Humboldtforum viel zu teuer: Märchenschloss auf Sand

Dem geplanten Jahrhundertbau auf dem Berliner Schlossplatz droht eine Kostenexplosion: Auf die Spenden des Fördervereins ist kein Verlass. Eine Stiftung soll das Großprojekt retten.

Humboldtforum: Zweifelhafte Rolle des privaten Fördervereins. Bild: dpa

Ein Jahrhundertprojekt sollte es werden, das Humboldtforum auf dem Berliner Schlossplatz. Mit 552 Millionen aus seinem Haushalt und einem aufsehenerregenden internationalen Architektenwettbwerb wollte sich Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein Denkmal in der Mitte Berlins setzen. Ab 2010 soll auf den Ruinen des Palasts der Republik ein modernes Kulturzentrum entstehen, mit der Fassade des historischen Stadtschlosses, das 1950 von der DDR gesprengt worden war.

Aber der Bauherr hat sein Schloss offenbar auf Sand gebaut. Jetzt sind Unterlagen aufgetaucht, die belegen, dass die Planung für das Großbauvorhaben auf veralteten Zahlen, geschönten Kalkulationen und unseriösen Spendenversprechen beruht.

Tiefensees Behörden ist längst bekannt, dass das Humboldtforum wesentlich teurer wird als geplant. Laut einer im Auftrag des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) erarbeiteten Kostenschätzung vom 20. Juli 2007 droht vor allem dem Herzstück des Baus, der barocken Schlossfassade, eine Kostenexplosion. Die Fassadenrekonstruktion wird demnach nicht wie veranschlagt 80 Millionen Euro, sondern 112,9 Millionen Euro kosten - wesentliche Posten wie Wärmedämmung, Schmiedearbeiten, Fenster und Türen noch nicht eingerechnet. Die per Bundestagsbeschluss geforderte Kuppel kostet noch einmal 14,2 Millionen Euro zusätzlich. Eine Erhaltung der von Archäologen freigelegten historischen Schlosskeller schlüge mit weiteren 4,5 Millionen zu Buche.

Die enorme Verteuerung des Baus ist längst ein offenes Geheimnis. Doch der Bauherr hält in der Öffentlichkeit weiterhin an 80 Millionen Fassaden- und 552 Millionen Gesamtkosten fest. "Die Mehrkosten der historischen Fassade wurden und werden auf 80 Millionen geschätzt. Das ist realistisch", äußerte Sprecherin Vera Moosmayer auf Anfrage der taz.

Dass Großbauprojekte teurer werden als geplant, ist durchaus üblich. Doch das Humboldtforum bekam vom Parlament 2007 eine Kostendeckelung auf höchstens 552 Millionen verordnet. Allzu ehrgeizige Pläne mussten daraufhin abgespeckt werden. Dass die verschlankte Version jetzt erneut den Kostenrahmen sprengt, dürfte den Volksvertretern schwer zu erklären sein.

Dies dürfte der Grund dafür sein, dass das Ministerium den zuständigen Haushaltsausschuss so lange wie möglich im Unklaren ließ. Die ein Jahr alte Kostenschätzung erhielt das Gremium erst letzte Woche. Ausschussmitglied Anna Lührmann (Grüne) spricht von einer "halbherzigen Informationspolitik" des Ministeriums.

Nicht nur Lührmann hält es inzwischen für "fragwürdig, dass das Gesamtprojekt Humboldtforum so realisiert werden kann". Im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin, das sich mit 32 Millionen am Bau beteiligt, ist bereits spöttisch vom "Märchenschloss" die Rede.

Zweifelhaft ist besonders die Rolle, die der private Förderverein Berliner Schloss bei der Bauplanung spielt. Der Verein um den Hamburger Unternehmer Wilhelm von Boddien will 80 Millionen Euro Spenden für die Barockfassade sammeln. "Eine verbindliche schriftliche Zusage hierzu liegt nicht vor", bestätigte das Bundesbauministerium auf Anfrage eines besorgten Parlamentariers. Trotzdem hat der Bund die Spenden als festen Posten in die Gesamtkalkulation aufgenommen.

Gerade einmal 17 Millionen der Spendensumme hat der Verein zum gegenwärtigen Zeitpunkt zusammen. Einen Großteil davon will er für Vereinskosten und die Erstellung von Plänen und Modellen einbehalten. Mit deren Erstellung hat der Verein eigenmächtig das Architekturbüro von Rupert Stuhlemmer beauftragt, ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Beide, Boddien und Stuhlemmer, wurden trotz ihrer eindeutigen Interessenlage als Gast beziehungsweise Sachverständiger in die Jury des Architektenwettbewerbs eingeladen.

Dass Stuhlemmer der rechtskonservativen Jungen Freiheit ein Interview über die Vorzüge geschichtsbewussten Bauens gab, wirft erst recht kein gutes Licht auf den Verein, der unter Parlamentariern als hochgradig unseriös gilt. Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter forderte schon vor dem Start des Architektenwettbewerbs Ende 2007, die "Anteile Dritter" rechtlich abzusichern, damit der Bund am Ende nicht auf den Kosten sitzen bleibt. "Der Bund darf sich hier nicht in eine Haftungssituation für die Endausbaustufe begeben" warnte Kampeter. Passiert ist seitdem - nichts.

Der Förderverein verspricht seinen Spendern weiterhin vollmundig, für die denkmalgerechte Ausführung gestifteter Schmuckelemente zu garantieren. Doch ob die Fassadensteine, die man auf der Website des Vereins "kaufen" kann, jemals eingesetzt werden, bleibt fraglich. Nicht zuletzt, weil es heutzutage kaum noch Steinbildhauer gibt, die kompetent im Herstellen von "preußischem Barock" sind.

Das zeigt ein auf der schlosskritischen Website "Schlossdebatte.de" veröffentlichtes Interview mit dem Berliner Restaurator Andreas Hoferick. Dieser geht davon aus, dass eine fachgerechte Fassadenrekonstruktion Jahrzehnte dauern würde, weil man erst geeignete Fachkräfte ausbilden müsse. Ein nicht unwesentliches Detail - schließlich ist die Barockfassade Schlüsselelement des Architektenwettbewerbs, der Ende November zu Ende geht.

Inzwischen ist auch dem Bauherrn klar, was für ein Risikofaktor Boddien und seine Spenden- und Fassadenversprechen sind. Das Bundesbauministerium will nun eine gemeinnützige Stiftung errichten. Die soll die Bauherrenfunktion übernehmen und selbst Spenden entgegennehmen können. Damit soll der Einfluss des Fördervereins zurückgedrängt werden. Dass das Parlament in Kürze die Stiftung absegnet, gilt als wahrscheinlich.

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die mit ihren außereuropäischen Sammlungen ins Humboldtforum einziehen soll, wäre man über eine solche Lösung froh. Selbst könnte die Institution, die mit der Rekonstruktion der Museumsinsel schon ein eigenes Großprojekt betreut, die Stiftung nicht schultern. Aber man hoffe, "als Hauptnutzerin entsprechend vertreten" zu sein, so Sprecherin Stefanie Heinlein.

Auf viel mehr dürfen die künftigen Nutzer SPK, Berliner Zentral-und Landesbibliothek und Humboldt-Universität allerdings nicht hoffen: Für das Humboldtforum, das "Freistätte für Kunst und Wissenschaft" im Geiste der Gebrüder Humboldt und außereuropäische Ergänzung zur Museumsinsel werden soll, fehlt ein Konzept. Einen Intendanten für das ehrgeizige Projekt gibt es nicht, noch ist nicht einmal geklärt, wie die Betriebskosten für die insgesamt 40.000 Quadratmeter Nutzfläche aufgeteilt werden sollen.

Sechs Jahre nach dem Bundestagsbeschluss und kurz bevor die letzten Reste des Palastes der Republik vom Schlossplatz verschwunden sein werden, ist das Humboldtforum nichts als ein Sandschloss mit einer Barockfassade aus Luft.

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