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Kann meinem Vorredner nicht zustimmen. Die Lage ist vollkommen unklar, Gerüchte widersprechen sich. Offizielle Quellen sind nicht verlässlich. Die Zahl der Toten und Verletzten kann also höher oder niedriger liegen; letztlich ist mir die Zahl egal. Jeder Tote ist zuviel. Doch wen interessiert schon, wenn in Madagaskar ein Sack Reis umfällt? Wochenlang waren die Berichte spärlich bis nonexistent. Ohne Kontakte vor Ort kann man getrost vergessen, die Lage einzuschätzen.
Ravalomanana hat in der Tat versucht sein Land zu modernisieren. Gleichzeitig hat er aber auch sein Firmenimperium von seiner Position profitieren lassen. Seitdem er an der Macht ist, hat sein Lebensmittelkonzern keine Steuerm und Importölle entrichtet. Er hat kürzlich eine neue Dienstboeing im Wert von sechzig Millionen Dollar angeschafft und dies in einem der ärmsten Länder der Welt. Ravalomana ist eitel und hat den Bezug zur Realität verloren. Macht ist eine Droge, die zum Grössenwahn führen kann. Schade, er hatte 2002 eigentlich vielversprechend begonnen. Trotz allem hat er in seiner Amtszeit für das Land mehr geleistet, als alle seine Vorgänger zusammen.
Sein Herausforderer Rajaoelina scheint nur eines zu wollen: die Macht. Wer hinter ihm die Strippen ist unklar. Er versucht derzeit ohne demokratische Legitimation ohne die Macht zu kommen. Dies ist schlicht und einfach ein Putschversuch. Die Mehrheit der Bevölkerung hat er nicht hinter sich. Bei den täglichen Demonstrationen im Stadtzentrum erscheinen ca. dreitausend Anhänger Rajaoelinas, das sind rund 0,1 Promille der Bevölkerung. Die schweigende Mehrheit der Bevölkerung will nur eins, nämlich dass endlich Ruhe ins Land einkehrt. Schon vor dem Umsturzversuch war das Leben schwer genug. Der wirtschaftlich Schaden und damit die weitere Verelendung grosser Bevölkerungsteile ist nicht abzusehen.
P.S. In der Tat waren es nicht "Hunderte von Toten" sondern "nur" ca. 140.
Dieser Kommentar entspricht nicht den vorliegenden Fakten. Auf Madagaskar sind gemäß aktuellen Schätzungen maximal 140 Personen getötet worden.
Dieses Mal sollen Funkgeräte der Hisbollah-Miliz detoniert sein, in mehreren Gebieten auch Solaranlagen. Die Extremisten kündigen Vergeltung an.
Kommentar Madagaskar: Ferne Insel als politisches Lehrstück
Die Weltwirtschaftskrise hat auch Ravalomananas Visionen zerbröseln lassen. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt aktiv werden, um eine friedliche Entwicklung zu ermöglichen.
Der Inselstaat Madagaskar ist ein Kosmos für sich - mit einer höchst komplexen politischen Gemengelage, die sich von außen betrachtet nur schwer erschließt. Seit rund drei Monaten versucht dort der gewählte Bürgermeister der Hauptstadt, Andry Rajoelina, den gewählten Staatspräsidenten Marc Ravalomanana zu stürzen. Hunderte von Menschen sind dabei bereits ums Leben gekommen, das Militär hat sich gespalten, ein Putsch droht.
Viele Beobachter verdächtigen den ehemaligen sozialistischen Militärdiktator Didier Ratsiraka, aus dem französischen Exil heraus die Strippen zu ziehen, um ein Comeback zu orchestrieren. Aber noch haben die Unruhen und die Gewalt nicht das Ausmaß erreicht, das die Welt aufrütteln würde.
Dabei ist Madagaskar ein Lehrstück darüber, wie Demokratisierung und Modernisierung scheitern können. In den Jahren 2001 und 2002 stand das Land schon einmal am Rand des Bürgerkriegs. Damals wollte der Diktator Ratsiraka seine Wahlniederlage gegen den Bürgermeister der Hauptstadt Ravalomanana nicht anerkennen. Der war ein erfolgreicher Unternehmer und setzte sich schließlich nach einem halben Jahr per Volksaufstand durch.
Gesiegt hatte damit auch die moderne, globalisierte Mittelklasse Madagaskars gegen ein abgewirtschaftetes Militärregime. Als Präsident öffnete Ravalomanana das Land mit seinen immensen Bodenschätzen und brachliegenden Ländereien für ausländische Investoren. Aber der erhoffte Investitionssegen sah für das Volk eher wie ein Ausverkauf aus. Jüngstes Beispiel: die Verpachtung einer riesigen Agrarfläche an Südkoreas Daewoo-Konzern.
Nun hat die Weltwirtschaftskrise auch Ravalomananas Visionen zerbröseln lassen. Wieder ist ein Bürgermeister der Hauptstadt angetreten, um Madagaskars Präsidenten per Volksaufstand zu stürzen. Kurzfristig müsste die internationale Gemeinschaft aktiv werden, um einen Ausgleich herbeizuführen. Langfristig sollte sie über die politischen Konsequenzen nachdenken, die eine ökonomische Öffnung für fragile Staaten bedeutet.
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Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.