Steve Jobs "iPad"-Vision: Der Herr der Maschine

Das iPad ist ein "Sack voller Möglichkeiten". Steve Jobs will sie alle nutzen und die eine Maschine kreieren, auf der wir alles hören, anschauen und lesen. Das ist schwierig.

Ein Mann, eine Vision: Steve Jobs präsentiert sein iPad. Bild: dpa

NEW YORK taz | Monatelang hatte die Computerwelt auf diesen Termin hingefiebert, es wurde spekuliert und gebangt. Der Tag, an dem Apple-Chef Steve Jobs das neueste Gerät seiner Firma der Welt vorstellt, sollte der Tag sein, der alles verändert: das Schicksal von einem halben Dutzend Branchen, die Zukunft von kompletten Berufszweigen, unser ganzes Leben.

Doch als Jobs am Mittwoch mit der Präsentation des „iPad“, wie er seine neue Kreation nennt, fertig war, herrschte mehr Ratlosigkeit als Klarheit darüber, wie unsere Zukunft wohl aussehen mag. Irgendwie war der Nachmittag unbefriedigend: Was der iPad bringen wird, blieb beinahe genauso vage wie zuvor.

„Der iPad ist ein Gefäß, ein anderthalb Pfund schwerer Sack voller Möglichkeiten“, kommentierte ein Blogger der New York Times. „Er kann alles werden oder nichts und jeder, der behauptet, er wisse es genauer, ist ein Tor.“

Immerhin wusste man nun, wie sie aussieht, diese Mischung aus iPhone und Laptop. Apple schenkt uns einen schmalen, gewohnt eleganten Rechner in Din A4 Größe mit berührungsempfindlicher Oberfläche und ohne Tastatur.

Darauf soll man schöner und vor allem flexibler Bücher, Zeitschriften und Zeitungen lesen können, besser Filme, Fotos und Fernsehshows anschauen und mit mehr Spaß Computerspiele spielen als auf einem Laptop oder einem Smartphone. Man kann damit auch Emails abrufen, Termine organisieren und Texte schreiben, doch dafür ist der iPad nicht in erster Linie gedacht.

Der iPad, so das Konzept von Jobs, soll sich als universelles Unterhaltungs- und Nachrichtengerät etablieren, das wir immer und überall dabei haben und mit dem wir ständig Zugriff auf alle Informationen der Welt haben. Der eigentliche Vorzug vor einem Laptop ist dabei die simplere Handhabung. Gegenüber einem E-Reader bietet das iPad erheblich mehr Möglichkeiten.

Das Leseerlebnis von Büchern und Zeitschriften etwa ist so gut wie bislang nur auf Papier – mit dem Bonus, dass man relevante Links anklicken, Illustrationen, Grafiken und Videos abrufen und Randbemerkungen machen kann.

Noch ist es jedoch ein weiter Weg, bis der iPad unser ständiger Allzweck-Begleiter ist – das Gerät, dass uns als Buch, Zeitung, Zeitschrift, Videoplayer, Fernseher, Musikabspielgerät, Surfstation und Spielkonsole in Einem dient. Technisch hat der iPad zweifellos dieses Potenzial, aber das hatten auch schon etliche Geräte vor ihm. Microsoft hat schon mehrfach versucht, mit Computerherstellern wie hp Tablet-Computer erfolgreich auf dem Markt zu bringen. Durchgesetzt hat sich davon keines.

Ein neues Format: Martin A. Nisenholtz von der New York Times präsentiert in San Francisco seine Zeitung auf dem iPad. Bild: reuters

Apple hat wie immer den Vorteil des überlegenen Designs. Darauf setzt Steve Jobs. Wie bei dem iPhone hofft Apple, dass das iPad nicht nur zum unverzichtbaren Lifestyle-Accessoire wird, sondern dass sich die Anbieter von Inhalten auch darum reißen, vom iPad getragen zu werden. Doch ob es mit dem iPad auch so weit kommt, ist noch alles andere als ausgemacht.

Darauf, dass dies schwieriger und langwieriger wird, als Jobs sich das vielleicht vorgestellt hat, gab es schon am Mittwoch in Kalifornien erste Hinweise. So konnte Jobs nicht eine einzige Zeitschrift präsentieren, die sich klar zum iPad als Vertriebsweg bekennt.

Dabei ist nach den Wünschen von Apple ja der iPad gerade für die ums Überleben kämpfende Printbranche eine echte Alternative, vielleicht sogar die Rettung sein. Für die schönen neuen i-Magazine, so die Hoffnung, ist der Leser im Gegensatz zu deren bisherigem Netzauftritt wieder bereit, Geld zu zahlen. Und auch die Anzeigenkunden sollen für die hübsche Pad-Anmutung willens sein, wieder ordentlich in die Tasche zu greifen.

Bislang haben zwar einzelne Zeitschriften wie GQ zugesagt, eine iPad „Application“ zu entwickeln, also ein eigene Anwendung, mit der man ihr Produkt auf dem iPad beziehen kann. Das Geschäftsmodell für iPad Magazine scheint aber noch ausgesprochen unklar. Man weiß bislang weder, wie man Anzeigen verkaufen soll und wie die Preise dafür berechnet werden können, noch ist bislang eine Vertriebsstruktur für die Zeitschriften über das Pad-Format unter Dach und Fach.

Die Krux dabei scheint die Furcht zu sein, dass Steve Jobs die Kontrolle über das gesamte Business an sich zu reißen versucht, so wie er das im Großen und Ganzen per iTunes mit der Musikbranche getan hat. Die Zeitschriften wollen einerseits zwar ein Kiosk nach dem Vorbild der iTunes, über das der iPad Benutzer jede Zeitschrift und Zeitung, die er möchte, herunterladen kann.

Andererseits will man sich jedoch von Jobs nicht in Inhalte oder andere Vertriebswege hinein reden lassen. Ob sich diese Spannungen in den kommenden Monaten lösen lassen, bleibt zweifelhaft: „Jobs muss aufpassen“, sagte am Mittwoch etwa ein Vertreter des Time-Medienkonzerns kämpferisch. „Ohne unsere Inhalte ist der iPad nicht mehr als ein schwarzer Bildschirm.“

Die Zeitungsbranche war derweil etwas weniger sperrig – zumindest deren Flaggschiff, die New York Times. Jobs konnte in Cupertino stolz eine iPad-Ausgabe der Times vorstellen, die Software-Entwickler der Zeitung hatten sich überschlagen, um ihr Produkt Apple-gerecht aufzubereiten.

Ein großer Schritt vom bisherigen Online Angebot der Times war das allerdings ohnehin nicht mehr: Die Website der Times ist schon lange multimedial und interaktiv – und die New York Times gehörte auch zu den ersten Verlagen, die ein "App" fürs iPhone anboten. Es ist, als habe die Times nur auf den Tablet gewartet. Wie das Geschäftsmodell der i-Times aussieht und ob es sich zu einem Zukunftsmodell für den Print-Journalismus entwickeln kann, ist jedoch auch weiterhin unklar.

Am weitesten fortgeschritten bei seinen Verhandlungen mit den Content-Providern für sein Gerät war Jobs bis zum Mittwoch mit den Buchverlagen. Fünf große US Verlage haben bei Jobs unterschrieben – genug für Apple, um einen „iBook“-Laden aufzumachen. Der Benutzer kann dort per iPad ab April in ein virtuelles Regal greifen, sich einen Titel herausgreifen, ein Bezahlfeld antippen und anfangen zu Schmökern.

Die Buchverlage an Bord zu bringen war für Jobs allerdings auch vergleichsweise leicht: Es gibt ein Konkurrenzgerät, das vom iPad klar ausgestochen wird. Während die E-Reader etwa von Amazon ("Kindle") und Sony sich im wesentlichen nur zum Lesen eignen, man vielleicht gerade noch ein wenig Musik darauf abspielen kann, ist der "iPad" eine komplette Multimedia-Maschine.

Nun muss sich zeigen, ob die Konsumenten auch bereit sind, für den iPad den höheren Preis zu zahlen, den Jobs im Vergleich zu Amazon verlangt. Auch auf diesem Feld ist Apple also noch weit von der Vormachtstellung entfernt, die es im Musikbereich erreicht hat.

Jobs hat also noch einen weiten Weg zurückzulegen, bis er ein Gerät hat, welches das ganze digitale Leben in sich vereint und zur Grundausstattung der urbanen Elite im 21. Jahrhundert gehört. Am Mittwoch in Cupertino hat er lediglich seine Ambition unterstrichen, irgendwann einmal Herr einer solchen Maschine zu sein sowie aller Dinge, die sich auf ihr abspeichern lassen.

Jobs hat die Vision, das alle Bücher, Musik, Nachrichten, Filme und Fernsehserien der Welt durch seine Hände laufen – alles, was wir hören, anschauen und lesen, also. Irgendwie muss man froh sein, dass ihm das nicht so leicht gemacht wird, wie er das gerne hätte. Ganz gleich, wie schick so ein iPad sein mag.

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