Kosten des Gesundheits-Systems: Kassen sollen Pillen-Preise verhandeln

Gesundheitsminister Rösler will Preise für neue Arzneien verhandeln lassen. Experten wollen mehr: Positivlisten wie in Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz.

Details will Rösler demnächst vorstellen. Bild: Shutr – Lizenz: CC-BY

KASSEL taz | Bei neuen Medikamenten ist Deutschland ein Lieblingsmarkt der Pharmaindustrie. Im Gegensatz zu anderen Ländern nämlich darf hier jedes neu zugelassene Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Bei rund 70 Millionen Versicherten eröffnet das enorme Absatzchancen. Und den Preis für das neue Präparat bestimmt der Hersteller.

Doch damit soll nun angeblich bald Schluss sein. Etliche Zeitungen berichten über ein Konzept von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), mit dem die Arzneiausgaben gedrückt werden sollen. So sollten künftig die Kassen mit den Herstellern über die Preise neuer Medikamente verhandeln, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Gebe es binnen eines Jahres keine Einigung, solle das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eine Kosten-Nutzen-Bewertung vornehmen. Anschließend werde dann ein Höchstpreis festgelegt.

Wenn die Preisverhandlungen kommen, sollen andere Sparinstrumente fallen, schreibt die Zeitung weiter. So würden Strafzahlungen für Ärzte gestrichen, die Medikamente zu teuer verordnen. Ähnliches hatte auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie vorgeschlagen. Der allerdings wünscht sich fünf Jahre Zeit für eine Einigung mit den Kassen.

Stefan Greß, Professor für Gesundheitsökonomie in Fulda, bewertet die Vorschläge aus Berlin als Mischung aus "Zuckerbrot" und "Peitsche". Eine Frist von einem Jahr bis zur Kosten-Nutzen-Prüfung werde den Druck auf die Hersteller "ein Stück weit verstärken", sagt er. Allerdings frage er sich, wie sehr die Industrie die Prüfungen künftig fürchten müsse, nachdem der Vertrag für IQWiG-Chef Peter Sawicki nicht verlängert worden sei. "Man könnte sich auch sehr viel weitgehendere Schritte vorstellen", sagt Greß weiter.

In Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz etwa gebe es Positivlisten. Nur was darauf steht, zahlt die öffentliche Krankenversicherung. Bevor ein Medikament auf die Liste gelangt, wird es mit anderen Mitteln verglichen, die schon auf dem Markt sind. Hat es einen zusätzlichen Nutzen? Und wenn ja - was darf der kosten? Der Preis werde mit den Herstellern verhandelt, sagt Greß. Was keinen wirklichen Zusatznutzen habe, werde dabei rasch billiger.

Auch in Deutschland ist die Positivliste immer wieder Thema gewesen. Durchgesetzt wurde sie bislang nie. In Sachen Kosten-Nutzen-Prüfungen sei Deutschland fünf bis sechs Jahre später dran als zum Beispiel Großbritannien, sagt Greß. Auch dort gebe es zwar keine Positivliste. Mittel ohne Zusatznutzen würden aber viel flotter von der Erstattung ausgeschlossen.

International für Eindruck sorgen laut Greß allerdings Rabattverträge, mit denen deutsche Krankenkassen bei Generika kräftig sparen. Die Arzneimittelausgaben insgesamt hat allerdings auch das nicht gesenkt. Große Hersteller konnten ihre Verluste bei den Generika bislang mit höheren Preisen für neue, patentgeschützte Arzneien wieder ausgleichen, hat Greß beobachtet.

Von 18,5 Milliarden Euro im Jahr 1999 sind die Arzneiausgaben der gesetzlichen Kassen auf rund 30 Milliarden Euro im Jahr 2009 gestiegen. Das entspricht etwa einem Fünftel der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen insgesamt.

Bundesgesundheitsminister Rösler will die Details seines Konzepts in einigen Tagen vorstellen. Bisher weiß selbst der Koalitionspartner noch nichts Genaues. "Wir haben dieses Papier bis heute nicht", sagte der Gesundheitsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, und warnte Rösler vor einem Alleingang. "Das gab es selbst zu Zeiten der großen Koalition nicht."

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