KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Licht aus, Spot an! Lasst das Spektakel beginnen. Normalerweise betritt dann eine Person das Scheinwerferlicht. Im Werk von Carlos Irijalba tritt aber das Licht selbst in den Vordergrund. Sein neues Video „Inertia“ führt in einen der ältesten Wälder Europas im Norden Spaniens. Das nächtliche Dunkel wird partiell von einer Lichtquelle erhellt, die sich geisterhaft durch diesen Wald bewegt. Immer nur ein schmaler Ausschnitt wird beleuchtet, um Sekundenbruchteile später wieder in Finsternis zu versinken. Irijalbas subtile wie spektakuläre Dramaturgie zeigt, wie der Einsatz von Licht unsere Wahrnehmung der Realität beugen kann. Mit diesem Film war die Berliner Galerie Sherin Najjar in der letzten Woche auf der Kunstmesse Art Rotterdam eingeladen, um ihn in der neuen Abteilung für Videokunst „Projections“ zu zeigen (Sherin Najjar, Am Park 4, www.sherinnajjar.com).

Für Berliner Galeristen – in diesem Jahr nahmen auch Klemm’s, Lüttgenmeijer und Sommer & Kohl teil – bietet die regionale, sich aber stetig internationalisierende Messe eine gute Möglichkeit, Kontakte zu Sammlern im Benelux-Raum zu knüpfen. Die italienische Galerie Rolando Anselmi, die erst seit letztem Jahr in Berlin beheimatet ist, nutzte die Chance für eine Soloshow von Davide Balliano in der „New Art Section“. Der 30-jährige Turiner übermalt Buchseiten, auf denen historische Kunstwerke reproduziert sind, mit abstrakten Linien oder glänzenden Zeichen. Auch in Skulpturen kontrastiert er das Verhältnis von Objekt zu Material und wie unser Blick von diesen Relationen beeinflusst wird (Rolando Anselmi, Erkelenzdamm 11–13, www.rolandoanselmi.com).

Die vielleicht größte Entdeckung auf der Art Rotterdam war aber die in Berlin lebende Künstlerin Sinta Werner (zurzeit auch in einer Gruppenschau bei Alexander Levy vertreten): Die Londoner Galerie Nettie Horn stellte subtile Collagen, farbige Zeichnungen und irritierende Fotoreliefs von ihr aus (Alexander Levy, Rudi-Dutschke-Str. 26, www.alexanderlevy.net).

In Kreuzberg betreibt Jan Kage das alternative Schau Fenster und präsentierte es in Rotterdam im Rahmen der von Künstlern und Produzentengalerien organisierten Messe Re:. Kage treibt die Suche nach Künstlern mit Haltung um. Gefunden hat er sie u. a. bei Christoph Krönke, der einerseits hautartige Latexabgüsse von „allem, was er besitzt“, anbot und andererseits Aquarelle von herausforderndem Fotorealismus. Uwe Poth zeigte doppeldeutige Bild-Sandwiches von Holzschnitten auf Fotodrucken. Zeichnerisch wie motivisch überbordende Bilder von Nathan Menglesis standen im Gegensatz zu den eher simplen Farbabstraktionen von Christian Awe (Schau Fenster, Lobeckstr. 30–35, www.schaufenster.info).