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Aus Le Monde diplomatiqueRente muss sich wieder lohnen

Die private Altersversorgung Riester-Rente, ein Produkt aus der Ära Schröder, galt seinerzeit als sichere Bank. Von wegen. Ein Lehrstück zum Thema Staat und Gemeinwohl.

Ersparnisse stehen im Überfluss zur Verfügung Bild: ap

Die Finanzkrise wird ständig teurer. Inzwischen gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass der Crash weltweit deutlich mehr als 10 Billionen Dollar kosten wird. Zu den größten Verlierern gehören die privaten Rentenversicherungen. Die OECD hat ausgerechnet, dass die Pensionsfonds im vorigen Jahr rund 23 Prozent ihres Werts eingebüßt haben. Das sind umgerechnet 5,4 Billionen Dollar.

Besonders stark wurden jene Länder getroffen, die ihr Rentensystem schon sehr weitgehend auf die private Vorsorge umgestellt haben - also Großbritannien, die Niederlande, Kanada und Australien. Es ist völlig unklar, wie die dortigen Pensionsfonds jemals ihr Versprechen einhalten wollen, in Zukunft auskömmliche Renten an jene zu zahlen, die sich auf die private Rente verlassen mussten.

Aber der Wahn der privaten Altersvorsorge grassierte ja nicht nur in den angelsächsischen Ländern. Auch in Deutschland waren alle etablierten Parteien - von den Grünen bis zur Union - überzeugt, dass die Riester-Rente eine grandiose Idee sei. Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass die Finanzkrise zu einem Umdenken führt. Doch im Wahlkampf wurde eisern geschwiegen. Das weltweite Fiasko der privaten Altersvorsorge war kein Thema. Stattdessen investiert der deutsche Staat weiterhin Milliarden, um die Riester-Rente zu subventionieren.

Dabei ist die Bevölkerung schon weiter. Seit dem Crash sind viele Bürger intuitiv überzeugt, dass es eine Renaissance des Staates geben müsse. In einer neueren Forsa-Umfragen sagten 54 Prozent der Deutschen, dass der Staat wieder mehr Einfluss auf die Wirtschaft nehmen solle, und gar 90 Prozent wünschen sich, "dass der Staat strengere Regeln aufstellen und deren Einhaltung kontrollieren (...) sollte".

Die Bürger täuschen sich nicht. Die Finanzkrise hat erneut gezeigt, wie sicher die staatliche Rente ist. Sie blieb vom Crash verschont, weil sie auf einem ganz anderen Prinzip basiert: der Umlagefinanzierung. Die heutigen Arbeitnehmer zahlen für die heutigen Rentner. So einfach ist das. Angespartes Kapital entsteht dabei gar nicht erst, das in einer Finanzkrise vernichtet werden könnte.

Dieser Artikel ist aus der aktuellen Ausgabe von Le Monde diplomatique Bild: lmd

Wohin mit dem vielen Geld?

Auch den Versicherungskonzernen ist natürlich deutlich, dass sie ihre Kunden beruhigen müssen, wenn die private Altersvorsorge noch eine Zukunft haben soll. In immer neuen Interviews versichern die Konzernchefs daher, sie würden kaum noch Geld an den Börsen investieren. Tatsächlich dürfte der Aktienanteil in den Portfolios derzeit nur noch bei rund 7 Prozent liegen. Doch wirft diese sehr sicherheitsorientierte Strategie eine interessante Frage auf: Wenn die Versicherungskonzerne die Börsen scheuen - wo investieren sie dann?

Leicht ist es schließlich nicht, das viele Geld unterzubringen. Monatlich werden die Versicherungskonzerne mit Milliarden an Prämien überschwemmt. Wie immens die Herausforderung für die Versicherungskonzerne ist, diese Gelder sicher zu investieren, machen ein paar Zahlen deutlich: 95 Millionen Lebensversicherungen und Riester-Verträge haben sich die Deutschen inzwischen zugelegt - und dafür zahlen sie jährlich fast 80 Milliarden Euro an Prämien.

Alle diese "Kunden" werden von den Versicherungskonzernen mit dem Versprechen gelockt, dass ordentliche Renditen winkten, die die staatliche Rente bei weitem übersteigen würden. Doch wie sollen die Versicherungen diese Gewinne erwirtschaften, wenn sie gleichzeitig die Börsen meiden wollen?

Der Trick ist ganz einfach: Die Finanzkonzerne investieren direkt oder indirekt beim Staat - was allerdings kunstvoll verbrämt wird. So stellt die Allianz die Anlagepolitik für ihre Versicherungsprämien offiziell wie folgt dar: 15 bis 20 Prozent der Kundengelder steckten in Unternehmensanleihen, rund 50 Prozent seien in deutschen Pfandbriefen und deutschen Staatsanleihen untergebracht. Nur 5 Prozent wurden in Immobilien investiert. Zum Rest gab es keine Angaben.

Dieses Portfolio soll breit gefächert wirken, doch faktisch steckt fast immer der Staat dahinter. Bei den Staatsanleihen ist das offensichtlich. Aber auch hinter dem Stichwort "Pfandbrief" verbergen sich vor allem Papiere, die vom Staat herausgegeben werden, um seine Schulden zu finanzieren. Selbst Unternehmensanleihen sind längst nicht so staatsfern, wie sie klingen. Denn die Allianz kauft besonders gern die Anleihen von "Versorgern" - etwa großen Stromkonzernen, die vom Staat ein Quasimonopol geschenkt bekommen haben und daher jetzt Milliardenprofite scheffeln.

Beliebt sind bei der Allianz neuerdings auch wieder Bankanleihen, weil "weltweit keine große Bank mehr in die Pleite gehen wird". Das stimmt. Doch diese Gewissheit ist erneut nur dem Staat zu verdanken - diesmal seinen Rettungspaketen, für die er weitere Staatsanleihen aufnehmen muss, die die Allianz dann kaufen kann. Wie Parasiten leben die Versicherungen vom Staat - und behaupten doch gleichzeitig, die private Altersvorsorge wäre so besonders sicher, weil sie vom Staat unabhängig sei.

Tatsächlich entsteht jedoch nur ein sinnloser Kreisverkehr, der vereinfacht so aussieht: Erst zahlen die Steuerzahler Schuldzinsen für die Staatsanleihen, die dann als Guthabenzinsen wieder auf ihren Riester-Verträgen landen. Gewirtschaftet wird also von einer Tasche des Steuerzahlers in die andere - und die einzigen Profiteure sind die Versicherungskonzerne, die sich ihre überflüssige Dienstleistung mit teuren Provisionen vergüten lassen.

Die Riester-Rente ist ein interessantes Lehrstück, wie mit geschickter Wortwahl Politik gemacht wird. Die "demografische Katastrophe" war die zentrale Metapher, mit der sich die Riester-Lobby durchgesetzt hat. Gezielt wurde die Hysterie geschürt, dass gesamtgesellschaftliche Solidarität nicht mehr finanzierbar sei, weil die Deutschen keine Kinder mehr bekämen und nun jeder für sich selbst sorgen müsse. Doch jetzt zeigt sich, dass der Demografie auch so nicht zu entkommen ist. Letztlich muss immer der Steuer- und Beitragszahler ran. Im Übrigen ist die Demografie als "Katastrophe" ein Hirngespinst.

In allen Prognosen ist unbestritten, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 weiter wächst. Die Bundesrepublik wird also noch reicher. Es ist zwar richtig, dass die Zahl der Jugendlichen und der Arbeitnehmer sinken wird - doch hat dies vor allem zur Folge, dass statt der jetzigen Arbeitslosigkeit dann Vollbeschäftigung herrscht.

Zudem wird auch die Produktivität weiter steigen - mit weniger Beschäftigten werden sich noch mehr Güter produzieren lassen. Rentenkürzungen sind daher nicht nötig, wenn man den wachsenden Wohlstand nur richtig verteilt. Die ideale Lösung wäre eine Bürgerversicherung, die alle Einwohner absichert und auch aus Steuermitteln finanziert wird. Eine Riester-Rente, die nur Provisionen kostet, braucht man jedenfalls nicht.

Wie man zu Lasten des Staates Profite erwirtschaftet - dieser Mechanismus zeigt sich derzeit auch bei den Banken. So prahlt die Deutsche Bank damit, dass sie mitten in der Finanzkrise schon wieder Gewinn mache. Doch wie ist die Milliardenrendite entstanden? Wer den Geschäftsbericht fürs erste Quartal liest, stellt fest: Ganz wesentlich wurden die Profite durch den Handel mit jenen Staatsanleihen generiert, die die Regierungen emittieren müssen, um die Rettung der Banken und die Konjunkturpakete zu stemmen. Was für ein profitabler Teufelskreis: Erst reißen die Kreditinstitute die Weltwirtschaft in den Abgrund - und dann kassieren sie bei der Finanzierung der Aufräumarbeiten.

In der Finanzkrise ist besonders sichtbar, wie sich Banken und Versicherungen parasitär beim Staat bedienen. Aber gilt das auch für normale Zeiten? Diese Frage stellt sich deshalb nicht, weil es keine "normalen Zeiten" mehr gibt, die von längerer Dauer wären - auf jeden Aufschwung muss alsbald ein Crash folgen.

Denn weltweit ist eine Geldschwemme festzustellen. Ersparnisse stehen im Überfluss zur Verfügung, und sie wachsen exponentiell. Laut OECD verwalteten Banken, Pensionskassen und Versicherungen 1980 etwa 5 Billionen Dollar. Im Jahr 2005 waren es schon 55 Billionen. Die weltweite Wirtschaftsleistung hingegen ist weit weniger stark gewachsen.

Diese Diskrepanz muss zu Spekulationsblasen führen, weil gar nicht ausreichend sinnvolle Investitionsmöglichkeiten für all das Geld vorhanden sind. Es ist das schlichte Gesetz von Angebot und Nachfrage: Je mehr Kapital zur Verfügung steht, desto geringer fallen die regulären Renditen aus, die die Unternehmen den Anlegern bieten müssen. Also neigen viele Investoren dazu, Wagnisse einzugehen, damit der Ertrag nicht ins Bodenlose fällt.

Gebraucht wird nur eine "Story", die aus riskanten Geschäften scheinbar sichere Anlagen macht. In der Dotcom-Krise 2001 hatten alle an den endlosen Boom des Internets geglaubt. In der jetzigen Finanzkrise fiel man auf mathematische Modelle herein, die angeblich ergaben, dass es weitgehend risikofrei sei, Ramschhypotheken aus den USA zu immer neuen Wertpapieren zu bündeln. Weltweit griffen Banken und Fonds begeistert zu - und müssen nun Billionen abschreiben.

Man darf bei alldem nicht vergessen, was eine der Ursachen für diese Geldschwemme ist: nämlich dass die Menschen weltweit gezwungen werden, für ihr Alter zu sparen. Schon deswegen ist eine staatliche Rentenversicherung weniger riskant. Gefährliche Kapitalüberhänge entstehen hier gar nicht erst, weil nichts zurückgelegt wird. Stattdessen setzt die Umlagefinanzierung auf die Solidarität der Generationen, die sich gemeinsam das vorhandene Volkseinkommen teilen.

Das Volkseinkommen wiederum wächst am schnellsten, wenn nicht allzu viel gespart wird. Denn wer spart, konsumiert nicht. Der Konsum von heute ist aber das Wirtschaftswachstum von morgen, weil ohne Nachfrage nicht investiert wird und ohne Investitionen der Wirtschaftskreislauf stockt.

Es ist also genau umgekehrt, wie von den Neoliberalen behauptet: Gerade die staatliche Rente ist eine Voraussetzung dafür, dass die private Wirtschaft möglichst krisenfrei gedeiht. Wer hingegen auf private Vorsorge und damit zwangsläufig aufs Sparen setzt, reduziert den Konsum und damit das Wachstum. Das Kapital vermehrt sich permanent in den Pensionsfonds, aber die Wirtschaft wächst nicht mit.

Es kommt zu jener Diskrepanz zwischen dem realen Wachstum und den explodierenden Finanzvermögen, wie sie seit dem Beginn der 80er-Jahre zu beobachten ist. Damals setzte sich der Neoliberalismus durch, und seither kam es zu einer Serie von Finanzkrisen - von der Schuldenkrise der Entwicklungsländer über die Asien- und die Russlandkrise bis zur Dotcom-Krise und zum aktuellen Crash.

Soll es nicht zu einer neuen Finanzkrise kommen, genügt es also nicht, allein bei der Regulierung anzusetzen - und etwa zu verbieten, dass die Banken Schattenbilanzen führen oder Risiken einfach als verbrieftes Wertpapier weiterreichen. Es ist darüber hinaus zu überlegen, wie sich die Geldschwemme wieder eindämmen lässt.

Dazu gehört auch die Frage, wie man die Banken "schrumpfen" kann. Diverse Regierungen mussten inzwischen feststellen, dass die meisten Banken längst "too big to fail" sind - zu groß, um pleitezugehen, ohne das gesamte Finanzsystem in den Abgrund zu ziehen. Noch schlimmer: Manche Banken sind so gigantisch, dass sie kaum noch zu retten sind, ohne den Staatsbankrott zu riskieren, weil ihre Bilanzen längst das Bruttosozialprodukt des Landes übersteigen, in dem sie beheimatet sind. Island ist dafür der klassische Fall. Doch ähnliche Probleme könnten auch noch auf Irland, die Schweiz oder die Niederlande zukommen.

Der Kolumnist der New York Times, Paul Krugman, dem zu Beginn der Krise 2008 der Wirtschaftsnobelpreises verliehen wurde, hat die Herausforderung einmal auf den schlichten Satz gebracht: "Das Bankgeschäft muss wieder langweilig werden." Wer Crashs vermeiden will, muss dafür sorgen, dass die meisten Banken wie Sparkassen funktionieren. Sie versorgen die Firmen und Konsumenten mit Kredit - und fertig. Die permanente Spekulation auf den internationalen Finanzmärkten entfällt. Gigantische Investitionsbanken werden nicht wirklich gebraucht; der ganze Sektor muss deutlich kleiner werden.

Damit würde jedoch ausgerechnet jene Branche getroffen, die bisher die scheinbar höchsten Renditen erzielte und die Privatanleger glauben machte, sie seien mit privater Vorsorge besser gerüstet als mit der schnöden staatlichen Sozialversicherung. Würden die Banken jedoch auf ein handlicheres Format eingekocht, würde auch die Illusion verdampfen, dass es irgendeine Verwendung für das viele Geld gäbe, das weltweit fürs Alter gespart wird. Es würde überdeutlich, dass es keine Alternative zum Staat gibt. Und das ist ja nicht schlimm: Die staatliche Rente ist sicherer als jede private Lösung - und außerdem noch billiger.

© Le Monde diplomatique, Berlin

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17 Kommentare

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  • LD
    Lehrstück des Lobbyings der Finanzbranche

    Jüngst ist ein Buch zum Thema "Lobbyismus und Rentenreform" erschienen. Es sei allen nahe gelegt, die sich für das Lobbying der Finanzbranche gerade im Hinblick auf die Rentenpolitik der rot-grünen Bundesregierung interessieren. Volles Programm: Spenden, personelle Verflechtung, Wissenschaftslobbying...

    Wen wundert da noch die Ausrichtung der ach so gemeinwohlorientierten Sozialpolitik.

  • W
    willi

    Guter Artikel, den ich fast gelesen hätte, weil mich eine Musicalwerbung (Michael Jackson) penetrant anplärrte.

    Liebe taz, Werbung, die Krach macht, nervt und sollte verboten werde. Es reicht völlig aus, mit irgendwelchen vor sich hin blinkenden Werbe-Flashgedöns die Augen eurer Leser zu beleidigen. Solange jemand den Mist bezahlt ist das ja auch in Ordnung. Aber bitte nicht auch noch die Ohren mit Werbung penetrieren, denn bislang war das schöne am Lesen unter anderem, dass es mit keinem Geräusch verbunden ist. Wäre schade, wenn das bei der Taz nicht mehr gilt.

  • I
    iquique

    @drusus

     

    Drusus schreibt

    ""Nachtrag:

    "In allen Prognosen ist unbestritten, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 weiter wächst. Die Bundesrepublik wird also noch reicher."

    Solche Prognosen sind genauso unseriös wie die Berechnungen der Versicherungspaten. Könnte die taz zum Thema noch einen unideologischen Artikel nachlegen.""

     

    Die Prognose, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 weiter waechst ist nicht unserioes und der Originalartikel auch keinesfalls 'ideologisch'. Die Annahme weitere Wirtschaftswachstums ist zunaechst eine Standardannahme der konventionellen Volkswirtschaftslehre, warum soll sie ausgerechnet und gerade nur in der Rentendebatte nicht gelten. Nur weil man dort den Teufel an die Wand malen will, weil man nur so eine fehlgeleitete Systemdebatte lostreten kann?

     

    Dieses ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Die Annahme, dass die deutesche Volkswirtschaft bis 2050 weiter waechst kann natuerlich falsch sein, dieses ist aber fuer die mutwillig inszenierte Systemdebatte in der Rentenversicherung gaenzlich unerheblich. Nehmen wir das Gegenteil an, die deutsche Volkswirtschaft wird nicht wachsen, sondern schrumpft bis 2050. Dann ist es natuerlich schwierig, das bisherige Reentenniveau zu erhalten. (was praktisch tautologisch ist, da selbstverstaendlich in einer Gesellschaft, in der das BSP (und auch das BSP pro Kopf) sinkt der Lebensstandard (konventionell definiert)nicht gehalten werden kann, sowohl fuer Beschaeftigte als auch fuer Rentner.) Ein Wechsel zu einem Anspar-Rentensystem, wie es neo-liberal propagiert wird, kann, und das ist das Entscheidende, diesem Zusammenhang nicht entkommen.

    Wenn das BSP pro Kopf sinkt kann der einzelne Mensch sich aus sinkenden Einkommen nicht eine stabil gleichbleibende Rente ansparen, abgesehen von zusaetzlich sinkenden Ertraegen auf die schon gesparten Betraege, die in einer schrumpfenden Volkswirtschaft nich die gleich hohe Verzinsung erbringen wie frueher, weil die Anlagemoeglichkeiten wegbrechen.

    Kein Rentenversicherungssystem is unabhaengig von der Grundlage des Wohlstandes (BSP pro Kopf) der Kommentar von 'drusus' ueber die angeblich unserioese Annahmen ist fuer die Debatte gaenzlich irrelevant.

    Nebenbei ist es unredlich der Autorin 'Ideologie' zu unterstellen, die Ideologie geht von den neo-loberalen Kraeften aus, die das Umlagesystem mutwillig zerstoeren wollen, weil es als Solidaritaetssystem nicht in den buergerlichen Egoismus passt.

     

    'drusus' schreibt weiter: "Das Umlagenfinanzierte System hat sicher seine Vorteile - aber wie kommt es, dass bereits jetzt dafür der Bundeshaushalt mit fast 80Mrd Euro im Jahr belastet wird?"

     

    Auch diese Frage fuehrt zu nichts, alles Notwendig hierzu ist schon im Originalartikel enthalten, ist aber nicht verstanden worden.

    'Nirvan' hat schon einen sehr richtigen und wichtigen Kommentar geschrieben, zusaetzlich hier nur soviel:

    Wenn die Anzahl der Rentner demographisch bedingt steigt und der der Beschaeftigten relativ an der Gesellschaft abnimmt, dann muessen in einem Umlagesystem die Beitraege zur Rentenversicherung tendenziell steigen. Das koennen sie prinzipiell aber auch, denn die Produktivitaet steigt, weil prozentual weniger Beschaeftigte ein weiterhin hohes (vielleicht sogar steigendes BSP erwirtschaften). Das BSP pro Kopf steigt an, aus dem die hoeheren Beitraege gezahlt werden.

    Zettelt man nun eine Debatte an, die die Menschen gegen dieses weiterhin solidarisch finanzierte System aufbringt, verschweigt den Menschen aber gleichzeitig, dass das alternative Ansparsystem noch teurer ist und weder von der demographischen noch der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden kann, dann beluegt man die Oeffentlichkeit. Dieses ist die Ideologisierung. Die Fakten sprechen nach wie vor eindeutig fuer das Umlageverfahren, dieses Ergebnis sollte durch Misverstaendnisse, die fehlgeleitete Kommentare und irrelevante Fragen aufwerfen nicht verwaessert werden.

  • N
    Nirvana

    14.09.2009 17:44 Uhr:

    Von drusus:

    . . mit fast 80Mrd Euro im Jahr belastet wird? . . .

    Dieser Bundeszuschuss gleicht bei weitem noch nicht einmal das aus, was an versicherungsfremden Leistungen vorher aus der Rentenversicherung herausgenommen wurde!

    Seit 1957 sind es etwa 700 Milliarden für versicherungsfremde Leistungen, die aus der Rentenkasse gerausgeplündert wurden um den Staatshaushalt zu entlasten. Für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die damit nur die Beitragszahler der Umlagefinanzierten Rente finanziert haben. Kein Politiker, kein Richter oder Selbstständiger hat sich an diesen berechtigten Aufgaben beteiligt! Dafür mußten nur die gesetzlich Versicherten bluten!

    Der Bundeszuschuss ist also nur eine Rückzahlung, und das noch nichteinmal im vollem Umfang!

    Siehe DRV.

     

    Zahlen und Fakten, Nachweise und Quellen kann sich jeder auf der Seite der Aktion Demokratische Gemeinschaft aus Münschen holen, auf den Seiten rentenreform-alternative, bohrwurm.net um nur einige zu nennen.

    Diese Fakten allerdings möchten die Politiker gern vertuschen. Der Rentenversicherung könnte nämlich in einem sehr komfortablen Zustand sein und locker auch mit demografischen Entwicklungen fertig werden. Nur leider hat diese Kasse immer Begehrlichkeiten derer geweckt, die es verstanden, diese den Versicherten gehörenden Gelder für ihre Zwecke mißbrauchen zu können.

    Und das hat das Verfassunsggericht auch noch befürwortet.

    Solange das BVerfG für Recht erklärt, dass für Arbeitnehmer und Rentner nicht die gleichen Rechte gelten wie für Politiker und privat- oder kammerversicherte Selbständige, sowie Beamte und Richter, und das mit Unterschieden begründet, die auf willkürliche Festlegungen des Ständestaats des 19. Jahrhunderts zurückgehen, sind wir noch weit davon entfernt ein demokratischer Rechtsstaat zu sein. Solange gibt es für Demokraten noch viel zu tun.

  • T
    Tim

    sehr guter Artikel von Frau Herrmann

    zur Ergänzung und Vertiefung seien die NachDenkSeiten empfohlen!

  • D
    drusus

    Nachtrag:

    "In allen Prognosen ist unbestritten, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 weiter wächst. Die Bundesrepublik wird also noch reicher."

     

    Solche Prognosen sind genauso unseriös wie die Berechnungen der Versicherungspaten. Könnte die taz zum Thema noch einen unideologischen Artikel nachlegen (die LMD scheint dazu nicht in der Lage zu sein).

  • D
    drusus

    Das Umlagenfinanzierte System hat sicher seine Vorteile - aber wie kommt es, dass bereits jetzt dafür der Bundeshaushalt mit fast 80Mrd Euro im Jahr belastet wird?

    Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Wie sicher die Rente in Zukunft ist kann man sowenig vorhersagen wie die Entwicklung des Kapitalmarkts. Auf beide Pferde zu setzen ist sicher nicht die schlechteste Lösung - die Rieserrente ist aber nur (wie Rürup) ein gigantisches Subventionsprogramm für die Versicherer und verdient den Namen "Rente" sicher nicht.

    Mein Tipp für die Altersvorsorge:

    - eigener Wohnraum

    - Solaranlage

    - Kleines Waldstück und grosser Garten

    - Freunde

  • DB
    Dieter Büsching

    Auch hätte die damalige Regierung sehr wohl wissen können - gar wissen müssen!, auf was sie sich einlässt: die in Chile eingeführte Kapital gedeckte Rente hatte dort bereits zu Altersarmut und erheblichen Zuschussbedarf des Staates geführt; mehr noch: sie wurde von chilenischer Seite ausdrücklich gewarnt! - Da sorgten dann ideologische Scheuklappen dafür, nicht sehen zu müssen, was man nicht sehen will.

  • B
    Böhme

    Sehr guter Artikel! Gott sei dank, dass jemand Mal den Schwachsinn der Riester- und der Privatrenten insgesamt darstellt. Besonderer Schwachsinn, zweigleisig zu fahren: Staatsrente plus Privatrente. Jeder, der nur die Grundrechenarten beherrscht, muss wissen, dass dabei immer nur weniger für den Rentner rauskommen kann!

  • A
    APO2.0

    Sehr gut auf den Punkt gebracht, deshalb habe ich meinen Riester beitragsfrei gestellt.

    Leider ist diese Meinung in der BRD (BANKRepublik Deutschland) nicht mehrheitsfähig.

    Dafür sorgt schon Mutti, wenn sie für Nicht(A)Soziale wie Ackermann den 60ten ausrichtet.

  • W
    Webred

    Das Beste, was ich zu diesem Thema bisher lesen konnte. Ein großes Lob an ULRIKE HERRMANN

  • A
    anke

    Geldschwemme? Welche Geldschwemme?

     

    Während Banken, Pensionskassen und Versicherungen im Jahre 2005 das Zehnfache dessen verwaltet haben, was ihnen wohlhabende, besorgte Menschen noch 1980 zum Zwecke der Hege und Mehrung ihrer Sicherheit überlassen hatten, sind die Nettolöhne der Arbeitenden laut einer Bundesbank-Statistik (Quelle: Internet) im selben Zeitraum um etwa ein Fünftel gefallen. Im Durchschnitt, versteht sich. Und das bei teilweise beträchtlichen Basiskosten-Zuwächsen. Irgendwo, schließlich, muss das viele überflüssige Geld ja herkommen.

     

    Dass die sogenannten Spekulationsblasen quasi naturgesetzmäßig entstehen, weil es "gar nicht ausreichend sinnvolle Investitionsmöglichkeiten für all das Geld" gibt, wie Ulrike Herrmann kühn behauptet, ist nichts als ein gemeines Gerücht. Möglichkeiten, sein Geld auszugeben, gäbe es viele. Für jeden Geschmack gleich mehrere. So man sich denn seinen eigenen geschmack leisten würde. Was man leider nicht tut. Statt dessen ist es so, dass diejenigen, die über die großen Geldbeträge verfügen, wieder und wieder Entscheidungen treffen, die bestenfalls der Stabilisierung und dem Ausbau bereits bestehender Strukturen dienen. Warum sie das tun? Keine Ahnung. Ich fürchte, es hat psychologische Gründe.

     

    Wer "von der Hand in den Mund" lebt, der gilt als Versager. Wer hingegen "sinnvoll investiert", der darf sich des anhaltenden "Respekts" der "guten Gesellschaft" sicher sein. Und so packen sie eben alles, was sie kriegen können, auf jenen großen Haufen, auf den zuletzt der Teufel – ach, lassen wir das. Die Umlage hat jedenfalls einen ganz schlechten Ruf. Wegen der geringen gefühlten Sicherheit, schätze ich, die mit der Überlassung eigenen Geldes an unbekannte Dritte verbunden ist. Niemand, so jedenfalls will es die Legende, kann mit dem Geld besser umgehen, als der, der es unter Mühen zusammengerafft hat.

     

    Der gesellschaftsfähige Bundesbürger investiert allenfalls noch in die eigenen Kinder (schon zu diesem Zweck muss man welche haben, schätze ich). Davor, dass der Staat auf die Idee kommen könnte, der klapprigen alten Nachbarin von gegenüber, dem sabbernden Idioten aus dem Erdgeschoss oder gar dem fetthaarigen, kinderreichen Flittchen aus der Bahnhofstraße das sauer erschleimte Bürger-Geld in ihre gierigen Mäuler zu stopfen, bewahre uns der Himmel! Die klapprigen alten Nachbarin, der sabbernde Idiot und das kinderreichen Flittchen nämlich haben schon länger keinerlei Marktwert mehr gehabt. Und ihre Aussicht darauf, jemals wieder einen zu bekommen, sind ungefähr so groß wie die Aussichten afghanischer Frauen durch die Sehschlitze ihrer Burkas.

     

    Das gute Geld zum Fenster hinaus zu werfen, war jedenfalls noch nie keine Kunst, derer sich der wohlerzogene Bundes-Bürger rühmt. Maximal gibt er noch was für den guten Zweck. Brotlose abstrakte Kunst ist in dem Zusammenhang sehr beliebt, hört man, vermutlich deswegen, weil der unverstandene Künstler und der unverstandene Geldgeber sich aus Anlass des gemeinsam ermöglichten Werkes als das verstehen dürfen, was sie insgeheim schon immer gern gewesen wären: der gemeinen Restgesellschaft himmelhoch überlegene und meilenweit entrückte Genies. Ich schätze, ähnlich verhält es sich auch mit den abstrakten Geldanlagen.

     

    Die staatliche Rente mag ja sicherer und humaner als jede private Lösung sein. Meinetwegen auch billiger. Als wirklich prestigeträchtig aber gilt sie nicht - dem Sozialismus sei Dank. Und das IST schlimm.

  • M
    Maxhamburg

    @kritischestimme:

    Für die langfristige Sicherung der Umlagefinanzierung bedarf es lediglicher einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistung bzw. der Produktivität in Höhe der demographischen Effekte um den Status quo zu erhalten. Bei einer durchschnittlichen Produktivitätssteigerung von 2% p.a. ist dafür ausreichend langfristiger Spielraum.

    Da bleibt sogar noch was für Verteilungskämpfe über.

  • I
    iquique

    @Kritische Stimme

     

    Es ist bedauernswert feststellen zu muessen, dass einige Kommentatoren selbst nach dem lesen eines exzellenten Artikels noch immer in die gleiche neo-liberale Propaganda verfallen.

     

    "Die staatliche Rente durch Umlagefinanzierung kann aufgrund des demographischen Wandels langfristig nicht funktionieren." wird hier unkritisch behaupted, obwohl der als "einseitig" bezeichnete Artikel alles noetige enthaelt, was diese falsche Behauptung widerlegt.

     

    Nochmal: Die Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren verteilt letztenendes nur das Bruttosozialprodukt (genauer Volkseinkommen) indem die Beitragszahler Beitraege entrichten die sofort (bis auf eine Monatsreserve) an die Rentenempfaender gezahlt werden. Somit haengt dieses Verfahren ausschliesslich von der Wirtschaftsleistung eines Landes ab (genauer von der Wirtschaftsleistung pro Kopf, um Gesamtbevoelkerungsentwicklung zu beruecksichtigen) Die demographische Entwicklung aendert an diesem BSP pro Kopf ueberhaupt gar nichts. Es wird in Zukunft mehr Rentner und weniger Beitragszahler geben, aber wenn das BSP pro Kopf nicht sinkt ist der Wohlstand vorhanden, der nur verteilt werden muss. Das BSP pro Beschaeftigtem wird naemlich stark ansteigen, weil deren Anteil an der Gesellschaft relativ geringer wird, das BSP aber hoechstwahrscheinlich weiter steigen wird. Es koennen also hoehere Beitraege gezahlt werden, was bei dieser volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung erkannt wird, bei der neo-liberalen Verkuerzung auf egoistisches 'Wer muss wieviel zahlen' aber leicht uebersehen wird.

    Ergebnis: Das Umlageverfahren wird nicht durch die demographische Entwicklung unmoeglich, es ist neutral in Bezug auf diese Entwicklung, weil es nur vom BSP pro Kopf abhaengt, welches nicht durch die demographische Entwicklung sinkt.

     

    Diese staendig wiederholte, obengenannte These ueber die Notwendigkeit zum Systemwechsel ist ein klassisches Beispiel wie die neo-liberale Ideologie ihre wahren Ziele zu verschleiern versucht. In Wirklichkeit geht es darum ein auf Solidaritaet basierendes Sozialsystem mutwillig zu zerstoeren, um es durch marktliberalen Egoismus zu ersetzen, weil sich sonst die buergerliche Druckgesellschaft moeglicherweise evolutionaer weiterentwickelt.

    Ich empfehle diese Manipulationen nicht durch andauerndes Wiederholen derselben zu foerdern.

     

    Wenn schon eine Debatte sinnvoll ist sollte diese sich auf die Veraenderung der Finanzierung des Umlagesystems konzentrieren, hin zu einer produktionsfaktorneuraleren Methode, die Arbeit entlasted und Kapital mit in die Finanzierung nimmt, damit Arbeit nicht immer staerker durch kapitalintensive Produktion ersetzt wird.

  • L
    Linkshänder

    An alle 40-70 jährigen:

    Vorsicht Falle warnt vor Nepper ,Schlepper und Bauernfänger mit Eduard Zimmermann. Die Rürup und Riesterrente wären in dieser Sendung behandelt und die Menschen gewarnt worden. Ihr zahlt in die Riesterrente 30 Jahre ein und vor ablauf erleidet ihr den Herztot. Euer Partner/in bekommt keinen Cent. Geld weg. Ihr zahlt ein und werdet nach 2 Jahren Hartz IV Empfänger. Dann dürft ihr sage und schreibe 5.-€ anrechnen lassen. Mindestlohn von 10€/Std., Tarifliche Entlohnung, 1,50€ Hartz IV Arbeitsplätze in tarifliche Entlohnung umwandeln, Leiharbeit abschgaffen, würden Geld in die maroden Kassen spülen. Das Geld darf nur nicht von den Vorständen verbraten werden.

  • KS
    Kritische Stimme

    Sehr einseitiger Artikel.

    1. Die staatliche Rente durch Umlagefinanzierung kann aufgrund des demographischen Wandels langfristig nicht funktionieren.

    2. Die Riesterrente war und ist nur ein Geschenk an die Versicherungsbranche, nicht an die Sparer. Die Verwaltungskosten für meine Riesterrente bei der Allianz sind genauso hoch wie die staatlichen Zulagen. Sieht man sich dann noch die Einschränkungen an (Rückzahlung der Zulagen, wenn man im Alter ins Ausland zieht, prohibitive Kosten bei Wechsel des Anbieters, nicht vererbbar, Verrechnung mit Grundsicherung im Alter, wird bei Auszahlung versteuert), ist das ganze so unflexibel und unsicher, dass man lieber selber anlegt.

  • S
    shikkl

    Ich habe mich bewusst gegen die Riester-Geldbeschaffungsmaßname entschieden. Die einzigen die davon profitieren sind die Versicherungsgesellschaften. Was macht es für einen Sinn, wenn die gesamten staatlichen Zulagen der ersten 10 Jahre (!) komplett als Gebühr an den Versicherer gehen? Das sehe ich schon aus Prinzip nicht ein und investiere mein Geld lieber selbst. Wie schon im Artikel geschrieben, die vielen Milliarden subventionieren die falschen und die tolle staatliche Zulage freut die Gesellschaften natürlich tierisch, nur den Versicherten nicht!