Werder Bremen im Uefa-Pokalfinale: Nach Diego kommt "Diegolinho"

Vor dem Spiel in Istanbul gegen Donezk sind alle Augen auf Bremens Mesut Özil gerichtet. Der soll Diego nach dessen Abgang beerben. Dabei ist er einer, der viel Zuspruch braucht.

Kommt mehr übers Mannschaftsspiel als Diego, meint Werder-Kapitän Thorsten Frings über Özil. Bild: dpa

Spaß macht ihm der Rummel nicht. Ob sich nun Fans oder Fragesteller um ihn scharen: Mesut Özil möchte in diesen Momenten am liebsten weglaufen. Aber das geht ja nicht: Seit Monaten spielt der 20-Jährige so stark, dass er nicht nur eine feste Größe bei Werder Bremen, sondern auch deutscher Nationalspieler geworden ist. Seit Wochen weiß ein jeder, dass der von den kickenden Kollegen "Diegolinho" gerufene Filigrantechniker auserkoren ist, Diego, der den Verein verlassen wird, zu beerben. Und morgen blickt alles auf den in Gelsenkirchen geborenen Deutschtürken, wenn in Istanbul das Endspiel des Uefa-Cups gegen Schachtjor Donezk stattfindet (20.45 Uhr, Sat.1).

Diego ist gesperrt, Özil steht im Fokus - als einziger Fußballer, zu dem die Gastgeberstadt einen besonderen Bezug herstellen kann. Und er natürlich auch: "Für mich ist das was ganz Besonderes, in Istanbul zu spielen. Für meine ganze Familie und Freunde musste ich Karten besorgen." Ansonsten sagt der Mann mit den schmächtigen Schultern nicht allzu viel. Auf dem Rasen ist er in seinen Aktionen deutlich zielstrebiger als in seinen verbalen Ausführungen. Gerade die türkische Presse stürzt sich förmlich auf den Ausnahmekönner, bestand doch vor geraumer Zeit noch die große Hoffnung, Özil für die Auswahl mit dem Halbmond gewinnen zu können. Es gibt bei dem Linksfüßler ja eine ganze Menge zu bestaunen, das jeder Nationalelf der Welt gut zu Gesicht stände. Virtuos seine Ballbehandlung, vortrefflich sein Spielverständnis, geschmeidig seine Bewegungen, gekonnt seine Zweikampfführung.

Auch seinetwegen haben die Bremer in etlichen Partien ohne Diego ihr Spielsystem heimlich, still und leise modifiziert - gegen die ukrainische Überraschungsmannschaft wird wohl wieder eine Doppel-Sechs vor der Abwehr installiert, damit Özil seinen filigranen linken Fuß vorzugsweise über die linke Flanke ins Spiel bringt. Die Raute (und die Spielmacherposition) sind in diesem Fall abgeschafft, denn Özils Interpretation der Spielgestaltung ist eine andere als die von Diego.

"Diego ist der individuelle Typ, Mesut kommt mehr übers Mannschaftsspiel", erklärt Werders Wortführer Torsten Frings den Unterschied zwischen der Nummer 10 und der 11 bei Werder. "Mesut hat eine außergewöhnliche Entwicklung genommen", sagt Werders Vorstand Klaus Allofs, "wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir sagen, dass er auch eine feste Größe in der deutschen Nationalmannschaft wird." Trainer Thomas Schaaf erklärt: "Mesut spielt eine hervorragende Saison, aber er kann noch stärker werden. Wir müssen behutsam mit ihm umgehen."

Deshalb durfte sich Özil am Samstag beim peinlichen 1:3 gegen Karlsruhe fast eine Stunde lang auf der Bank schonen. 44 der bisherigen 52 Pflichtpartien hat er ja schließlich mitgemacht, dabei zwar nur 4 Tore erzielt, aber immerhin 23 vorbereitet. Ein famoser Wert, der sich für Özil (und seinen Berater Reza Fazeli) auszahlen wird.

Sein Arbeitgeber in Bremen würde seinen Vertrag, der noch bis zum Sommer 2011 läuft, lieber heute als morgen zu deutlich verbesserten Konditionen noch weiter verlängern, grundsätzliche Bereitschaft des Spielers und seines wegen des einst wirren Pokers auf Schalke nicht bestens beleumundeten Vermittlers besteht. Istanbul wird nicht die einzige internationale Bühne für Werders größten Hoffnungsträger sein: Nach dem DFB-Pokalfinale in Berlin gegen Bayer Leverkusen - dann wieder Seite an Seite mit Diego - soll er die deutsche U 21 bei der EM in Schweden zum Titel führen. Özil ist einer, der viel Zuspruch benötigt - beruflich wie privat. Für den zu sechst, mit Vater Mustafa, Mutter Gülizar und den Geschwistern Mutlu, Nese und Duygu in einer Mietwohnung in Gelsenkirchen-Buer groß gewordenen Spieler ist die familiäre Bindung mit das Wichtigste im Leben.

Vor allem mit Bruder Mutlu, der statt in der Bundesliga beim Gelsenkirchener Bezirksligisten Heßler 06 kickt, telefoniert und trifft er sich regelmäßig. Insofern ist es ein gutes Omen, dass solche Bezugspersonen mit auf der Tribüne des Sükrü-Saraçoglu-Stadions sitzen - genau wie 2006, als Mesut Özil mithalf, die A-Junioren des FC Schalke 04 zum deutschen Meister zu machen. Ob es drei Jahre später zur nächsten Trophäe langt, liegt wohl entscheidend an ihm.

KLAUS ALLOFS, WERDER-VORSTAND

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