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Erster Lehrer mit Downsyndrom"Meine Zeit ist gekommen"

Der 34-jährige Spanier Pablo Pineda ist der erste europäische Lehrer mit Downsyndrom. Seine Mutter hatte ihn nie aufgegeben. Jetzt will er Psychopädagoge werden.

Unterricht in einer Grundschule. Die Schüler einer spanischen Schule haben einstimmig beschlossen, dass Pineda ein Praktikum bei ihnen absolvieren kann. Bild: dpa

Es war fast eine ganz normale Unterrichtsstunde an einer Grundschule in der südspanischen Provinz Córdoba. Aber eben nur fast. Denn der 34-jährige Lehrer, Pablo Pineda, ist anders als seine Kollegen. Er hat das Downsyndrom. Als erster und einziger Europäer mit dieser angeborenen Krankheit ist er im Besitz eines Universitätstitels. Pineda hat erfolgreich in Málaga ein Lehramtsstudium abgeschlossen. Noch vier Prüfungen fehlen ihm für einen zweiten Titel, den des Psychopädagogen.

"Wir können alles erreichen, was wir uns vornehmen", lautete die Botschaft an seine Schüler, unter ihnen ein Kind, das selbst am Downsyndrom leidet. Die 400 Schüler in der Grundschule bei Córdoba hatten sich zuvor bei einer Versammlung einstimmig dafür ausgesprochen, dass Pineda bei ihnen ein Praktikum macht.

Pinedas Erfolgsgeschichte ist auch die seiner Mutter. Sie gab ihren 1974 geborenen Sohn nie auf. Mit vier Jahren brachte sie ihm Lesen und Schreiben bei. Nach der Grundschule schickte sie Pablo auf die Oberschule. Auch als er zweimal sitzen blieb, hielt sie zu ihm. Pineda machte weiter und bestand schließlich das Abitur. Der Weg zur Universität stand offen. Pineda nutzte die Chance.

"Bei Menschen mit Downsyndrom ist es wie bei den anderen auch. Manche lernen schnell, andere langsam, andere lernen es nie", erklärt Pineda. "Das Ziel muss sein, auch Kinder mit meiner Krankheit so zu erziehen, dass sie ein unabhängiges Leben führen können", fügt er in einem der unzähligen Fernsehinterviews, die er in den letzten Wochen gab, hinzu.

Längst ist der 34-jährige Pineda ein Medienstar. Bald wird er die große Leinwand erobern. Der spanische Regisseur Julio Médem dreht einen Film mit Pineda in der Hautrolle. "Yo también" ("Ich auch") heißt das neueste Werk des auch international bekannten Filmemachers. Pineda spielt die Rolle eines jungen Mannes mit Downsyndrom, der seinen Weg sucht. "Es geht darum, gegen vorgefertigte Urteile anzugehen, um der Gesellschaft zu zeigen, dass auch mit Downsyndrom viele Sachen möglich sind", heißt Pinedas Lebensphilosophie.

Sobald er die fehlenden Psychopädagogik-Prüfungen gemacht hat, steht er vor einer weiteren Hürde. Um an einer öffentlichen Schule arbeiten zu können, muss er eine umfangreiche Aufnahmeprüfung ablegen. Pineda möchte sich auch dieser Herausforderung stellen. Ihm ist klar, dass es nicht leicht wird. "Die Familien haben noch immer Angst davor, dass Menschen mit Downsyndrom Lehrer werden oder dass sie Partner ihrer Söhne oder Töchter sind … Ich bin es leid, der ewige Schüler, das ewige Kind zu sein. Jetzt ist meine Zeit gekommen, zu unterrichten."

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10 Kommentare

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  • DO
    Diana Oliphant

    Erst einmal finde ich es mit meinen 34 Jahren immer wieder erstaunlich, wie dumm manche Menschen sein können ( und wie ignorant ).

     

    Meine Tochter hat Freie Trisomie (was auch immer das genau bedeutet habe ich noch nicht herausfinden können), wird im September auf eine englische Regelschule gehen (mit 4 Jahren!!!) und sich mit Sicherheit nicht selber unter Druck setzten mit der Frage ob sie denn nicht zu behindert ist um das zu schaffen.

    DS Menschen sind nicht viel anders als `Regel`Menschen. Hmm, evtl doch, sie sind wesentlich ehrlicher.....

    Ich sehe gar nicht ein warum ich meiner Tochter trotz DS nicht die Möglichkeit geben sollte, einen normalen Abschluss zu erhalten. Das dürfen andere Kinder doch auch. Ich werde sie unterstützen solange sie mich lässt und solange ich nicht das Gefühl habe dass ich sie überfordere. Wieviele andere Kinder gibt es die `normal`sind und trotzdem vorne und hinten nicht klarkommen - egal mit was !! Wer (oder was) bekommt denn dann die Schuld?

    Ich werde auf jeden fall nicht den Fehler machen und mein Kind unterschätzen.

     

    Diana, Mutter.

  • SN
    Sabine Nussey

    Mein Sohn ist 18 Jahre alt und hat seine gesamte schulische Laufbahn in Regelschulen verbracht - in England, wo wir wohnen, keinesfalls eine Ausnahme. Zwar wird er nie ein Studium absolvieren, aber er kann lesen und schreiben und hat letztes Jahr 4 GCSE Prüfungen abgelegt und auch bestanden. Im September wird er seinen Bildungsweg in einem (Regel)college fortsetzen. Er hat viele Hobbies und viele Freunde und ist sehr aufgeschlossen und selbständig. An Down Syndrom leiden tut er bestimmt nicht - er leidet allenfalls unter der Ignoranz anderer Menschen, die seine ware Person hinter dem label "behindert" nicht sehen wollen oder können!

  • M
    marlen

    Also zunächst mal

     

    nicht alle vollbildtrisomie 21-ler haben schwere geistige schädigungen.... soviel mal zu dr. Ruppel.

    Mit der dementsprechenden Förderung ist auch heutzutage sehr viel möglich und auch ein Kind das die Freie Trisomie 21 hat hat die chance einen Hauptschulabschluss zu erringen. Dies pauschal abzuurteilen ist meiner meinung nach wieder typisch Deutsch und einfach ohne jeglichen Hintergrund.

    Wie ist es doch erst wieder Kürzlich in deutschland geschehen - ein Kind mit Down Syndrom kommt zur Welt und die Eltern bekommen gesagt: Sie müssen sich mit abfinden, das Ihr kind nur sabbernd in der Ecke sitzen wird"

    so Aussagen können nur von sogenannten FACHKRÄFTEN kommen, die in ihrer Scheuklappenwelt leben und irgendwann mal ihre Fachausbildung abgeleistet haben - vermutlich in der Steinzeit..

     

    Das es selbstverständlich bei der Trisomie 21 schwache und starke formen gibt ist unbestritten - jedoch hat die weder mit der Mosaiktrisomie nochwas mit der freien Trisomie zu tun...

    mir persönlich sind etliche Fälle bekannt wo Mosaikler wesentlich schlechter beinander sind, als Freie....

  • S
    Simon

    Also erstmal eine Sache, die mich jedes Mal extrem stört, wenn in den Medien über Menschen mit Behinderung berichtet wird, nämlich dass diese an Downsyndrom oder was auch immer "leiden". Ich arbeite an einer integrativen Grundschule, an der auch einige Kinder mit Downsyndrom sind, ich könnte nicht feststellen, dass diese "leiden"...

     

    Ansonsten kann ich Cordula Müller und Natalia nur Recht geben. Es ist sehr bedauerlich, dass in Deutschland nur sehr wenige Kinder und Jugendliche mit Behinderung in den Genuss von gemeinsamen Unterricht kommen, andere Länder zeigen ja, dass es auch anders geht.

    In einem Artikel hier auf taz.de stand neulich erst, wenn ich mich recht entsinne, dass in Skandinavien über 90% der behinderten Schüler auf die "Regelschule" gehen. Ein Maß an Integration, für das Deutschland noch viel tun muss...

  • SR
    Susanne Ruppel

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    Sehr geehrter Herr Wandler,

     

    Zwei Punkte erscheinen mir sehr wichtig um die von Ihnen gewünschte Akzeptanz zu unterstützen:

     

    1. Ich bedauere etwas, dass Sie scheinbar keine Hintergrundinformation haben, was nach dem Lesen Ihres Artikels tatsächlich dazu führen kann, dass viele Eltern, deren Kinder mit DS NICHT lesen, schreiben oder sprechen können, meinen könnten es läge an ihrer fehlenden Zuwendung oder Förderung. DAS TUT ES NICHT!!!

    Es gibt eine sogenannte 'Mosaikform' der Trisomie 21, d.h., dass nicht alle Zellen trisomerisch (das 21. Chromosom ist 3fach vorhanden) sind, sondern nur ein Teil der Zellen. Vermutlich hat der junge Mann in Spanien diese Mosaikform. Kein Mensch mit DS, der ausschließlich trisomerische Zellen hat, kann einen Hauptschulabschluss machen. Zu einem guten und reichen Leben gehören selbstverständlich Akzeptanz und Toleranz. Integration unterstütze ich auf allen Ebenen - ein so undifferenzierter Artikel schafft eher Irritation statt Aufklärung.

     

    2. Sie schreiben, dass jemand an der Krankheit Down Syndrom leide.

    Zum einen ist das DS KEINE KRANKHEIT sondern eine genetische Andersartigkeit. Das DS ist weder heilbar noch unheilbar. Die Frage stellt sich gar nicht! Zum anderen kenne ich KEINEN Menschen mit DS (ich kenne sehr viele Menschen mit DS), der darunter leidet, DASS er das DS hat. Wenn er leidet, dann unter Ausschluss und Diskriminierung.

    In der Hoffnung viele Eltern von Kindern mit DS beruhigt zu haben, wenn ihr Kind ganz 'normal' ist, wenn es vieles nicht kann und eben viel mehr Zeit , Zuwendung, Betreuung, Therapien und ärztliche Behandlung braucht und mit den besten Wünschen für den spanischen Lehrer und dass viele durch ihn Toleranz lernen können.

    Dr. S.Ruppel

  • N
    Natalia

    Ich glaube nicht das der Artikel falsche Hoffnungen weckt...

    In meinem Leben sind viele Menschen die das Stigma der "geistigen Behinderung" aufgesetzt bekommen haben und dadurch in einer Schublade feststegcken aus der sie sehr schwer hinauskommen und sie könnten soviel leisten wenn man ihnen die chance geben würde.

    Dieser Fall zeigt vielleicht als eine faszinierendes Beispiel was alles möglich ist und wie wichtig Gleichberechtigung von Anfang an ist. Wie wichtig unterstützung ist und nicht das Abschieben in eine Förder- oder "Sonderschule".

  • AD
    Axel Dörken

    Ja, genau. Lieber einen Außenseiter als Asunahme deklarieren, als sich die Frage zu stellen

     

    "Was kann ich mir von dem zu Nutze machen, was ich ablehne?"

     

    Vielleicht kann soviel Weisheit genutzt werden, um zu erkennen, dass es wenig hilfreich ist, weiter über "normal" und "unnormal" zu philosophieren und, dass es weitaus hilfreicher sein kann alles als normal anzunehmen, weil einfach alles in der Nomr des Lebens existiert.

     

    Meine Regel: Gibt es Ausnahmen, dann stimmt die Regel nicht.

     

    Hilfe/Veränderung ist oft von da zu erleben, von wo aus ich sie gerade nicht erleben will.

  • M
    Martin

    Der Artikel weckt völlig falsche Hoffnungen und Erwartungen. Der Spanier ist eine absolute Ausnahme. Ein Down-Syndromer Light sozusagen. Leider ist die Großzahl schwer geistig behindert und hat nie die Chance, auch nur annähernd so weit zu kommen.

  • CM
    Cordula Müller

    Schade, daß das nicht normal ist!!Wird man hier doch vom Sonderpädagogen, der das AOSF Verfahren macht, darauf hingewiesen, wie bei unserem Sohn, daß er nie ohne fremde Hilfe wird leben können! Diese Aussage ist nämlich nötig, damit man den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung deffinieren kann. Bei einem Kind mit Entwicklungsverzögerung(bei unserem Sohn) weiss nicht einmal ein Arzt, wie weit sich ein solches Kind entwickeln wird.Unser Sohn fängt an zu lesen zu schreiben und zu rechnen, was ihm die damalige Sonderpädagogin nicht zutraute, schon garnicht im Gemeinsamen Unterricht. Aber gut, daß es die Schublade gibt -Förderschule . Denn da braucht man sich ja keine Gedanken mehr machen, was aus seinem Kind wird, ab in die Behindertenwerkstatt.

    So läuft es in Deutschland! Und nur den Eltern ist es zu verdanken, wenn ihr Kind aus der Schublade rauskommt und nur, weil die Eltern ans eigene Kind glauben, ist vieL mehr möglich.

    Elterninitiative Bornheim Gemeinsamer Unterricht