Uli Hoeneß zum Bayern-Abschied: Der Hassgeliebte
Am Donnerstag ist Uli Hoeneß den letzten Tag Manager des FC Bayern München. Am Freitag wird der 57-Jährige zum Vereinspräsidenten gewählt. Zum Abschied eine Würdigung.
Viele mögen ihn nicht. Er weiß das. Ob er es noch hört, wenn ihm purer Hass entgegenschallt? "Hoeneß, du Arschloch!" Das gehört zum Standardrepertoire der Fans in den meisten Stadien Deutschlands. Für sie ist er die Personifizierung des Bösen im deutschen Fußball. 30 Jahre lang war Uli Hoeneß Manager des FC Bayern München. Bis heute. Er hat den Klub zu dem gemacht, was er ist: stinkreich. Er gilt als Käufer des Erfolgs. Deswegen wird er gehasst.
Als er noch Fußballer war, wurde er vor allem bestaunt. Er war schneller als seine Kollegen. Ein rasender Außenstürmer. 11,0 soll er für 100 Meter gebraucht haben. Ob er ein guter Kicker war, darüber war man sich nicht klar. Auch Bayernfans haben die Augen verdreht, wenn er einen langen Pass zwar erlaufen hat, aber wieder einmal nicht am gegnerischen Verteidiger vorbeigekommen ist. "Typisch!" Man hat an ihm gelitten.
Gewonnen hat er als Spieler, was es zu gewinnen gab. Er wurde dreimal Deutscher Meister, gewann dreimal den Europapokal der Landesmeister, war Weltpokalsieger und mit der Nationalmannschaft Europa- und Weltmeister. Und doch ist er als einer der größten Deppen in die Geschichte des deutschen Fußballs eingegangen. Belgrader Nachthimmel. Dahinein hat Hoeneß den Ball geschossen statt ins Tor. 1976 war das, beim EM-Finale gegen die Tschechoslowakei im Elfmeterschießen. Verloren. Er hat alles erreicht und ist doch nichts geworden als Fußballer. Verrückt!
Hoeneß, der Sportler: Mit dem FC Bayern gewann Hoeneß dreimal die Deutsche Meisterschaft und dreimal den Europapokal. Er spielte 1974 in der deutschen Weltmeistermannschaft. Nach zahlreichen Verletzungen hörte er schon mit 27 Jahren auf zu spielen.
Hoeneß, der Manager: Als 27-Jähriger wurde Hoeneß der jüngste Bundesliga-Manager, den es je gab. Im ersten Jahr unter ihm machte der FC Bayern einen Umsatz von 12 Millionen Mark, 2008 waren es 300 Millionen Euro. Nebenbei gehört Hoeneß noch eine Wurstfabrik.
Schon drei Jahre später war er Manager beim FC Bayern. Da war gerade einer Präsident des Klubs geworden, der es vom Giesinger Strizzi zum Bussibär der Münchner Schickeria gebracht hatte: Willi O. Hoffmann, genannt Champagner-Willi. Eine der großen Witzfiguren in den Gesellschaftsspalten des Münchner Boulevards machte den Brezensalzer von Belgrad zum Macher in München. Die Bayern waren ein Chaosklub damals. Die Kaiserzeit war vorbei. Franz Beckenbauer war seit 1977 in New York. Die letzte Meisterschaft lag fünf Jahre zurück. Hoffmanns Vorgänger Wilhelm Neudecker wollte Max Merkel zum Trainer machen. Den verschrienen Schleifer wollte die Mannschaft nicht. Meuterei.
Merkel wurde weggeschickt. Neudecker dankte ab. Champagner Willi übernahm, stellte fest, dass der Klub hoch verschuldet war, und gab Uli Hoeneß als Manager beinahe alle Macht. Es war ein Misthaufen, den der junge Mann aus Ulm da übernommen hatte. "Ich verstehe etwas von Finanzen und Geschäften. Ich verstehe etwas vom Fußball und Fußballspielen. Ich bin prädestiniert für diesen Beruf", hat er damals gesagt. Sätze eines 27-Jährigen. Er fand sich von Anfang an gut. Er wurde von Anfang an von vielen gehasst.
Er war humorlos als Geschäftsmann, rigoros, wenn es darum ging, die besten Spieler der Konkurrenten in der Bundesliga zusammenzukaufen, und kaltschnäuzig wie ein Mafioso, als er die gesamte Liga beschissen hat. 16 deutsche Meisterschaften hat er für den FC Bayern erwirtschaftet. Sauber war das nicht immer. 2003 wurde bekannt, dass der FC Bayern einen Geheimvertrag mit der Mediengruppe Kirch abgeschlossen hatte. Neben den Einnahmen aus der zentralen Vermarktung erhielten die Münchner rund 40 Millionen Mark extra. Gut angekommen ist das nicht in der Liga. Doch es blieb ungesühnt. Ganz schlecht angekommen ist das bei den Fans der Konkurrenz. Genau: "Hoeneß, du Arschloch!"
Manche sagen: Der Uli Hoeneß ist weicher geworden in den letzten Jahren. Und dann werden die Geschichten erzählt vom guten Menschen von der Säbener Straße. Da ist die Geschäftsstelle des FC Bayern. Und das Büro vom Uli Hoeneß, das angeblich immer offen ist. Als Spieler dürfe man da immer reingehen, wenn man Sorgen hat. Auch wenn man nur in der zweiten Mannschaft spielt. So hat es ein ehemaliger Regionalligakicker der Bayern einmal erzählt. Der Uli Hoeneß freut sich immer, wenn er darauf angesprochen wird. Er grinst dann: "Jaja!" Ecce homo! Sieh an, ein Mensch!
Es gibt ein Ereignis, von dem Uli Hoeneß sagt, es habe ihn zum Menschen gemacht hat. Am 16. Mai 1982 stürzt das Propellerflugzeug ab, in dem er mit drei Freunden nach Hannover fliegt. Hoeneß überlebt den Absturz als Einziger. "Da ist der Sunnyboy in mir gestorben", hat er gesagt. Demütig dem Leben gegenüber sei er seitdem, und er erinnert sich nun des Öfteren daran, wie er mit "50 Mark Taschengeld" nach München gekommen ist, reflektiert, was ihm der Fußball alles ermöglicht hat. "Jetzt möchte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre", sagt er über sein soziales Engagement, das er gefälligst gewürdigt wissen will. O-Ton Hoeneß: "Ich bin der sozialste Mensch, den ich kenne."
Dafür möchte er gemocht werden. Nicht nur von den Bayernfans. Ganz toll fand er, dass er beim FC St. Pauli, wo er jahrelang immer mit Bier übergossen wurde, wenn er ins Stadion gekommen ist, einmal eine Ehrenrunde hat laufen dürfen.
Der Hamburger Kleinklub stand 2003 gerade vor der Pleite, die Bayern kamen zum Freundschaftsspiel und Hoeneß hatte ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Retter" für 1.500 Euro ersteigert. Wenn Freunde da sind bei ihm zu Hause, so hat er es erzählt, dann zeigt er es gerne her, das braune Textil.
Einmal war er sich ganz sicher, dass ganz Fußballdeutschland vor ihm auf den Knien liegen würde. Das war 2000, als er verkündete, dass der Fußballtrainer Christoph Daum, den er über Jahre hinweg beleidigt und beschimpft hatte, ein Kokser ist. Daum war damals ausersehen, Bundestrainer zu werden, und Hoeneß hatte in einer Münchner Boulevardzeitung gelesen, dass sein Langzeitfeind ein Schnupfer ist. Skandal! Für einen wie Hoeneß, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er die CSU ganz toll findet, drohte die Welt zusammenzubrechen.
Ein Kokser an der Spitze der deutschen Fußballrepublik, das wäre doch zu weit gegangen. Christoph Daum sollte sich erklären. Er tat es, sagte, dass er nie geschnupft hat, gab eine Haarprobe ab und war als Kokser überführt. Er war weg vom Fenster. Uli Hoeneß hat den deutschen Fußball vor einem Drogensüchtigen gerettet. Doch die Herzen flogen ihm nicht zu. Er wurde als Denunziant beschimpft und: "Hoeneß, du Arschloch!"
Wenigstens die eigenen Fans, die haben ihren Uli geliebt über Jahre hinweg. Und Fans haben die Münchner jede Menge. Die unterschiedlichsten Menschen pilgern zum FC Bayern. Da gibt es die Lodenmantelträger, die Altmünchner Stadtpatrizier in CSU-Uniform mit Trachtenhut Modell Partei, die nur dann laut werden im Stadion, wenn ihnen etwas nicht passt.
Dann sind da noch die Bussimonster aus der Perlweinschickeria, die nur da sind, weil die anderen Schicken und Schönen auch da sind. Und hinter den Toren, da stehen die Kuttenträger, die für die optische und akustische Untermalung eines Bayernspiels sorgen.
Letztere haben sich einmal über die Schicken und Schönen beschwert. Auf der Hauptversammlung 2007 war das. Das seien keine Fans, beschwerten sich die Kutten, die klatschten ja nicht mal, was ja auch gar nicht möglich sei, weil sie ja immer ein Glas Perlwein in der Hand hätten. Frechheit! Hoeneß hat zurückgewettert, dass es die Schicken und Schönen seien, die die billigen Plätze der Fans hinter den Toren finanzierten. Aus! Die Liebe ist erloschen. Hoeneß hat die Macht über die Kurve verloren. Viele Niederlagen hat Hoeneß nicht hinnehmen müssen in seinem Leben. Das war eine, die besonders wehgetan haben dürfte.
Auch die Macht über den deutschen Fußball hat er verloren. Überlegen waren die Bayern lange, weil es gereicht hat, immer die besten Spieler aus der Liga nach München zu holen. Da hat es beinahe jeder Trainer geschafft, Meister zu werden. Für Willy Lemke, der lange Manager von Werder Bremen war, ist Hoeneß mit seiner Scheckbuchstrategie ein "Totengräber des deutschen Fußballs" gewesen. Der Rekordmeister als Bestatter.
In Europa haben die Bayern, die einmal unter Uli Hoeneß die Champions League gewonnen haben, nur selten mithalten können. Fürs schöne Spiel sind die Bayern auch nie gelobt worden. Das war Uli Hoeneß lange egal. Dann hat er den Sommermärchen-Macher Jürgen Klinsmann als Trainer verpflichtet. Es war ein Hilfeschrei: Liebt endlich unseren Fußball! Der Versuch endete im Desaster.
Derzeit sind die Bayern Siebter in der Tabelle. Uli Hoeneß hat mit Louis van Gaal einen Systemtrainer an die Linie gestellt, der keine Linie in das Spiel des Teams bringt. Siebter! Spieler Philipp Lahm wundert sich öffentlich darüber, dass der Verein nie eine bestimmte fußballerische Strategie verfolgt hat. Hoeneß widerspricht. Gefeiert wird der Spieler. Die Fans, Lodenmäntel wie Kutten, geben dem kleinen Verteidiger recht. Hoeneß bestraft den Spieler und erntet Kopfschütteln.
Er hat als Manager alles erreicht, was man als Manager erreichen kann. Eine Idee vom perfekten Fußball hat er wohl wirklich nie gehabt. Es sieht so aus, als würde Geld allein nicht mehr reichen, um den Erfolg sicherzustellen. Das Prinzip Uli Hoeneß ist am Ende. Der Manager dankt ab. Die Jahreshauptversammlung des Klubs wird Hoeneß morgen zum Vereinspräsidenten wählen. Er wird weiter gehasst werden. "Hoeneß, du Arschloch!" Doch die Liebe der Bayernfans, die wird er schon wieder zurückgewinnen: "Du bist die größte Schau!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen