Schulreform: Zöllners Klassenlotterie

Der Bildungssenator lüftet das Geheimnis um die Zugangsregelungen zur Oberschule: Es wird gelost! Nicht nur die Opposition ist wenig begeistert. Die SPD hat den Vorschlägen noch nicht zugestimmt.

So werden die Bewerbungsbögen für Schüler auch in Zukunft nicht aussehen Bild: AP

Nun ist die Katze aus dem Sack: Am Dienstagabend präsentierte Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD), wie in Zukunft der Übergang auf die Oberschulen geregelt sein soll. Die Neuregelung ist infolge der geplanten Schulstrukturreform nötig. Sie fasst alle Oberschultypen außer den Gymnasien zu der neuen Sekundarschule zusammen. Die Sekundarschule soll alle Abschlüsse inklusive Abitur anbieten.

Nach Zöllners Plänen ist auch künftig der Elternwille bei der Schulwahl maßgeblich. Eine "Beratung durch die Grundschule" soll bei der Willensbildung helfen. Verbindlich ist deren Ergebnis aber nicht: Nach wie vor können Eltern ihr Kind an der Schule ihrer Wahl anmelden. Sekundarschulen und Gymnasien müssen alle angemeldeten Kinder aufnehmen, sofern genug Plätze vorhanden sind.

Ist das nicht der Fall, greift eine Neuheit: 50 Prozent der Plätze soll die Schule nach einem selbst gestalteten Auswahlverfahren vergeben. Zöllners Bedingung: Es muss von der Schulaufsicht genehmigt und "gerichtsfest" sein. So soll vermieden werden, dass Eltern ihren Kindern Plätze an besonders begehrten Schulen vor Gericht erstreiten. Über die restlichen Plätze wird per Losverfahren entschieden. Gymnasien sollen weiterhin schlechte Neuanfänger wieder abschulen dürfen. Das Probehalbjahr wird dabei auf ein Jahr verlängert. Ihm sei "fast eine Quadratur des Kreises gelungen", sagt der Schulsenator.

Lob für sein Kunststück ist jedoch kaum zu hören. Vor allem die Idee des Losverfahrens habe ihn "kalt erwischt", sagt Klaus Brunswicker, Leiter der Sophie-Scholl-Oberschule in Schöneberg. Die Gesamtschule nimmt jährlich acht siebte Klassen auf - jede mit eigenem pädagogischem Profil, etwa einem musischen Schwerpunkt oder einem zweisprachigen Angebot. Das Prinzip ist erfolgreich: Dieses Jahr haben sich 580 Kinder auf 220 Plätze beworben. Die Auswahl wird bisher über Aufnahmegespräche und eine Quotierung der Oberschulempfehlungen getroffen. "Wenn wir künftig 50 Prozent der Plätze per Los vergeben, hat das Modell keine Chancen mehr", befürchtet Brunswicker. Möglich sei dann, Klassen mit und ohne besonderes Profil einzurichten - aber das sei Kindern nicht zuzumuten, so der Pädagoge: "Die einen wurden dann wegen ihrer Eignung, die anderen über die Verlosung aufgenommen: Das ist wie Schüler erster und zweiter Klasse."

Auch die Opposition hat Bedenken gegen Zöllners Vorschläge. Den bildungspolitischen Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, ärgert, dass den Gymnasien die Möglichkeit bleibt, schlechte SchülerInnen wieder abzugeben. Das widerspreche der erstrebten Gleichwertigkeit beider Schulformen und "verstärkt die soziale Entmischung", fürchtet er.

Auch Mieke Senftleben, Bildungspolitikerin der FDP-Fraktion, ist nur halb zufrieden: Gut sei, dass nicht mehr das Wohnortprinzip über die Vergabe von Schulplätzen entscheide - bisher gab bei mehr Bewerbern als Schulplätzen die Nähe von Wohnort und Schule den Ausschlag. Doch mit dem Lossystem kann sie sich nicht anfreunden: "Das hebelt den Elternwillen wieder aus." Die Liberale ärgert sich auch darüber, wie Zöllner seine Schulreform durchsetze: "Bislang haben wir nicht einmal im Plenum des Abgeordnetenhauses die Details diskutiert!"

Beim Koalitionspartner wundert man sich über Zöllners Strategie. Denn als der Schulsenator seine Pläne am Dienstagabend präsentierte, hatte zwar die Linksfraktion den Vorschlägen schon zugestimmt, bei seinen eigenen GenossInnen aber hatte Zöllner keine Einigung erzielt. Die SPD-Fraktion hatte das Papier ihres Bildungssenators am Nachmittag beraten - und vertagt. Nicht inhaltliche Bedenken seien der Grund, sagt Felicitas Tesch, bildungspolitische Sprecherin der SPD: "Einige GenossInnen haben sich mehr Zeit gewünscht, das Papier zu lesen." Sie sei sicher, dass bei der nächsten Fraktionssitzung in 14 Tagen eine Einigung zustande komme.

Steffen Zillich, bildungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, ist dennoch sauer: "Der Antrag ist Voraussetzung für die weitere Umsetzung der Schulreform. Wenn die SPD das nicht mehr vor der Sommerpause beschließt, droht der Beginn der Reform ins Wanken zu geraten." Das Zaudern der GenossInnen ärgert die Linken auch, weil sie dem Koalitionsfrieden zuliebe einige Kröten geschluckt haben - wie das Probejahr. Mit dem Losverfahren ist Zillich einverstanden: "Es öffnet den Zugang zu allen Schultypen und verhindert die Bildung von Eliteschulen."

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