Vorbereitung der Klimakonferenz: Alles köchelt auf Sparflamme

Die UN-Konferenz im Dezember in Kopenhagen wird die entscheidende. Vorbereitet wird sie jetzt in Bonn. Wie die Experten hinter den Kulissen ringen.

Müde Delegierte, lasche Demonstranten: die wenig glamourösen Bonner Verhandlungen. Bild: dpa

Der "Kopenhagener Klima-Vertrag": Ein Verhandlungsvorschlag, den die NGOs Greenpeace, WWF, Germanwatch, IndyAct, David Suzuki Foundation, National Ecological Centre of Ukraine und weitere Experten erarbeitet haben, um eine Erderwärmung von mehr als 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu verhindern. Dafür sollen die globalen Emissionen bis 2020 auf das Niveau von 1990 zurückgeführt werden. Die Industriestaaten müssten dazu den Ausstoß bis 2050 auf null reduzieren. Die Emissionen der Schwellenländer müssten 2020 ihren Höhepunkt erreichen und dann sinken.

Copenhagen Climate Facility (CCF): Die neue Institution soll Geld einsammeln und verteilen und die Einhaltung der Regeln überwachen. Gebraucht werden für den Umbau der Energiestruktur jährlich 160 Milliarden Dollar. Das Geld soll etwa aus der Versteigerung der Verschmutzungslizenzen kommen. BPO

Es ist halb fünf am Nachmittag, und nicht einmal Kaffee hält jetzt noch wach. Die Vertreter von 182 Staaten brüten im Konferenzraum des Maritim-Hotels in Bonn an langen Tischen über einem Papierstapel mit Namen FCCC/AWGLCA/2009/8. Mit monotoner Stimme ruft der Vorsitzende des Ausschusses die Wortmeldungen auf. Die Delegierten erledigen sie mit einer kaum verständlichen Mischung aus Rudimentärenglisch und Fachchinesisch. Manchmal ist die Rettung der Welt eine zähe Angelegenheit.

So funktioniert die Klimakonferenz in Bonn, die dritte in einer Reihe von fünf Verhandlungen, die die entscheidende UN-Klimakonferenz von Kopenhagen im Dezember vorbereiten. Eine Glamour-Veranstaltung ist das nicht, und der Ort des Geschehens verstärkt diesen Eindruck noch. Die 4.000 Teilnehmer sind nur zum Arbeiten an den Rhein gekommen. Vor der Tür des Tagungshotels demonstrieren ein paar Umweltgruppen mit halber Kraft gegen die Atomkraft, die Sicherheitschecks sind lasch, die Journalisten sind zu Hause geblieben und ein paar pflichtschuldig großformatige Fotos von den schmelzenden Gletschern im Himalaja sind an den Rand gerückt worden. Wer den Weg ins Maritim findet, dem muss man von Gletscherschmelze nichts erzählen.

Plötzlich wird es im Konferenzsaal lebendig. Nur mühsam diplomatisch beherrscht kommt es zum offenen Streit zwischen Indien und Japan. Die Japaner stellen die Berechnungsgrundlage des Kioto-Protokolls in Frage. Indien ist not amused. Es geht hin und her, und schließlich wird der Konflikt vertagt. Am Mittwoch legt Japan schließlich seine Reduktionsziele auf den Tisch: 15 Prozent, allerdings gegenüber 2005. Im Vergleich zu 1990 wäre das nur eine Minderung um acht Prozent.

Bei aller trägen Geschäftsmäßigkeit: Vor und hinter der Bühne wird gezogen und gezerrt, liegen Nerven blank. Dann entlädt sich ab und zu die Spannung. Denn alle wissen: Was im Dezember geschieht, braut sich hier zusammen, und sie alle versuchen, das Rezept zu bestimmen. Den Akteuren ist klar: Das Klimaabkommen von Kopenhagen, so eines zustande kommt, wird die globale Machtverteilung im 21. Jahrhundert bestimmen, es wird festlegen, welche Volkswirtschaften wie bisher wachsen dürfen und wer seine Lebensweise ganz neu erfinden muss. Der Vertrag wird klarstellen, wie viel Finanzen und Know-how die Industrieländer ihren wirtschaftlichen Konkurrenten in China, Indien und Brasilien abgeben müssen. Zu klären ist auch, welche zusätzlichen Lasten die armen Länder durch Katastrophen und Krankheiten tragen müssen. In einer aktuellen Studie warnen UN-Einrichtungen, Forscher und internationale Hilfsorganisationen vor einer rasant wachsenden Zahl von Klimaflüchtlingen. Bis zum Jahr 2050 könnten rund 200 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Kommt es zu keinem Abkommen in Kopenhagen, werden all diese Probleme nur noch drängender und teurer. An Kopenhagen wird die Welt, so oder so, noch lange knabbern.

"Hier sind die falschen Minister", sagt deshalb Saleemul Huq. Der Wissenschaftler aus Bangladesh in Diensten des Londoner International Institute for Environment and Development ist ein altgedienter Advokat für Klimaschutz und Entwicklung. Sein Credo lautet: "Money is the glue" - Geld hält alles zusammen. "Deshalb sollten hier eigentlich die Finanzminister verhandeln", sagt Huq. Die sitzen zwar am selben Tag in Luxemburg zusammen, einigen sich aber nur darauf, nach welchen Kriterien ihrer Meinung nach die finanziellen Lasten des weltweiten Klimawandels unter den Industriestaaten aufgeteilt werden sollten. Doch dass diese Kriterien - Wirtschaftskraft und Treibhausgas-Ausstoß - auch für eine EU-interne Lastenteilung gelten, darauf einigten sich die Minister noch nicht, kritisiert Klimaexperte Karsten Smid von Greenpeace. Auch konkrete Zahlen wurden nicht genannt.

Huq ist trotzdem optimistisch: Der Chefkoch USA steht wieder am Herd, die Stimmung sei gut, denn "alle wollen und brauchen einen Deal". Aber alles köchelt nur auf Sparflamme, empören sich die Delegierten und Beobachter aus China, Indien und Afrika.

Die Schwellenländer wollen Zusagen über die Finanzierung aus dem Norden, ehe sie selbst zum Klimaschutz handeln. Doch tatsächlich gehört in Bonn und noch bis Dezember das Belauern zur Verhandlungsstrategie: Wer jetzt alles auf den Tisch legt, hat nichts mehr zuzusetzen, wenn es ernst wird.

Die Aufgabe der Beamten in den Delegationen ist es bis dahin, die Papierberge mit kaum verständlicher Juristensprache so zu ordnen und einzukochen, dass sie am Ende ihren Ministern die paar wichtigen Entscheidungen mundgerecht servieren können. Bis dahin jagt ein Gerücht das nächste, alles ist Taktik: Warum ist Russland plötzlich so kooperativ? Kommt Obama nach Kopenhagen? Will Japan wirklich das Kioto-Protokoll abschaffen? Das Taktieren nennt die Hilfsorganisation Oxfam ein "zynisches Klimamikado", das nur Verlierer hervorbringe. Ein hochrangiger EU-Verhandler zuckt mit den Schultern: "Das gehört eben auch dazu."

Wer beim Klima Koch ist und wer Kellner, zeigen die Verhandlungen deutlich. Die Industriestaaten sind mit Delegationen vor Ort, die mehrere Dutzend Experten umfassen. Um die kleinen Delegationen zu schützen, dürfen nur zwei offizielle Veranstaltungen parallel laufen - für die informellen Runden, in denen hinter verschlossenen Türen die Deals entschieden werden, gibt es allerdings kein Beschränkung. Die Kleinen werden gnadenlos abgehängt. Das hängt auch daran, dass viele afrikanische Staaten zu jeder Konferenz einen anderen Beamten schicken, kritisiert etwa Andrew Adwera Ochieng aus Nairobi, der für die Hilfsorganisation Germanwatch Kontakt zu den Afrikanern hält. Er kennt die Klagen der kleinen Delegationen, denen es an Ausbildung und Netzwerken fehlt, und die in den entscheidenden Nachtstunden irgendwann schlafen gehen, während die großen Delegationen im Schichtdienst durchverhandeln. Das führt dazu, dass etwa Südafrika Wortführer für den afrikanischen Kontinent ist - ein Land, das nach Wirtschaftskraft und CO2-Ausstoß eher mit Europa als mit Schwarzafrika zu vergleichen ist.

Hochprofessionell arbeiten auch die Klima- und Umweltgruppen. Sie konzentrieren ihre Kraft nicht mehr nur auf das diskrete Lobbying in den Fluren: Eine große Öko-Koalition nimmt in Bonn zum ersten Mal die Verhandlungen selbst in die Hand und präsentiert den "Kopenhagener Klima-Vertrag" (siehe Kasten): Keine Schornsteinkletterei, keine Forderungen, keine Flugblätter, sondern ein durchgeplantes Konzept, wie ein radikales Umsteuern in der globalen Energie- und Entwicklungspolitik möglich ist; ein Papier, über das sich der UN-Klimasekretär Yvo de Boer hocherfreut zeigt. Und der Clou: Die NGOs, einst entstanden aus Graswurzelbewegungen und Bürgerinitaiven, liefern einen 78-seitigen "Legal Text" gleich mit - ihre Forderungen, gegossen in das Kauderwelsch der globalen Juristenkaste, nur dem Inhalt nach zu unterscheiden von den Papieren, die in den Ministerien erstellt werden. Die Delegierten werden höflich darum gebeten, den Text per "copy-paste"-Funktion in ihre Anträge zu übernehmen.

Kann man also die Nichtregierungsorganisationen nicht mehr von den Regierungsorganisationen unterscheiden und sollte man lieber mit dem Finanzminister über den Klimaschutz verhandeln? Madeleen Helmer schüttelt entschieden den Kopf. Die Chefin des Klimazentrums beim Internationalen Roten Kreuz sagt: "Mit Finanzministern am Tisch hätten wir Kioto nie bekommen, und in Kopenhagen werden sie ganz genau aufpassen, was ihre Kollegen verhandeln." Die NGOs und Umweltminister seien unverzichtbar, weil sie den Blick aufs Wesentliche bewahrt hätten. Für das Resultat von Kopenhagen ist Helmer, die immer wieder einen stärkeren Schutz der Ärmsten vor den Folgen des Klimawandels fordert, allerdings pessimistisch. "Es wird ein Kompromiss werden. Und es ist jetzt schon klar, dass es die Armen dieser Welt sein werden, die diese Suppe auslöffeln."

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