Rechte von Opfern vor Gericht: Reform für Nebenklage
Justizministerin Zypries will, dass künftig nur noch "besonders schutzwürdige Opfer" mit eigenen Rechten vor Gericht auftreten dürfen.
FREIBURG taz Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will die Nebenklage im Strafprozess neu regeln. Im Wesentlichen sollen nur noch die Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten als Nebenkläger vor Gericht auftreten können. Dies sieht der gestern vorgestellte Entwurf für ein zweites Opferrechtsreformgesetz vor. Bei Delikten wie Beleidigung ist keine Nebenklage mehr vorgesehen.
Mithilfe einer Nebenklage kann das Opfer einer Straftat am Gerichtsverfahren gegen den mutmaßlichen Täter mitwirken. Dabei kann das Opfer Fragen und Anträge stellen und gegen ein zu mildes Urteil sogar Rechtsmittel einlegen. "Vor allem für Opfer schwerer Straftaten ist es sehr wichtig, dass ihre Belange im Strafverfahren angemessen berücksichtigt werden", sagte die sozialdemokratische Ministerin am Mittwoch.
In den letzten Jahren war die Nebenklagebefugnis stetig ausgeweitet worden. Trotz aller opferfreundlichen Rhetorik von Zypries geht es diesmal aber auch um eine Einschränkung. Bei leichten Delikten wie Beleidigung und einfacher Körperverletzung ist die Nebenklage nicht mehr automatisch möglich. Auch die Geschädigten bestimmter Patent- und Urheberrechtsverletzungen sollen nicht mehr Nebenkläger sein können.
Bestehen bleibt die Nebenklage für die Opfer von Tötungsversuchen, von Sexualdelikten, schwerer und gefährlicher Körperverletzung, Geiselnahme und Menschenhandel. Auch die nahen Verwandten eines Getöteten können weiterhin Nebenklage erheben. Ausweiten will Zypries die Nebenklage nur an zwei Punkten. Künftig können auch die Opfer einer Zwangsheirat Nebenklage erheben. Außerdem sichert eine "Auffangnorm", dass alle Kriminalitätsopfer, für die die Tat erhebliche gesundheitliche oder psychische Folgen hatte, als Nebenkläger auftreten können. Nach Angaben des Justizministeriums gibt es pro Jahr rund 10.000 Strafprozesse, bei denen ein Nebenkläger beteiligt ist. Zypries geht davon aus, dass die Zahl der Nebenklagen nach der Reform eher zunimmt.
Ausweiten will Zypries auch die Möglichkeit, dass der Nebenkläger sich auf Staatskosten einen Anwalt nehmen kann. Bisher war dies nur für Opfer von Sexualdelikten und Tötungsversuchen sowie die Hinterbliebenen von Tötungsdelikten möglich. Künftig sollen auch die Opfer von schwerer Körperverletzung, Raub und Geiselnahme einen Opferanwalt auf Staatskosten erhalten. Zypries griff dabei eine Forderung des Bundesrats auf. Der Opferanwalt wird vom Staat unabhängig vom Einkommen des Opfers bezahlt. Die Kosten müssen die Bundesländer tragen. Wenn der Angeklagte verurteilt wird und zahlungsfähig ist, können die Kosten des Opferanwalts auf ihn abgewälzt werden.
Der gestern vorgestellte 60-seitige Gesetzentwurf enthält noch zahlreiche kleinere Punkte, unter anderem endet der besondere Schutz für minderjährige Zeugen nicht mehr mit dem 16., sondern erst mit dem 18. Geburtstag. Der Entwurf soll im Februar im Bundeskabinett beschlossen werden.
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