Kommentar Italiens Flüchtlingspolitik: Die Mär von kriminellen Einwanderern

Italiens Regierung ist stolz auf sinkende Zahlen "illegaler" Einwanderer. Die Flüchtlinge zahlen oft genug mit ihrem Leben dafür.

Voller Stolz erzählt Italiens Innenminister Roberto Maroni immer wieder vom Erfolg bei der Abwehr "illegaler" Einwanderer: Statt noch gut 30.000 im letzten Jahr hätten es im laufenden Jahr bisher bloß an die 2.000 Flüchtlinge übers Mittelmeer geschafft.

Italiens neuer Kurs der rüden Flüchtlingsabwehr ist tatsächlich von Erfolg gekrönt. Wenig schert es den Innenminister und die Berlusconi-Koalition, dass die Opfer oft genug keineswegs die immer an die Wand gemalten "Kriminellen" sind, die angeblich nach Italien drängen. Auch jetzt wieder waren es vorneweg Somalier und Eritreer, die gerettet wurden - klassische Bürgerkriegsflüchtlinge also, denen Italien das Bleiberecht nicht verwehren kann. Aber vielleicht erklärt ja ebendies, warum Italien die Menschen gleich gar nicht mehr ins Land lassen möchte: weil die Regierung nur allzu gut weiß, dass sie das Gros der Flüchtlinge dann kaum wieder hinauswerfen kann.

Lieber riskiert die Regierung da die ebenso offene wie unter den eigenen Wählern populäre Missachtung internationalen Rechts, weiß sie doch nur zu gut, dass die Proteste aus der EU, wenn überhaupt, mehr als verhalten geäußert werden. Und lieber erhöht Italiens Regierung das Risiko der Bootsflüchtlinge, ihre Überfahrt mit dem Leben zu bezahlen, noch ein wenig mehr.

Zweierlei jedenfalls fällt auf an dem neuen Flüchtlingsdrama, das sich in den letzten Tagen ereignete. Nicht mehr von der Küste bei Tripolis stach das Boot in See; dort sind mittlerweile die Kontrollen so engmaschig, dass den Schleusern das Risiko zu hoch erscheint. Stattdessen begann die Fahrt bei Bengasi, in der Großen Syrte - und damit verlängert sich die Reise Richtung Italien erheblich. Mehr noch: Früher galt, dass die Boote nur bei ruhiger See die Fahrt aufnehmen, jetzt aber nehmen die Schleuser schlechtes Wetter und hohen Wellengang in Kauf - weil der auch den libyschen Kontrolleuren das Handwerk schwerer macht.

Verzweifelte Menschen werden sich auch durch solche Umstände nicht von der Flucht abhalten lassen, wie jetzt Laura Boldrini feststellte, die italienische Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks. Mag sein, dass Roberto Maronis Rechnung aufgeht, dass weniger Flüchtlinge nach Italien gelangen. Sicher ist, dass Maroni sich an dem Preis für diese Politik nicht weiter stört. Den schließlich zahlen allein die Flüchtlinge - oft genug mit ihrem Leben.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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