"Alaaf und Heil Hitler": Schunkeln für den Führer

Carl Dietmar und Marcus Leifeld untersuchten das närrische Treiben der Karnevalisten während der NS-Zeit. Die NSDAP versuchte den Karneval in ihre Ideologie einzureihen.

Ausschnitt aus der Kölner Rosenmontags-Zeitung von 1938. Bild: dpa

"Hurra, mer wäde die Jüdde los, die janze koschere Band trick nohm jelobte Land, mir laachen uns for Freud kapott, der Itzig und die Sara trecken Fott!"

Mit diesem Refrain eines kölschen Karnevalslieds kam in der Session 1936 in den Festsälen am Rhein prima Stimmung auf. Schon zwei Jahre zuvor fuhr im Rosenmontagszug ein Wagen mit, auf dem als orthodoxe Juden verkleidete Jecken die antisemitische Volksseele befriedigten. "Die Letzten ziehen ab" stand an der Stirnwand des Mottowagens, und kleiner darunter: "Mer mache nur e Kleines Auflügche nah Lichtenstein und Jaffa."

Da waren die jüdischen Jecken schon per "Arierparagraph" aus den Vereinen ausgeschlossen, die NSDAP mischte bei der Organisation kräftig mit und trachtete danach, Karneval und Fastnacht als lobenswertes Beispiel von Tradition und "Volksgemeinschaft" in ihre Ideologie einzugemeinden.

Ein paar Jahre später mochte sich keiner mehr so richtig an diese Dinge erinnern. "Jüdische Schreiberlinge feierten im damaligen Deutschland und so auch in Köln mit ihren erotischen Produkten wahre Orgien. Alles Volkhafte, Traditionsgebundene wurde bewusst unterdrückt", schrieb Oberkarnevalist sowie Partei- und SA-Mitglied Thomas Liessem 1936 in einem Buch über Willy Ostermann. In der zweiten Auflage 1951 wurden aus den "jüdischen Schreiberlingen" einfach "irgendwelche Schreiberlinge". Und Liessem amtierte ab 1954 wieder als Festkomiteepräsident.

Doch wie wurden die kölschen, Meenzer oder Münchner Karnevalisten und Narren zu einer alljährlich wiederkehrenden NS-Humorabteilung? Carl Dietmar und Marcus Leifeld haben die Entwicklung des Karnevals im Dritten Reich untersucht, und wenn der Schwerpunkt ihres Buchs doch unverkennbar auf der Domstadt liegt, gehen sie doch auch den Spuren in Berlin, Freiburg oder gar Chemnitz nach. Ihr Ergebnis ist wenig erheiternd: Nicht nur drängte die NSDAP massiv darauf, den Frohsinn zu vereinnahmen und organisatorisch in die eigenen Hände zu bekommen. Viele der Spaßmacher beeilten sich in vorauseilendem Gehorsam, ihre schalen Witze den neuen Machthabern dienlich zu machen.

Dabei waren die organisierten Karnevalisten einer Führerschaft durch die Partei durchaus abgeneigt. Mehrere Versuche, ihre Vereine örtlichen Behörden zu unterstellen, scheiterten ebenso am Widerstand der Jecken wie an persönlichen Machtkämpfen zwischen regionalen Nazi-Größen. Auch das Bemühen, den Karneval in den Dienst der Fremdenverkehrsindustrie zu stellen und Schaulustige an die Orte der Rosenmontagszüge zu karren, stieß keineswegs immer auf Begeisterung - ging damit doch jegliches Lokalkolorit verloren, wenn keiner im Saal den Mundart sprechenden Büttenredner mehr verstand. Letztlich aber mussten sich die Vereine mit Alaaf und Helau im 1937 gegründeten "Bund Deutscher Karneval" unterordnen.

Adolf Hitler selbst ward nie bei einer karnevalistischen Veranstaltung gesehen. Selbstverständlich waren Witze über den Führer und sein Personal streng verboten. Doch ließen die Nazis bisweilen eine erstaunliche Narrenfreiheit zu. In Mainz konnten Büttenredner einerseits Emigranten verhämen, andererseits aber die "Volksgemeinschaft" verspotten oder gar den "Volksgenossen" mit einem profanen Nordsee-Hering vergleichen. Eine gebremste Kritik blieb offenbar zumindest bis Kriegsbeginn zulässig. Die Autoren stellen die berechtigte Frage, ob es sich bei den in Einzelfällen unbotmäßigen Reimen überhaupt um Kritik oder nicht um gezielte Propaganda gehandelt hat. Schließlich waren viele der Karnevalisten selbst begeisterte Nazis.

Keinen Spaß verstand das Regime allerdings mit allen Formen homoerotischer Anzüglichkeiten. Dass die Jungfrau im kölschen Dreigestirn traditionell von einem Mann verkörpert wurde, ging nur bis zum Jahre 1937 gut. Danach war das Aufgabe eines kölschen Mädchens. Auch männliche Funkenmariechen verschwanden, übrigens bis heute, während die Jungfrau nach dem Krieg wieder Männersache wurde. Widerstand gegen diesen Fasteloovend-Umsturz ist nicht bekannt.

Und doch gab es, wenn auch sehr vereinzelt, Menschen, die sich nicht anpassen wollten. An zwei von ihnen erinnern die Autoren von "Alaaf und Heil Hitler": Der begnadete kölsche Büttenredner Karl Küpper wagte es etwa, den Hitlergruß zu verspotten: Er hob, am Rand der Bütt hockend, den rechten Arm zum Gruße, nur um das Publikum zu fragen: "Is et am rähne?" (regnet es?). Küpper erhielt unter anderem wegen "Verächtlichmachung des Deutschen Grußes" ein lebenslängliches Redeverbot. Leo Statz, Präsident der Düsseldorfer Karnevalsvereine und Anhänger der katholischen Zentrum-Partei, bekam wegen unbotmäßigem Verhalten eine eigene Akte bei der Gestapo und bezahlte seine Unangepasstheit schließlich mit dem Leben. Weil Statz 1943 in betrunkenem Zustand am Endsieg zweifelte, verurteilte ihn der Berliner Volksgerichtshof zum Tode.

Da war von Feiern schon lange keine Rede mehr. Alle Karnevalsumzüge waren seit dem Kriegsbeginn 1939 in ganz Deutschland untersagt. Frohsinn blieb dem Saale vorbehalten.

Carl Dietmar und Marcus Leifeld: "Alaaf und Heil Hitler. Karneval im Dritten Reich". Herbig, München 2010. 224 S., 24,95 Euro

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