Entwicklung der Weltbevölkerung: Warum die Menschheit älter wird

Nie ist die Weltbevölkerung so schnell gewachsen wie in den vergangenen zwei Jahrhunderten. Mehr als die Hälfte der Menschen lebt heute in Städten.

Erstmal wird es wird enger. Dann soll sich die Zahl der auf der Erde lebenden Menschen bei 10 Milliarden stabilisieren. Bild: dpa

Ein Bewusstsein davon, dass die demografische Entwicklung aus dem Ruder laufen könnte, entstand schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals erwartete man eine »Bevölkerungsexplosion«, die umso bedrohlicher erschien, als ihre Grenzen unabsehbar waren. Ein halbes Jahrhundert später sind die Mechanismen besser bekannt. Zur Erklärung des Bevölkerungswandels in den europäischen Ländern – hier trat er erstmals auf – wurde ein Modell des »demografischen Übergangs« entwickelt, d.h. des Übergangs von hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenraten.

Der Übergang beginnt mit einer mehr oder weniger langen Periode, in der die Sterberate sinkt, während die Geburtenrate unverändert hoch bleibt. In dieser ersten Phase wächst die Bevölkerung in dem Maße, wie der Abstand zwischen Fertilität und Mortalität zunimmt. Danach verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum. Diese zweite Phase ist beendet, wenn sich beide Raten angeglichen haben und sich die Bevölkerungszahl auf einem stabilen Niveau eingependelt hat. Wo die Geburtenziffer schließlich unter die Sterbeziffer sinkt, kommt es zu einem Bevölkerungsrückgang.

Gegenwärtig ist der demografische Übergang, wenn auch in unterschiedlichen Stadien, in fast allen Ländern der Welt zu beobachten. Wie lange die beiden Phasen jeweils dauern und wie groß der Abstand zwischen Geburten- und Sterberate ist, entscheidet über das Ausmaß des Bevölkerungswachstums. Ein früher und langsamer Übergang hat in Frankreich zu einer Verdopplung der Bevölkerungszahl innerhalb von zwei Jahrhunderten geführt, in Schweden ist sie in 150 Jahren um das Dreieinhalbfache gestiegen. Die gegenwärtigen demografischen Übergänge werden – begünstigt durch den medizinischen Fortschritt und die ganz anderen sozialen und kulturellen Kontexte – schneller verlaufen und zu stärkerem Bevölkerungswachstum führen (beispielsweise um das 7- bis 8-Fache in Mexiko und um das 13- bis 15-Fache in Kenia).

Die Wachstumsgeschwindigkeit einer Bevölkerung hat einen direkten Einfluss auf ihre Altersstruktur. Die Länder, die als Erste einen demografischen Wandel durchmachten, Europa oder die Länder mit mehrheitlich europäischstämmigen Einwohnern (Nordamerika, Australien, Neuseeland), haben heute eine alternde Bevölkerung: Das Durchschnittsalter beträgt 35 bis 41 Jahre. In Ostasien, wo der in den 1970er-Jahren begonnene Übergangsprozess gerade an sein Ende gelangt, steigt das Durchschnittsalter rasant und liegt im Moment bei etwa 35 Jahren. Im übrigen Asien, in den meisten lateinamerikanischen Ländern, im Nahen Osten und im Maghreb, wo der demografische Übergang derzeit seine zweite Phase durchläuft, liegt das Durchschnittsalter zwischen 23 und 28 Jahren.

Die Mehrzahl der Länder im subsaharischen Afrika befindet sich noch auf der Schwelle zur zweiten Phase des demografischen Übergangs. Sie haben in den letzten Jahrzehnten das schnellste Bevölkerungswachstum ihrer Geschichte erlebt, das sich allerdings gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder verlangsamte. Die Entwicklung spiegelt sich in der Altersstruktur dieser Regionen wider: Der Altersdurchnitt der Bevölkerung liegt bei 16 bis 18 Jahren. Doch auch in diesen »jungen« Ländern findet bereits ein Alterungsprozess statt.

Im 21. Jahrhundert wird der demografische Übergang weltweit an sein Ende kommen, und die Zahl der auf der Erde lebenden Menschen wird sich aller Voraussicht nach bei 10 bis 11 Milliarden stabilisieren. Das 21. Jahrhundert wird auch das Jahrhundert einer beschleunigten Bevölkerungsalterung sein. Trotz unterschiedlicher Bedingungen können sowohl die Staaten Nordamerikas wie auch die europäischen Länder aus sich selbst heraus die Erneuerung ihrer Bevölkerung nicht mehr gewährleisten und sind folglich zunehmend auf Zuwanderung angewiesen.

Der zwischen Ländern und Regionen ungleichzeitige demografische Übergang hat im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder dazu geführt, dass die Verteilung der Bevölkerung auf den Raum wechselte. 1950 lebten 29 Prozent der Erdbewohner in Europa oder in der »Neuen Welt« (USA, Kanada, Australien, Neuseeland), in die viele Europäer ausgewandert waren.

Dieser Anteil ist gegenwärtig auf 17 Prozent gesunken, und nach den Vorhersagen der UNO fällt er bis 2050 auf 12 Prozent (nicht einberechnet der Einfluss der Migration). Dagegen werden dann in Afrika (ebenfalls ohne Einbeziehung der Migrationszahlen) 22 Prozent der Erdbevölkerung leben, während es 1950 9 Prozent waren und gegenwärtig 14 Prozent sind.

Auf allen Kontinenten lebt heute ein wachsender Anteil der Bevölkerung in Städten. Weltweit werden bis 2010 mehr Menschen in den Städten als auf dem Land leben. Mehr als 2,2 Milliarden Städter, das sind sieben von zehn Stadtbewohnern, leben in Zukunft in einem Entwicklungsland. Dies ist eine völlige Umkehrung früherer Verhältnisse: 1950 wohnten lediglich vier von zehn Städtern in einem Entwicklungsland. Von den zwanzig größten Ballungsgebieten der Welt befinden sich heute dreizehn in Asien und Lateinamerika.

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