piwik no script img

Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Wir kriegen Politiker-Enddärme von innen zu sehen, laufen ins journalistische Nichts, und Angie Merkel macht die Anni.

Daniel Schulz
Interview von Daniel Schulz

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Auf dem Arsch doch noch ins Ziel war eine Schrecksekunde für Anni Friesinger-Postma und die deutschen Olympiafans.

Was wird besser in dieser?

taz
Im Interview: 

Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.

Beim Empfang der deutschen Delegation schaut Merkel auf Westerwelle und sagt "Ey, hab ich doch auch so gemacht."

Die Bunte hat Politiker von Detektiven ausspionieren lassen. Skandal oder bloß die Fortsetzung des Journalismus mit anderen Mitteln?

"Fortsetzung von Journalismus" setzt voraus, dass das vorher einer war. Beim legendären Buntista Paul Sahner hat sich der Verteidigungsminister noch willentlich im Pool vorgeführt. Das war gnadenlos und zugleich noch so gerade eben redlich. Wieder mal schade, dass die Stasi so schüchtern war: "Rotbunte" oder "Graue" und den Machern ein herzliches "Geh doch nach drüben".

Mit Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung lässt die Politik sonst gern den gemeinen Bundesbürger ausforschen. Ist es da nicht gerecht, dass das Volk per Bunte zurückforscht?

Politiker und Journalisten haben sich längst darauf geeinigt, der Bevölkerung erbauliche biografische Begebenheiten, tolle Ahnen und Verwandte oder auch mal den Enddarm von innen zu zeigen: für den guten Zweck. Der gute Zweck sind sie jedes Mal selbst. Wenn das manche zurück zur Debatte treibt, sei's willkommen. Ich habe den Eindruck, dass den Leuten die Unterhosen der Politiker so egal sind wie das, was die als politisch relevante Themen vorgeben wollen. Der emanzipatorische Akt läge im konsequenten Weggucken.

Apropos Vorratsdatenspeicherung - Karlsruhe hat sie gekippt. Müssen wir uns jetzt unsicherer fühlen?

Ja, denn nun haben die Spitzelbehörden wieder Freigang und suchen sich was Neues zum Spielen. Bisher hatte ich die klamme Hoffnung, sie könnten, wie die Stasi, am gehorteten Dreck einfach ersticken.

In Nordrhein-Westfalen haben Blogger Mails veröffentlicht, die für die CDU recht peinlich sind. Daraufhin hat die Rüttgers-Partei die Staatsanwälte eingeschaltet. Richtig so?

Ein klares Statement der NRW-CDU gegen jede Art von Datenmissbrauch. Was haben die gelitten, seelisch, während die Bundes-CDU für Vorratsdatenspeicherung war. Das Briefgeheimnis und sein schwächelndes Enkelchen, das Mail-Geheimnis, wird nicht obsolet dadurch, dass es auch von seinen Verächtern beansprucht werden kann. Man argwöhnt, dass es eine Attacke auf die Medien sein soll; juristisch kann es nur eine der CDU auf die CDU werden. Leckt's mich am Arsch. Hätten die ungefähr gleich großen Niederlande eine Presselandschaft wie NRW - man könnte es demokratiehygienisch bedenklich finden.

Den Zeitungen der WAZ-Gruppe wird immer wieder vorgeworfen, sie seien heimlich mit der CDU verbündet. Seien Sie Lokalpatriot. Nennen Sie bitte drei Gründe, warum man die Zeitung lesen sollte.

1. Als die taz es mit ihrer Rhein-Ruhr-Ausgabe versuchte, spendierte die WAZ-Gruppe eine gemeinsame Anzeigenkampagne. 2. taz, Süddeutsche, DuMont haben es wirtschaftlich nicht hinbekommen, eine starke, unabhängige, kritische NRW-Zeitung am Leben zu halten. 3. Ich, bzw. hier hat fast jeder in unserem Job mal bei einem WAZ-Organ gearbeitet; Kunststück bei der Monopolstruktur im Ruhrgebiet. Das Problem mangelnder journalistischer Qualität tritt zurück hinter politische Geschmeidigkeit: Landesregierung und Verleger unterstützen einander, weil beiden die Kunden weglaufen. Dummerweise laufen die ins Nichts.

Die Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Einrichtungen hören nicht auf. Sollten wir Benedikt einfach nach Hause holen und den ganzen Laden zumachen?

Wenn es für die tiefe Menschlichkeit und Gottgewolltheit offener und froher Sexualität eines Beweises bedurft hätte - die katholische Kirche präsentiert sich als Wurst-Case-Szenario der Verklemmtheit. Was sollte Satan eigentlich anders machen, wenn er im Paralleluniversum Schulen betreibt? Zu Protokoll: Der Begriff "Missbrauch" tut so, als gäbe es als sein Gegenteil einen sinnvollen "Gebrauch", und schon hier fängt das Verbrechen an: Es gibt keinen akzeptablen Gebrauch von Schutzbefohlenen. In der Kirchenschulen wurde sexualisierte Gewalt verbrochen, nix sonst.

Der Starjournalist Ryszard Kapuscinski soll seine Geschichten frisiert haben. Wen kann man denn noch lesen, ohne betrogen zu werden?

Mich. Ich frisiere nur mich. Dauert Stunden jeden Morgen.

Und Borussia Dortmund?

Wir haben uns hier im Urlaub eine windzerzauste WLAN-Zeltbude gesucht, opfermutig Miete in Gestalt von allerhand Getränken gezahlt und dann zwei Stunden lang auf eines Kumpels iPhone so 'ne Art Textprotokoll einer Reportage vom Derby blinzelnd entziffernd gelesen. Audio Stream funktionierte nicht. Wie halten die Spanier das aus jede Woche?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • M
    Mac-Lennox

    Die Kommentare von Herrn Küppersbusch sind jederzeit geistreich und pointiert. Vielen Dank dafür! Das Einzige was mich daran stört, ist immerzu die letzte Frage. Bin Schalke-Fan!