Kommentar Post-Mindestlohn: Ein Trauerspiel

Der Mindestlohn in der Postbranche ist rechtswidrig. Nun muss der ganze Wirrwar um Branchenmindestlöhne beendet und ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden.

Die Gegner halbwegs anständiger Arbeitsbedingungen werden jubeln: Der Mindestlohn in der Postbranche ist rechtswidrig, zumindest müssen sich die klagenden Konkurrenten der Deutschen Post nicht daran halten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag entschieden. Grund für dieses Urteil ist ein Verfahrensfehler, den das Bundesarbeitsministerium vor Erlass einer entsprechenden Mindestlohn-Verordnung gemacht hat. Die Lehren aus dem Urteil sind: Erstens muss dieser Verfahrensfehler so schnell wie möglich korrigiert werden, der Ball liegt jetzt bei Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU). Zweitens muss - und das ist noch wichtiger - der ganze Wirrwar um Branchenmindestlöhne beendet und ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden.

Denn es ist ein Trauerspiel, das seit Jahren beim Thema Mindestlohn in Deutschland aufgeführt wird. Das Verfahren, zu branchenbezogenen Mindestlöhnen zu kommen, ist viel zu kompliziert und mit unzähligen juristischen Fallstricken versehen. Zudem können die Gewerkschaften ohne die Zustimmung der Arbeitgeber so gut wie nichts ausrichten. Deshalb gibt es etwa im Leiharbeitsgewerbe immer noch keinen Mindestlohn, obwohl hier häufig haarsträubend niedrige Löhne gezahlt werden - wie auch in vielen Dienstleistungsbereichen, etwa im Frisör- und Gaststättengewerbe. Zudem gibt es immer mehr Firmen, in denen sich kaum noch jemand traut, Betriebsräte zu gründen oder sich gewerkschaftlich zu organisieren - aus Angst, auch noch seinen mies bezahlten Job zu verlieren und beim Hartz-Amt zu landen.

Der so ausgelöste Sog nach unten, der auch immer mehr Menschen aus der gut ausgebildeten Mittelschicht erfasst, kann nur durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gestoppt werden. Er würde - wie in anderen Ländern auch - eine Absicherung nach unten bieten und die Löhne insgesamt stabilisieren.

Aber selbst ein gesetzlicher Mindestlohn würde nicht reichen, die neoliberalen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt der vergangenen Jahre zu korrigieren. Auch Mindestlöhne können umgangen werden, wie mitunter auf dem Bau zu sehen ist: zum Beispiel durch unbezahlte Überstunden im großen Stil. Zudem setzen befristete Arbeitsverhältnisse und die Ausbreitung der Leiharbeit die Beschäftigten unter Druck. Das wiederum schwächt die Gewerkschaften, die auf selbstbewusste Mitglieder angewiesen sind. Ohne gewerkschaftliche Deckung aber trauen sich noch weniger Beschäftigte, für ihre Rechte einzutreten - ein Teufelskreis. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wird es für viele Postboten noch schwieriger, dem zu entkommen.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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