Schwache Opposition: Die SPD kommt nicht in Fahrt
Trotz der Schwäche der Bundesregierung kann die Opposition nicht punkten. Die Linke zerfleischt sich, die SPD kämpft mit der Vergangenheit. Sie wirkt immer noch wie eine Nebenregierung.
BERLIN taz | Schwarz-Gelb verliert gleich am Anfang einen Minister, CSU und FDP gehen aufeinander los, als würden sie sich seit Jahren auf die Nerven fallen. Eigentlich müsste die Opposition nun glänzen und Punkte sammeln. Doch so ist es nicht. Es ist nach wie vor unklar, ob Oskar Lafontaine als Parteichef zurückkommt. Außerdem hemmen sie interne Rangeleien.
Noch auffälliger ist, dass die SPD aus Merkels Schwäche keinen Gewinn zu ziehen vermag. Das liegt vor allem an Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der als Oppositionsführer bislang gehemmt wirkt. In der Kundus-Affäre, die Franz Josef Jung den Job kostete, trat Steinmeier zurückhaltend auf.
Vor dem Untersuchungsausschuss wird er nun selbst als Zeuge aussagen und plausibel machen müssen, dass er als Außenminister erst spät von den zivilen Opfern der Bombardierung in Kundus erfuhr. Die SPD-Attacken auf zu Guttenberg haben mit dieser Aussicht jedenfalls an Schärfe verloren.
Die SPD hat gerade bei Afghanistan das Problem, eine neue Linie zu finden, die der alten nicht komplett widerspricht. Auch SPD-Linke wie Niels Annen warnen davor, den Abzug der Bundeswehr zu fordern und sich von dem Kurs der vergangenen Jahre zu verabschieden. Immerhin hat Rot-Grün den Afghanistaneinsatz beschlossen. Im Februar will die SPD entscheiden, welchen Kurs sie in der Afghanistan-Politik einschlagen wird. Die SPD war ein Jahrzehnt Bastapolitik und Ansagen von oben gewöhnt. Jetzt soll sie innerparteiliche Demokratie lernen. Das dauert.
Hinzu kommen die üblichen Anlaufschwierigkeiten einer Partei, die lange regiert hat und erst mal üben muss, wie Opposition geht. Vor allem Steinmeier, der wie kein Zweiter für die Agenda-Politik und den Afghanistan-Einsatz steht, drängt darauf, dass die SPD "konstruktive Opposition" betreibt und stets das Wohl der gesamten Gesellschaft im Auge hat. Die SPD-Fraktion wirkt daher unter seiner Führung zeitweise noch so, als wäre sie eine Art Nebenregierung, die nicht immer derselben Meinung wie die Kanzlerin ist.
Die interne Arbeitsteilung der SPD sieht derzeit so aus: Parteichef Sigmar Gabriel versucht zum Beispiel bei der Rente mit 67 Unterschiede zur Linie der Regierungs-SPD zu markieren. Steinmeier, der sich in der Fraktion auf eine Mehrheit von Seeheimern und Netzwerkern stützen kann, hingegen bremst alle Versuche, von der Linie der Regierungs-SPD abzuweichen.
Deutlich sichtbar wurde dies bei der Vermögenssteuer, deren Einführung die SPD auf ihrem Parteitag in Dresden beschloss - gegen Steinmeiers Willen. Auch bei Detailfragen, wie der Rücknahme der von Rot-Grün eingeführten Praxisgebühr, beharrt Steinmeier auf Kontinuität. Die SPD fährt mit angezogener Handbremse. Richtig in Fahrt kommt sie so nicht.
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