Kommentar Genmais-Verbot: Die Freiheit des Verbrauchers

Das Anbauverbot der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 ist ein Etappensieg - leider nicht mehr. Die größte Gefahr ist ein Sieg von Union und FDP bei der Wahl im September.

Der Jubel der Gentechnikgegner war groß, als Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 verbot. Die Freude ist berechtigt, denn dieses Jahr wird das umstrittene Saatgut in Deutschland wohl nicht in die Erde kommen. Das ist ein Etappensieg - aber leider auch nicht mehr.

Denn Aigner ist keinesfalls davon überzeugt, dass transgenes Saatgut gefährlich ist. Bevor sie im vergangenen November Ministerin wurde, hatte sie sich als Forschungsexpertin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sogar noch für diese Technologie eingesetzt. Jetzt hat sie ihre Position um 180 Grad gedreht - binnen weniger Monate. Sie begründet das mit neuen Hinweisen auf Risiken für die Umwelt. Dabei gibt es solche Forschungsergebnisse schon seit Jahren.

Inhaltlich relativ neu dagegen ist die Angst der CSU, bei der Europawahl Anfang Juni an der bundesweiten Fünfprozenthürde zu scheitern. Aigner befürchtete, dass eine Pro-Gentech-Position - wie in Umfragen vorhergesagt - Stimmen kosten würde.

Nach der Wahl fällt dieses Motiv weg. Um Aigner dann zum Einlenken zu bewegen, baut die Gentechlobby bereits jetzt Druck auf - Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) mobilisiert in ihrem Sinne. Dabei weiß sie den MON 810-Hersteller Monsanto - einen Konzern mit 8,6 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz - und die deutschen Konkurrenten BASF und Bayer hinter sich. Schon eine neue Studie der Industrie, die MON 810 doch als ungefährlich einstuft, könnte Aigner genügen, um den Mais wieder zuzulassen.

Die größte Gefahr ist ein Sieg von Union und FDP bei der Bundestagswahl im September. Niemand im Parlament vertritt die Interessen der Gentech-Industrie so vehement wie die Liberalen. Das Thema berührt ihre Ideologie der "Freiheit" für die Forschung.

Die Gentech-Gegner müssen deshalb darum werben, dass die Mehrheit der Wähler weiterhin Genpflanzen ablehnt. Immer wieder sollten sie dem Verbraucher deutlich machen, dass seine Freiheit beschnitten wird, wenn Genpflanzen konventionelle Produkte kontaminieren. So könnte es der Bewegung gelingen, ihren Etappensieg in einen dauerhaften Erfolg zu verwandeln.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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