutschen Bundestags, die am Eingang zum Sitzungssaal des Sportausschusses aufpasst, dass nur reinkommt, wer den richtigen Ausweis hat. Dann schleicht er in den Saal. Er schüttelt jede Hand, die ihm entgegengestreckt wird. Es hätte ein schwieriger Tag werden können für den früheren Verteidigungsminister. Doch er lächelt, denn er weiß, dass alles gut laufen wird. Der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) ist geladen, um Auskunft zu geben über die Bemühungen seines Verbandes im Kampf gegen Doping.

Vor vier Wochen noch hatte Entsetzen geherrscht über den Verband. Da war bekannt geworden, dass bei der deutschen Marathonmeisterschaft der Mountainbiker keine Dopingkontrollen vorgenommen worden waren. Kurz nachdem mit Stefan Schumacher ein weiterer deutscher Epo-Radler aufgeflogen war, herrschte eine "Jetzt reicht's aber endgültig"-Stimmung. Die Bündnisgrünen stellten einen Antrag, der die Streichung der knapp 2,5 Millionen Euro Bundesmittel für den Radsport aus dem Haushalt für das nächste Jahr forderte. Peter Danckert (SPD), der Vorsitzende des Sportausschusses, prangerte den "laxen Umgang" des BDR in der Dopingproblematik an. Rudolf Scharping wurde eingeladen und sollte sich erklären. Jetzt sitzt er da. Und freut sich. Alle bis auf den Grünen Winfried Hermann streicheln den Radsport. Ein sanftes Tribunal wurde da aufgeführt, eines, bei dem die vermeintlichen Ankläger zu Anwälten wurden.

Die nicken freundlich, als ihnen Rudolf Scharping weismachen will, sein Verband sei es gewesen, der das Programm "Gate" des Heidelberger Zentrums für Dopingprävention erst möglich gemacht habe. Wie es sein kann, dass ein Angestellter des Bundes Deutscher Radfahrer genau diese Art der vorsorgenden Dopingbekämpfung auf einer Trainertagung lächerlich gemacht hat, fragt niemand nach. Und das, obwohl es sich bei diesem Mitarbeiter um jenen Burkhard Bremer handelt, den Sportdirektor des Verbandes, der schon seit Jahren den Verdacht, er habe von Doping im deutschen Radsportteam zumindest Kenntnis gehabt, nicht widerlegen kann. Klaus Riegert, der CDU-Obmann im Sportausschuss, lobt stattdessen die Erfolge des BDR im Kampf gegen Doping. "Was passiert denn eigentlich, wenn wir Erfolg im Antidopingkampf haben", müsse man sich fragen. "Dann haben wir Dopingfälle." Schlussfolgerung: "Aber dann darf ich doch nicht auf dem Verband rumprügeln." Rudolf Scharping nickt.

Der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) wird gefragt, was er denn davon halte, dass bei nationalen Titelkämpfen keine Dopingkontrollen durchgeführt worden seien. Göttrick Wewers windelweiche Antwort: "Das ist nicht so schön gelaufen." Wenn es tatsächlich stimme, dass der Verband dafür "schlicht kein Geld" (Scharping) mehr hatte, dann hätte man sich an die Nada wenden können, so Wewer. Scharping blickt bedröppelt drein. "Wir haben das für nicht so gravierend gehalten", sagt er, "aber das war auch angesichts der nachgelagerten Debatte wohl ein Fehler." Ein Fehler, den auch das Innenministerium, aus dessen Etat die Sportförderung bestritten wird, nicht wirklich schlimm finden konnte. Verständnis allüberall.

Zufrieden blickt da auch ein Stammgast drein. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ist als Cheflobbyist des Sports beinahe immer da, wenn der Sportausschuss tagt. Der modifizierte Antrag der Bündnisgrünen, der nur noch die Streichung von 50 Prozent der Radsportmittel fordert, hat keine Chance. Nur Winfried Hermann stimmt dafür. "Letzten Monat habt ihr doch ganz anders geredet", ruft er. Er ist der Einzige, der sich treu geblieben ist.

Alle anderen Ausschussmitglieder bleiben sich in anderer Hinsicht treu. Sie erweisen sich wieder einmal als zuverlässige Stützen des staatlichen Sportsystems. Dagmar Freitag (SPD) ist als Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes selbst Lobbyistin, genauso wie Eberhard Gienger (CDU), der Vizepräsident des DOSB. Dem Sport, sogar dem Radsport, sind die Pfründe sicher.

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2 Kommentare

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  • WU
    Wolfgang Uhlig

    Nachdem die SZ mit ihrer unvorstellbaren Hetzkampagne gegen Ullrich den Boden bereitet hat, sind alle Medien bereitwillig eingestiegen, den Radsport zum Prügelknaben der Nation zu machen. Da darf natürlich auch die taz nicht hintenanstehen.

    Natürlich kein Wort darüber, dass von den 2,5 Mio nur etwa 70000 an den Profiradsport gehen und der gesamte "riesige" Rest zwischen Jugendarbeit, Mountainbike und Cross etc. aufgeteilt werden muss. Dann würde ja die Häme nicht mehr wirken.

    Ach, es ist ja so ermüdend vorhersagbar geworden, sag du Fahrrad, ich antworte dir Doping.

    Einfach nur noch billig ...

  • ME
    Markus Eichert

    Das kann ja wohl nicht wahr sein.

     

    Ist dieser Artikel ein Kommentar, der eine eigene Meinung zulässt?

     

    Ich will dem Herrn "Journalisten" mal was ins Stammbuch schreiben: Der Bund Deutscher Radfahrer besteht nicht aus EPO-dopenden Profis. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir zulassen, dass ein paar Fehlleistungen dazu führen, dass einer gesamten Sportart -und dabei handelt es sich um Breitensport- der Saft abgedreht wird?

    Die staatlichen Fördermittel werden doch nicht dazu verwendet, Herrn Schumachers Gehalt zu bezahlen. Nein, die Mittel fliessen in die Talentförderung, und haben damit eine heute so dringend gebrauchte soziale Funktion. Wer als Jugendlicher Sport treibt, der treibt sich eben weniger auf der Strasse herum. Daher sind die Ansprüche des BDR genauso berechtigt wie die des DFB oder anderer Verbände.

     

    Radsport ist ein Breitensport, wer das nicht glaubt, der kann ja mal mitstoppen, wie schnell die Startplätze für die HEW Cyclassics in Hamburg weg sind.

     

    Und überhaupt: 2,5 Millionen. Das sind doch Peanuts. Peanuts gegenüber den staatlichen Mitteln, die aufgewendet werden, um randalierende Fussballfans in und um die Stadien der Bundes- bis Regionalliga im Zaum zu halten. Und das wird keinem der Vereine in Rechung gestellt.

    Aber das der Polizeieinsatz zur Demontration gegen den Castor-Transport soll den Demonstrierenden plötzlich in Rechnung gestellt werden? Wo sind die Forderungen der Bundespolizei gegen Herrn Rummenigge?!? Warum schreibt niemand etwas gegen diese Milliarden-Subventionierung der "Millionen-Kicker"?

     

    Wenn Sie weiterhin im Bild-Zeitungs-Stil Meinung machen wollen, dann schreiben Sie doch mal was dazu.

     

    Im übrigen:

    Wie sagte noch Hanns-Joachim Friederichs: "Einen guten Journalisten erkannt man daran, dass er sich nicht mit einer Sache gemein macht. Auch nicht mit einer guten."

     

    Somit wäre das Urteil gesprochen.

     

    Gruss ME