Stiftung ruft Gelder des Landes nicht ab: KZ- und Stasi-Gedenkstätten verfallen

Die Stiftung der Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt nahm Gelder aus dem Landeshaushalt nicht in Anspruch. Der Direktor schiebt die Schuld auf die Verwaltung - saniert wird vorerst nicht.

Im ehemaligen Konzentrationslager Lichtenburg kommt der Putz runter. Bild: dpa

MAGDEBURG taz Die Sanierung der Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg war schon geplant. Der Ausbau der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg sollte auch längst umgesetzt werden. Der politische Wille besteht in Sachsen-Anhalt und die entsprechenden Landesmittel standen auch bereits bereit. Die notwendigen Baumaßnahmen fanden dennoch nicht statt.

Der Grund: Der Stiftungsratdirektor der Gedenkstätte Joachim Scherrieble ließ die Gelder für 2008 verfallen. Und für 2009 scheint ein Teil des Geldes ebenso verloren zu sein. "Peinlich und ärgerlich" sei das, sagt Rüdiger Erben (SPD), Vorsitzender des Stiftungsrates der Gedenkstätten. An die 600.000 Euro waren vom Innenministerium allein für die Herrichtung des Vorderhauses der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt am Moritzplatz bereit gestellt gewesen, weitere 83.000 Euro für die Trockenlegung der früheren Haftküche.

Bis 31. Dezember 2008 hätte Scherrible die Gelder abrufen müssen. "Sie stehen mangels Übertragbarkeit damit im Jahr 2009 nicht mehr zur Verfügung", sagt nun die Landesregierung. Mit einer Kleinen Anfrage im Landtag hatte der Abgeordnete Hans-Joachim Mewes (Die Linke) nachgefragt. Eine nicht unerhebliche Summe habe die Landesregierung für die Instandhaltung zur Verfügung gestellt, die nicht in Anspruch genommen wurde. "Das ist keine reife Leistung des Gedenkstättendirektors", beklagt Mewes.

Wie dringend die Baumaßnahmen vor allem für die Gedenkstätte am Moritzplatz sind, offenbart sich, sobald man das Tor der Haftanstalt in der Landeshauptstadt durchschritten hat. Das rote Backsteinhaus, das 1873 als königlich-preußisches Amtsgericht und Stadtgefängnis eingeweiht wurde, zeigt erhebliche bauliche Schäden. "Die Decke fällt uns tatsächlich auf den Kopf", sagt Wolfgang Stiehl, Vorsitzender der Opferverbände. Stiehl selbst hat sechs Jahre eingesessen, weil er aus dem Westen das Satireblatt Tarantel in die damalige DDR schmuggelte.

Im Moritzplatz waren zwischen 1950 und 1989 mehrere Tausend Menschen inhaftiert - die meisten von ihnen wegen ihrer kritischen Einstellungen zur DDR-Regierung oder weil sie den Wunsch hegten, die DDR zu verlassen. Der Stiftungsdirektor habe es sich zu einfach gemacht, meint nun Erben und betont, dass dieser alleine die Verantwortung für die Baumaßnahmen trage.

Glaubt man den Stimmen im Landtag hat Scherrieble ebenso rund 500.000 Euro, die für Sanierungsarbeiten der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg vorgesehen waren, erlöschen lassen. Lichtenburg liegt zwei Autostunden von Magdeburg entfernt. Es war eines der ersten Konzentrationslager der NS-Zeit.

In dem Schloss, einst Witwensitz der Kurfürstin von Sachsen, saßen 1.500 politische Gegner, Homosexuelle, Juden und Zeugen Jehovas, unter ihnen auch der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter. Unter Historikern und NS-Forschern gilt die Burg heute als Vorläufer für die Konzentrationslager Buchenwald und Ravensbrück. Wie groß der Sanierungsbedarf in Lichtenburg ist, wird ebenfalls mit einem bloßen Blick auf den Innenhof deutlich.

Den Zustand möchte Scherrieble nicht beschönigen. Verantwortlich für die Versäumnisse will der Direktor nicht sein. Er verweist auf den Landesbetrieb Bau, der ständig unterbesetzt sei und folglich lange Prüfungsphasen habe. Scherrieble hält das Geld auch nicht für verstrichen. Die nicht in Anspruch genommene Summe müsse im nächsten Haushalt bloß wieder aufgenommen werden. Dies aber sei Aufgabe der Landesregierung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.