Berliner Studiengang "Games Design": Diplom Ego Shooter

In Berlin bietet eine Hochschule den Studiengang "Games Design" an, bei dem Studierende das Erstellen von Computerspielen lernen - kritische Reflexion inklusive.

"Ich spiele gerne Computerspiele" reicht nicht. Bild: dpa

Es fanden sich ungefähr doppelt so viele Bewerber, als es Studienplätze gibt. Der im Wintersemester 09 startende Studiengang Interactions Design/Games Design ist ein echter Renner - und das ist auch kein Wunder: Denn der Studiengang an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft beinhaltet, Computerspiele zu studieren. Der Traum vieler begeisterter Spieler. Schließlich könnte man sich den hippen Ego-Shooter maßschneidern. Oder endlich den erträumten 3-D-Silver-Surfer designen.

Ein bisschen mehr als "Ich spiele gerne Computerspiele" wollen die Professoren des sogenannten Gameslab, Carsten Busch und Thomas Bremer, von ihren potenziellen Studenten sehen. "Leeres Haus" war eines der drei Schlagwörter des Eignungstests, zu dem die Bewerber eine Mappe einreichen sollten. Das am häufigsten bemühte Motiv: ein verlassenes Schneckenhaus.

Neben Fotos, Bildbearbeitung und Kurzgeschichten entwarfen die Kandidaten auch komplett fertig gebastelte Spiele. Die meisten aber griffen zu klassischen Materialien: Papier, Klebstoff und Schere.

In persönlichen Bewerbungsgesprächen nahm Professor Bremer die zukünftigen Computerspiel-Studenten in die Mangel. Fangfrage: Was würden Sie an den Computerspielen für Mädchen verbessern wollen? Damit hatten nicht allzu viele Bewerber gerechnet. Bremer ist befangen - er ist Vater zweier Mädchen, denen einfallslose Pferdespiele gehörig auf den Geist gehen. Dass Mädchen am liebsten ein virtuelle Pony dressieren möchten, ist ebenso ein Klischee wie die Vorstellung, dass Jungs nur scharf auf First-Person-Shooter-Spiele sind.

Auch bei den Bewerbern greifen die alten Klischees nicht mehr. Zwar sind es überwiegend junge männliche Abiturienten, die sich beworben haben, aber beispielsweise auch eine Berliner Floristin Mitte zwanzig mit Fachabitur, deren Bewerbungsgeschichte die Auswahlkommission überzeugte. Und es bewerben sich neben halben Profis im schon etwas fortgeschrittenen Alter auch unbedarfte Neulinge.

Bremer, Professor für Medienkonzeption, er selbst hat freie Kunst studiert und fungiert als Sprecher des Studiengangs, setzt große Hoffnungen in die Kreativität der Studenten. Anders als bei privaten und somit kostenpflichtigen Games-Design-Studiengängen werden bei diesem Sieben-Semester-Bachelor-Studiengang keine Studiengebühren erhoben. Zudem meint Bremer, dass der HTW-Studiengang, im Gegensatz etwa zur Berliner Games Academy, seine Studenten nicht nur mit dem Handwerk ausstattet, sondern ihnen auch eine akademisch fundierte Ausbildung angedeihen lässt.

Die Games Academy, so Bremer, zeige ihren Schülern nur, welche Knöpfe zu drücken seien. Von theoretischem Überbau keine Spur. Allerdings bietet auch diese private Games Academy in Kooperation mit Partner-Hochschulen dreisemestrige Aufbaustudiengänge an. Die Gameslab-Studenten hingegen sollen "keine Fachidioten" werden. Anstatt in der Ausbildung eingleisig zu fahren und entweder nur als kreativer Drehbuchautor oder 3-D-Designer ausgebildet zu werden, sollen hier Gestalter und Konzepter gemeinsam lernen und dann hoffentlich mit innovativeren Ideen aufwarten können, als den nächsten Ego-Shooter zu entwickeln.

Wer das BA-Studium abschließt, hat sechs Semester Informatik, Soziologie, Gestaltung, Medienwirtschaft, Fremdsprachen, Kunst, szenisches Schreiben und 3-D-Design sowie ein längeres Praktikum hinter sich. Als Abschluss winkt ein Bachelor of Arts in Interaction und Games Design. Damit kann man als diplomierter "Game Designer" in die Industrie einsteigen. Bei Yager Development beispielsweise, die für die dreidimensionale Aufzeichnung von menschlichen Bewegungen im virtuellen Raum das "Motion Capture Labor" des Gameslab nutzen.

Weitere Schwerpunkte des Gameslab sind die Entwicklung von Interaktionskonzepten auf Multitouch-Tabledisplays, vergleichbar mit tischgroßen iPhones, oder die Evaluation von Probanden, bei denen man - und darauf ist man stolz im Gameslab - durch ein Remote Eye Tracking System auch die Blickbewegungen auf dem Bildschirm verfolgen kann. Im Game Based Learning and Teaching Lab sollen Methoden und Instrumente des Lernens und Lehrens mit Hilfe von Computerspielen entwickelt werden.

Inzwischen etabliert hat sich sowohl das spielerische Lernen von Vokabeln als auch von Techniken und motorische Fähigkeiten. Von Dr. Kawashimas Gehirnjogging über Flugsimulatoren und Schachlernspiele hat sich darum auch ein riesiger Lernspiel-Markt entwickelt. Solange das Lernen wie bei Dr. Kawashima, dem interaktiven Englischkurs oder dem Flugsimulator unverblümt im Vordergrund steht und nicht wie ein Wolf im Schafspelz als Spiel verkleidet daherkommt, sind eigentlich alle zufrieden. Wie viel die häufig für Kinder konzipierten Spiele mit einem Lernthema, sogenannte Serious Games (siehe Text unten), letztendlich an gewünschten Lernzielerfolgen und Spielspaß bringen, ist hingegen fraglich.

Professor Bremer glaubt nicht an die Kombination von Spiel und Lernthema. Die häufig mit Preisen überhäuften Spiele zum Politikverständnis, zu Verkehrssicherheit oder andere Serious Games würden aus schlechtem Gewissen ausgezeichnet. Hier soll der gut gemeinte Ansatz belohnt werden - die Spiele an sich seien vergleichsweise unmotiviert und der Lerneffekt zu vordergründig. Das wiederum werde von den Spielern sofort entlarvt und für langweilig befunden. Die Käufer dieser Lernspiele seien häufig Eltern, die sich erhofften, dass ihr Kind auf diese Weise seine Zeit "sinnvoll" verbringt.

Der Forscher aus dem Gameslab hingegen meint, dass Kinder in den Spielen doch meistens nur den American Way of Life lernen würden. Nur ein Aufbrechen der herkömmlichen Spielestruktur durch den Spieler würde einen tatsächlichen Lerneffekt mit sich bringen. Bisher wären die meisten Spiele aber im Grunde nur eine Fortführung des guten alten Spiels "Pong" - eine Art Tischtennis am Computer. Solange sich die Spieler fortwährend in den vorgegebenen Strukturen des Spiels bewegen, sei ein selbstständiger Lerneffekt unwahrscheinlich. Das läge in erster Linie daran, dass die Spielehersteller alles andere als mutig seien.

Das bisher mutigste Spiel, bei dem sich nebenbei auch etwas lernen ließe, sei nach Bremers Meinung das Playstation-3-Spiel "Little Big Planet" gewesen - ein Spiel, bei dem der Spieler neben der eigenen Hauptfigur aus einer Art Jutesack sich in einer grenzenlosen Spielwelt nach Lust und Laune austoben kann.

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