Fashion Week: Die Gang auf dem Laufsteg
Das Label Eastpak sucht den neuen Kick und wirbt mit Models aus Berliner Problemvierteln. Schon mal an ein Stylingprogramm für die Näherinnen in Asien gedacht?
Die Marketingleiterin des Taschenherstellers Eastpak lag das erste Mal seit langem krank auf ihrem Sofa und konnte plötzlich nicht mehr weiterzappen. Bei RTL2 lief Trash-TV, "Frauentausch", eine Folge, in der eine junge Fleischerei-Fachverkäuferin und ein Berliner Model ihren Alltag wechselten.
"Das arme Mädchen hat mich fasziniert", sagt Katja Eismann-Erler. "Die Reiche war total abgehoben, und die Arme hat am Ende gesagt: ,Ich finde es bei meiner Familie schöner, das ist mir wichtiger als Geld.' Sie hat Grundwerte wie Vertrauen, Liebe ausgestrahlt. Sie war authentisch."
Seit sie beim Fernsehen bei RTL2 hängen blieb, ist Katja Eismann-Erler auf der Suche nach Authentizität. Denn Eastpak verkauft Streetwear – Straßenkleidung – und muss sich vor seinen Käufern ständig provokant neu erfinden. Halbnackte Männer, Zombie-Models und Live-Rockmusik am Laufsteg sind schon durch. Etwas Neues musste her. Etwas, das ist, wie Eastpak sich selbst sieht: urban, von der Straße, echt.
Im Flugzeug nach London schiebt Katja Eismann-Erler ihrem Chef ein Entwurfspapier zu. Er überfliegt den Text. Inhalt: Jugendliche des Berliner Vereins Gangway für Straßensozialarbeit sollen für Eastpak bei der Fashion Week am 2. Juli 2009 über den Laufsteg gehen. "Okay", sagt er und nickt Katja Eismann-Erler zu. "Aber es darf nicht peinlich werden."
Dienstag, wenige Tage vor der Modemesse, in einem Hotel in Berlin-Mitte. Sieben Monate nach Beginn der Kooperation von Eastpak und Gangway im November 2008 wird das Projekt offiziell vorgestellt. Im Raum Donizetti stehen sechs Namenskärtchen auf einem langen Tisch. Auf dem zweiten von links steht: "Katja Eismann-Erler, Marketing Manager Eastpak". Auf dem zweiten von rechts steht: "Diana".
Eigentlich hat Diana auch einen Nachnamen, Volkmann, und in der weißen Lücke unter ihrem Namen könnte vieles stehen: Schülerin, Mutter, Fußballerin, Model. Die 19-Jährige macht gerade ihren Realschulabschluss nach, zieht eine bald zweijährige Tochter groß. Bei Gangway verbringt sie ihre Freizeit. Es gibt nur eine Bezeichnung, die Diana Volkmann wirklich aufregt – "Straßenkind".
"Wir sind Jugendliche, die nicht in Clubs gehen, sondern sich auf einer Inlineskater-Bahn treffen, aber deshalb sind wir noch keine Straßenkinder", sagt sie und wirft ihre langen Haare zurück, die seit dem Stylingwochenende kupferrot sind. In der ersten Modenschau des Eastpak-Projektes im Januar lief Diana Volkmann neben Casting-Model Lena Gercke, danach sah sie im Fernsehen: "Topmodel läuft mit Straßenkindern."
Ein Unternehmen als Sozialarbeiter – funktioniert das wirklich? Und was sagen die Kritiker dazu? Lesen Sie weiter in der sonntaz vom 28. Juni.
Leser*innenkommentare
Personal Haini
Gast
Ob peinliche "Street Kidz" Kampagne oder ein voller Erfolg bei den Verkaufszahlen (wird man ja noch sehen)-
alles noch besser als mit den üblichen C-, B- und "A" Promi Fratzen zu werben!
manu
Gast
Auch wenn ich denke, dass es einiges zu dem Artikel zu schreiben geben würde,
- da hätte ruhig mehr Kritik reindürfen ... . Wenngleich ich es positiv finde, dass dieser Artikel überhaupt existiert ... -
hätte ich mal ne allgemeinere Frage.
Ist das jetzt grade bei der taz üblich im Titel (hier: "Schon mal an ein Stylingprogramm für die Näherinnen in Asien gedacht?") ein anderes Thema vorzugeben, als dann im Artikel selbst behandelt wird? (Ich hatte das eher als eine Anspielung auf Sozialstandards bei der Herstellung verstanden.)
Oder bin ich die Einzige, die immer wieder über solche Beispiele stolpert?
hubert
Gast
jemanden aus einer sendung wie frauentausch authentisch nennen....