Kommentar Gorleben: Eine absurde Geschichte
Die Wahl Gorlebens als Endlager folgte von Anfang an parteipolitischen Motiven.
M ehr als drei Jahrzehnte lang hielt das Land Niedersachsen Unterlagen von Kabinettsgesprächen unter Verschluss, die verraten, warum der Salzstock Gorleben zwischen 1976 und 1977 als atomares Endlager ausgewählt wurde. Die Geologie des Gorlebener Salzstocks, die ja für die Endlagersicherheit entscheidend ist, spielte dabei praktisch keine Rolle. "Ihr Geologen kommt auch noch dran", bekam der ranghöchste Geologe des Landes zu hören, als er den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht darauf hinwies, dass Gorleben geologisch keinesfalls erste Wahl sei.
Die Wahl Gorlebens als Endlager folgte zudem von Anfang an parteipolitischen Motiven. Die Bundesregierung aus SPD und FDP insistierte damals auf einer Zusage von Albrechts SPD-Vorgänger, in Niedersachsen einen Platz für ein Entsorgungszentrum zu suchen. Der CDU-Politiker Albrecht suchte dann aber unter sieben Standorten, die er mit dem Bund erörtert hatte, mit Gorleben den einzigen aus, gegen den die Bundesregierung Bedenken angemeldet hatte.
Die Bonner Regierung sah die Wiederaufarbeitung, bei der ja Plutonium gewonnen wird, als zivil-militärische Technologie an. Weil sie fürchtete, mit der DDR über Emissionen verhandeln zu müssen, wollte der damalige Kanzler Helmut Schmidt auf keinen Fall eine Wiederaufbereitungsanlage direkt an der DDR-Grenze. Genau deswegen wählte Albrecht Gorleben aus.
Gänzlich absurd wurde es dann, als Albrecht zwei Jahre später wegen der Proteste im Wendland die Wiederaufarbeitungsanlage für politisch nicht durchsetzbar erklärte, aber am Endlagerstandort festhielt. Nun hatte man nach zwölf Quadratkilometern in dünn besiedelter Gegend für einen riesigen Entsorgungspark gesucht - und fand einen Standort, dessen Geologie nach Ansicht von Fachleuten mangelhaft war für ein Endlager, das oberirdisch nur einen kleinen Bruchteil der Riesenfläche benötigte, die bei der Suche noch das Hauptproblem gewesen war.
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss, den die Oppositionsfraktionen des Bundestages nun beantragen wollen, hat nicht nur die bizarre Geschichte der Standortwahl zu rekonstruieren. Er muss auch klären, warum Bedenken von Fachleuten wegen der Geologie des Salzstocks erst kein Gehör fanden und später unterdrückt wurden. Da verloren offizielle Gutachter ihre Aufgabe, weil die Ergebnisse letztlich politisch nicht passten. Und als die vom Bund beauftragten Gorleben-Wissenschaftler 1983 die Untersuchung anderer Standorte empfehlen wollten, verpasste ihnen die Bonner Regierung einen Maulkorb.
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