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Gemälde von Lovro Artukovic15 m2 feierliche Gruppenszenenszene

Im ehemaligen Haus Ungarn wurde Lovro Artukovi Gemälde "Unterzeichnung der Deklaration über den Anschluss von Westherzegowina und Popovo Polje an die Republik Kroatien (...)" gefeiert.

Lovro Artukovic ist einer der bekanntesten Künstler Kroatiens. In Berlin, wo er seit 2003 lebt, ist er eher ein Außenseiter. Im ehemaligen Haus Ungarn/.BHC Kollektiv ist nun erstmals die abgeschlossene Version seines Ölgemäldes "Unterzeichnung der Deklaration über den Anschluss von Westherzegowina und Popovo Polje an die Republik Kroatien (Wer hat das Bier bestellt?)" zu sehen. Gut ausgeleuchtet hängt das Bild am Ende des dunklen Saals, den etwa 80 Gäste in Windeseile mit Zigarettenrauch vernebelt haben.

Auf 15 Quadratmeter hat Artukovic eine feierliche Gruppenszene gebannt: 22 Berliner Freunde verschiedenster Nationalitäten geben Sonderbeauftragte, EU-Unterhändler und internationale Beobachter. Lamentierend, Schriftstücke reichend, rauchend und auf Karten verweisend stehen sie um einen Kaffeehaustisch. Dort sitzen ein missmutiger kroatischer, ein unsicherer bosnisch-herzegowinischer und ein schmunzelnder serbischer Präsident. Vor ihnen auf dem Tisch: Aschenbecher. Am Rande steht eine Frau, die, ein Tablett mit gefülltem Biergläser haltend, die Betrachter streng anblickt.

Im Hintergrund kann man auf einer großen Tafel die Speisekarte lesen. Anstelle der Vorspeisen erkennt man die Umrisse der jugoslawischen Republiken. Im Süden Bosniens, irgendwo bei Popovo Polje, malt jemand an der Grenze herum.

Zur Ausstellung gehört auch der Film "L. A. unfinished" von Igor Mirkovic. Mirkovic hatte Künstler und Modelle über die Monate der Entstehung der "Deklaration" begleitet. In einem kahlen Atelierraum sitzend erzählt Artukovic, während des Krieges habe er begonnen, Alltagsgegenstände zu malen, um sich ein Gefühl der Normalität zu bewahren.

Es folgte ein Zyklus nie geschehener historischer Ereignisse. Artukovic porträtierte Freunde, deren Geschichte man im Film erfährt, flohen zu Beginn des Krieges nach Berlin, um nicht zur Armee zu müssen oder um "abzuwarten". Dass sie nach wenigen Wochen zurückkönnten, glaubten die meisten. Schließlich wurden aus Wochen Jahre und aus den Jugoslawen Exjugoslawen, die in Kreuzberg lebten. Über die gemeinsamen, oft folkloristischen Abende räsoniert ein Dargestellter: "Wir wollten auch mal die Primitiven sein!" Hier setzt Lovro Artukovic an und versucht die Frustration umzuwandeln in eine Parodie der vollkommen verrutschten Wirklichkeit.

Die "Deklaration" ist als "totaler Fauxpas" konzipiert, als Statement gegen den Zwang zum Statement. In einem Café spricht der Künstler einleitende Worte. "Da war dieses Dayton-Abkommen", sagt er. Dann werden die Rollen eingeübt.

Malend resümiert er über die chaotische Vorarbeit: Sie seien eben viele Menschen gewesen, und niemand wusste, was zu tun war. Der Gedanke an Dayton liegt da natürlich nahe. Im Film sind deshalb auch Originalaufnahmen zu sehen: Tudman, Milosevic und Izetbegovic, umringt von dutzenden Beratern, unterschreiben das Abkommen, dann applaudieren sie.

Nach dem Film steigt der Geräuschpegel im Saal. Blickte man sich um, erkannte man die Dargestellten wieder. Alle Anwesenden schienen sowohl serbokroatisch als auch deutsch zu sprechen, vor allem aber laut. Vielleicht ist auch ein spezieller Zugang zu dem doch heiklen Thema nötig. Jene jedenfalls, die Artukovic im Hinterkopf hatte, erblickten ihresgleichen sicher nur ungern in Unterhändlerpose. Auf der Vernissage aber funktioniert es: Das Publikum, ganz in Kaffeehauslaune, wird zum Spiegelbild der Belanglosigkeit in Öl. Der Schriftsteller Edo Popovic antwortete einmal - zum x-ten Mal auf die Kriege angesprochen -, das Einzige, was der Zerfall Jugoslawiens dem Land gebracht habe, sei der Kollaps der heimischen Biersorten. Die Lacher waren wenige, aber herzlich. In diesem Sinne sei auch die Ausstellung der "Deklaration" möglichst vielen ans Herz gelegt.

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