Ökologie: Integrationsarbeit im Biogarten

Das Türkisch-Deutsche Zentrum eröffnet im Görlitzer Park Berlins ersten interkulturellen Garten nach streng ökologischen Kriterien. Damit will der Verein das Umweltbewusstsein der Migranten schärfen.

Nass und kalt ist es an diesem Freitagvormittag im Görlitzer Park. Das miese Wetter hält Turgan Altug vom Türkisch-Deutschen Zentrum (TDZ) Friedrichshain-Kreuzberg aber nicht davon ab, ein Gartenfest zu feiern. Während sich die Besucher vor Kälte dicht zusammen drängen, gestikuliert der promovierte Agrarwissenschaftler ausufernd. Grund seiner Freude: Er eröffnet Berlins ersten interkulturellen Garten in Trägerschaft eines türkischen Vereins.

Rund 20 interkulturelle Gärten gibt es inzwischen in Berlin - so viele, dass Alltug bereits von einer "neuen sozialen Bewegung" spricht. Gemein ist diesen Gärten, über Gartenarbeit zwanglosen Kontakt zwischen Deutschen und Migranten herzustellen. Der Garten des TDZ will jedoch mehr: "Hier soll nur ökologisch gegärtnert werden", sagt Altug. Dies habe er ausdrücklich in der Nutzungsvereinbarung festschreiben lassen. Künstlicher Dünger oder Pflanzenschutzmittel sind tabu. Ziel seines Gartenprojekts: Er möchte das Umweltbewusstsein vor allem bei Migranten schärfen.

Lange Zeit hätten Migrantenorganisationen das Thema Ökologie eher stiefmütterlich behandelt, sagt Altug. Themen wie Bildung und andere Integrationsprojekte hätten für viele einen höheren Stellenwert. Vor allem aber war kein Geld für Ökoprojekte da. Altug erhielt Unterstützung von der Stiftung Interkultur. Der Kinderbauernhof im Görlitzer Park stellte eine rund 160 Quadratmeter große Fläche zur Verfügung. Und das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg genehmigte das Projekt als Arbeitsbeschaffnungsmaßnahme, so dass zeitweise zehn Arbeitslose zu Gärtnern wurden. Alltug selbst wies sie in die Gartenarbeit ein: Boden umpflügen, neuen Mutterboden schaffen und Beetflächen anlegen. So enstanden zwischen Juli und November vierzehn Parzellen, die nun von Kreuzberger Familien betreut werden.

Christiane Mensah-Attoh und ihr türkischer Freund Iskender Aztürk stehen neben ihrer vier Quadratmeter großen Parzelle. Vor allem freuen sie sich für ihre anderthalbjährige Tochter, die nun auch in einer Großstadt gärtnern kann. Der ökologische Aspekt sei ihnen sehr wichtig, sagt Mensah-Attoh. "Wir ernähren uns eh nur von Bio." Vom biologischen Anbau habe sie allerdings noch nicht viel Ahnung, gesteht sie. Sie hat vor, an den Seminaren und Exkursionen teilzunehmen, die Altug und das TDZ für das kommende Jahr geplant haben.

"Umweltbewusstsein ist bei türkischen Migranten durchaus vorhanden", sagt er. Das Bewusstsein über Handlunsmöglichkeiten ist allerdings noch nicht so ausgeprägt, so der Agrarwissenschaftler und zitiert eine Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Daraus schlussfolgerte er, dass es bloß an Anstößen gefehlt hat.

Auch Grünen-Politiker Cem Özdemir ist bei der Eröffnung dabei. "Interkulturelle Gärten haben sich sehr bewährt", sagt der frisch gewählte Bundeschef der Ökopartei und überzeugte Neukreuzberger. Es gebe immer mehr Bewerber als Plätze. Diesen Garten findet Özdemir vor allem wegen der Nähe zum Kinderbauernhof gelungen.

Das Projekt scheint ihn nicht nur als Politiker zu inspirieren. Im Anschluss eilt er zu Altug. "Du, Turgan, das war ernst gemeint", sagt er. "Sollten wir so einen Kräutergarten nicht auch bei mir anlegen?"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.