Kosovo-Kriegsverbrechen: Freispruch für Serbiens Ex-Präsidenten

Das UN-Tribunal sieht die Vorwürfe gegen Milan Milutinovic wegen Kriegsverbrechen im Kosovo als nicht erwiesen an. Fünf Mitangeklagte erhalten Haftstrafen bis zu 22 Jahren.

Stellte sich dem Tribunal freiwillig: Milan Milutinovic (Archivbild von 2000). Bild: ap

SARAJEVO taz Überraschend hat das UN-Tribunal für Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag am Donnerstag den ehemaligen serbischen Präsidenten Milan Milutinovic freigesprochen. Dagegen erhielten die Mitangeklagten, darunter drei Militärs und ein hoher Polizeioffizier, Gefängnisstrafen von 15 bis 22 Jahren.

Es war ein Whos who des serbischen Regimes von damals, das sich wegen Kriegsverbrechen im Kosovo 1989/99 vor Gericht verantworten musste. Neben Milutinovic, der sich im Januar 2003 seinen Verfolgern selbst gestellt hatte, war auch der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Nikola Sainovic angeklagt. Dazu drei höchstrangige Armeegeneräle, der Chef des Generalstabs, Dragoljub Ojdanic, der im Kosovo eingesetzte Kommandeur des III. Armeekorps, Nebojsa Pavkovic, der Chef des Pristina-Korps Vladimir Lazarevic und ein Polizeioffizier, der Chef der vom Innenministerium eingesetzten Polizeieinheiten MUP im Kosovo, Sreten Lukic.

Neben der Vertreibung von 800.000 Zivilisten warf ihnen die Anklage vor, systematisch "Terror und Gewalt" in der ehemaligen serbischen Provinz angewandt zu haben, bei der tausende albanische Zivilisten getötet wurden. "Als Ergebnis dieser koordinierten Aktionen wurden Dörfer, Städte und ganze Regionen für die albanische Bevölkerung unbewohnbar gemacht." Die Angeklagten seien verantwortlich für den Granatenbeschuss von Dörfern und Städten, die Zerstörung von historischen Monumenten und von persönlichem Eigentum. Noch auf der Flucht in die Nachbarländer Albanien und Makedonien seien Flüchtlinge bedroht, geschlagen, ausgeraubt, willkürlich verhaftet und getötet worden. Der ursprünglich Mitangeklagte Slobodan Milosevic war 2006 im Gefängnis des Tribunals gestorben.

Das Gericht sah im Falle Milutinovic keine direkte Verbindung zu den Verbrechen. Auch bei den anderen Angeklagten machte das Gericht Abstriche. Die Anklage wegen der Verantwortung der hohen Offiziere für Vergewaltigungen wurden fallen gelassen. Die Angeklagten Sainovic und Ojdanic wurden noch in anderen Anklagepunkten freigesprochen, erhielten jedoch wegen der systematischen Vertreibung der Albaner Gefängnisstrafen von 22 bzw. 15 Jahren. Der Polizeioffizier Lukic und der Kommendeur der Armeee vor Ort, Pavkovic, müssen 22 Jahre hinter Gitter, während der Offizier Lazarevic mit 15 Jahren davonkam.

Milutinovic wurde schon 1999 zusammen mit seinem Chef Slobodan Milosevic angeklagt, sein Prozess verzögerte sich jedoch wegen Prozessproble- men und Veränderungen der Anklage immer wieder. 2006 musste er dann auf freien Fuß gesetzt werden, er kam jedoch zu Prozessbeginn rechtzeitig zurück. Auch einige der anderen Angeklagten hatten sich auf Druck der serbischen Regie- rung "freiwillig" dem Gericht gestellt.

Die milden Urteile und der Freispruch von Milutinovic wurden im Kosovo mit Protesten beantwortet. Milutinovic habe zum engsten Kreis um Slobodan Milosevic gehört, erklärten aufgebrachte Anrufer aus Prishtina, und habe über alle Vorgänge Bescheid gewusst. Einzelne Stimmen sprachen von einem politischen Urteil. "Die höchste Ebene wird verschont, die kleineren Täter jedoch verurteilt", sagten Bürger des Kosovo dem Radio Prishtina. In der serbischen Hauptstadt Belgrad dagegen herrschte nach dem Freispruch für Milutinovic Erleichterung.

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