Abschiebung von Gerson Liebl: "Das ist rassistisch"
Weil Gerson Liebls Großvater eine Einheimische aus Togo heiratete, wird seine Staatsbürgerschaft heute nicht anerkannt - schuld ist ein Gesetz von 1913. Ein Vertrauter von Gerson Liebl übt Kritik an den Behörden.
taz: Herr Dietzfelbinger, sie kennen Gerson Liebl seit mehreren Jahren und haben ihn in der Abschiebehaft in Nürnberg immer wieder besucht. Hat er denn seine Abschiebung kommen sehen?
Gerson Liebl, 46, wurde am Dienstag von München aus nach Togo abgeschoben (taz berichtete). Seit Jahren hatte er dafür gekämpft, die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen. Seit Dezember saß er in Abschiebehaft. Gerson Liebl ist ein Enkel von Fritz Liebl aus Straubing, der 1908 als Arzt nach Togo ging und dort eine einheimische Häuptlingstochter heiratete, mit der er Gersons Vater zeugte. Die Behörden verwehrten Gerson Liebl, der 1992 nach Deutschland übersiedelte, dennoch den deutschen Pass, wohl auch aus Angst, einen Präzedenzfall zu schaffen. Offiziell verwiesen sie auf einen fehlenden kaiserlichen Stempel. Gerson Liebls Ehefrau Ginette und ihr gemeinsamer Sohn Gergi leben noch in Deutschland. Doch auch ihnen droht jetzt die Abschiebung nach Togo. Dabei hat der achtjährige Gergi sein ganzes Leben in Deutschland verbracht.
Eckart Dietzfelbinger: Nein, überhaupt nicht. Ich habe ihn zuletzt am vergangenen Freitag besucht. Da gab es noch keinen Hinweis, dass er bald abgeschoben wird. Im Gegenteil: Gerson Liebl hatte erst vor drei Wochen eine richterliche Anhörung. Die lief sehr vielversprechend, der Richter war eigentlich auf seiner Seite. Es sah gut aus, dass die Abschiebehaft bald beendet wird. Doch eine Entscheidung gab es nicht. Wir warteten und warteten, und da kam nichts mehr.
Welchen Eindruck hat er auf Sie im Gefängnis gemacht?
Er war sehr ruhig und höflich wie immer. Er wirkte nicht einmal verzweifelt. Bücher und Literatur hat er aber abgelehnt. Gerson Liebl wollte einfach nur zu seiner Familie zurück. Ich hab ihn immer wieder gewarnt, dass ich es für möglich halte, dass ihn die Behörden abschieben. Aber da bin ich mir nicht sicher, ob er selbst wirklich damit gerechnet hat.
Warum nicht?
An dem Punkt war er schon fast 20 Jahre in Deutschland. Irgendwann muss er an den Punkt gekommen sein, zu sagen: Die Duldung reicht ihm nicht mehr, er will jetzt auf die deutsche Staatsbürgerschaft dringen.
Ist er an seiner eigenen Sturheit gescheitert?
Nein, Liebl ist das Opfer eines Gesetztes von 1913 geworden. Es ist nicht reformiert, es ist nicht abgeschafft worden. Weil Liebls Großvater eine Einheimische aus Togo heiratete, wird seine Staatsbürgerschaft heute nicht anerkannt. Das ist rassistisch, das ist anachronistisch und das ist auch ein Signal, dass nach wie vor diese Diskussion über Migration und Ausländer vom Gedanken der Exklusion bestimmt ist. Auch die Angst vor einem Präzedenzfall ist albern. Es sind außer Gerson Liebl jedenfalls keine anderen Fälle bekannt.
Wie sind die Gerichte damit umgegangen? Sie waren bei mehreren Verhandlungen dabei.
Da haben sich die Richter strikt an ihre Gesetze gehalten. Sie waren aber überhaupt nicht in der Lage, zu erkennen, um was es da geht. Bei einer Verhandlung hatte Gerson Liebl nicht einmal einen Anwalt genommen. Er glaubte, er könnte mit seiner Argumentation die Richter überzeugen. Damit hat er kompletten Schiffbruch erlitten.
Das klingt ein bisschen naiv.
Ich will der Familie gegenüber in keinem Fall ungerecht sein. Aber wenn Sie mich fragen, dann hat er was von einem Don Quichote gehabt. Manchmal hat er auch über seine verzweifelte Lage laut gelacht.
Wie geht es nun mit Gerson Liebls Familie weiter?
Was ich gehört habe, sollten sie vielleicht das Angebot der Behörden annehmen und ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern. Denn so besteht zumindest die Chance einer Familienzusammenführung. Das ist wahrscheinlich der einzige Weg, diese Trennung von mehreren tausend Kilometern wieder aufzuheben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee