Kündigungsgrund Twitter: Der Chef liest mit

Twitter-Nutzer sind enorm offen in dem, was sie der Welt mitteilen. Ein Blogger hat zahlreiche Kündigungsgründe gefunden - von Sex mit dem Boss bis zur Kollegenverunglimpfung.

Auf den Internetseiten von resumebear ist nachzulesen, wie man es nicht machen sollte. Bild: screenshot www.resumebear.com

Der 140-Zeichen-Kommunikationsdienst Twitter kann wirklich süchtig machen: Auf die Frage "Was machst Du gerade?" hat jeder sofort eine Antwort und es macht tatsächlich Laune, der Welt seine aktuelle Gefühlslage mitzuteilen und sich im Netz selbst darzustellen. Allerdings kann die dabei an den Tag gelegte Offenheit auch zu weit gehen - dann nämlich, wenn sie mit der Berufswelt kollidiert.

Das Jobsucher-Weblog "ResumeBear" hat nun eine Liste mit 30 Postings erstellt, in denen Twitter-Nutzer sich recht weit aus dem Fenster lehnen - würde ihr Chef mitlesen, hätte der schnell einen Kündigungsgrund. "Bin gerade durch den Drogentest gefallen", schreibt da beispielsweise einer, während ein anderer (oder eine andere) berichtet, er/sie habe den Chef mit automatischen E-Mail-Antworten an der Nase herumgeführt, die vorgaben, er/sie habe noch sehr spät gearbeitet. Außerdem fanden sich Beispiele der Kollegenverunglimpfung und einige Twitter-User gaben gar an, sie hätten mit Kollegen oder dem Boss geschlafen.

Fazit: Würden solche Postings von Kollegen oder gar der Geschäftsleitung gesehen, gäbe es mit Sicherheit Ärger.

Dabei ist alles, was man auf Twitter eingibt, erst einmal öffentlich - und dank einer sehr gut funktionierenden Suchfunktion, die im Sekundentakt aktualisiert wird und von jeder Profilseite aus erreichbar ist, sofort auffindbar. Dagegen hilft nur, seinen Feed zu schützen ("Protect my Updates" über die Einstellungen). Ab dann sind die Neuigkeiten nur noch für die eigenen Freunde sichtbar; was man zuvor eingegeben hat, kann aber durchaus noch auffindbar sein und muss von Hand gelöscht werden.

Während einige der größten Twitter-Fehler aus dem "ResumeBear"-Weblog inzwischen gelöscht sind - oder von den Nutzern als "gar nicht so gemeint" klassifiziert wurden -, lassen sich andere erstaunlich leicht nachzuvollziehen. Die Eingabe von "Ich hasse meinen verdammten Boss", in englisch, in der Twitter-Suche brachte am Freitag gleich drei Seiten mit Treffern. Der "Dummkopf Boss" ("Dickhead Boss") sogar ein Dutzend. Wer nun glaubt, dass die entsprechenden Personen ihre Aussagen immer anonym tätigen, irrt: So präsentiert sich etwa ein Twitter-Nutzer namens S., der seinen Chef laut 140-Zeichen-Posting am liebsten bei einem "Mein Boss ist der doofste"-Wettbewerb anmelden wollte, mit vollem Namen und Link zur eigenen Website.

Twitter als Kündigungsgrund dürfte in dem Maße zunehmen, indem der Dienst sich weiter in der Gesellschaft durchsetzt. In den USA ist das Angebot, das laut Statistik des Webanalysedienstes Compete.com inzwischen mindestens sechs Millionen Nutzer hat, längst im Mainstream angekommen. Seit Promis wie Britney Spears twittern, beziehungsweise twittern lassen, interessieren sich auch viel gesehene Shows wie "Oprah" oder "The View" für den Kurznachrichtendienst und luden die Gründer der Firma ein. Auch in anderen Medien ist der Hype kaum zu bremsen.

Ein echter Fall von "wegen Twitter gefeuert" wurde bislang allerdings noch nicht bekannt - im Gegensatz zu diversen Beispielen von Nutzern sozialer Netzwerke wie Facebook, die über ihre Online-Freigibigkeit stolperten. Lange dürfte es aber nicht mehr dauern - besonders in Branchen, die sowieso mit dem Internet zu tun haben. So gab ein Nutzer per Twitter im Frühling bekannt, er habe gerade die Chance erhalten, einen Job beim Netzwerkspezialisten Cisco anzutreten. "Nun muss ich abwägen, was mir wichtiger ist: ein fetter Lohnscheck oder die tägliche Fahrerei nach San Jose und einen Job, den ich hasse."

Ein Mitarbeiter von Cisco las dieses Posting, reichte es per "Retweet" (Wiederholung der Nachricht) an andere Nutzer weiter. "Wer ist denn der Personalmanager. Ich bin mir sicher, der wüsste gerne, dass Du Deine Arbeit hassen wirst. Wir hier bei Cisco kennen uns im Web gut aus." Ergebnis: Den gut bezahlten Job durfte der Twitter-Nutzer natürlich nicht antreten, wollte es aber laut eigenen Angaben auch gar nicht. In einem Blogposting entschuldigte er sich und schrieb, man habe seinen Sarkasmus nicht verstanden. Der Cisco-Job sei ihm völlig unerwartet angeboten worden und er liege sowieso außerhalb seines beruflichen Erfahrungsbereiches.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.