Kommentar Google und China: Scheingefecht zweier Riesen

Google flieht vor Chinas Zensur nach Hongkong. Doch offenbar geht es weniger um Meinungsfreiheit als um wirtschaftliche Interessen.

Auf den ersten Blick ein beeindruckender Schachzug: Google widersetzt sich der Zensur und den Onlineschikanen der chinesischen Führung, in dem der Suchmachinen-Gigant sein Angebot nach Hongkong umleitet. Bis 2047 zählt dort Meinungsfreiheit noch etwas. Endlich mal jemand, der die Krallen ausfährt und nicht wegen zu befürchtender Geschäftseinbußen vor Peking kuscht.

Beim zweiten Blick drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass Googles Rückzug vor allem wirtschaftliche Gründe hat. Seit 2006 überhaupt erst mit einem eigenen Dienst in der Volksrepublik zugange, hinkt Google mit einem Marktanteil von 35 Prozent deutlich hinter dem einheimischen Anbieter Baidu her. In Bezug auf Werbeeinnahmen ist es ein ganz entscheidender Faktor, wer die Nase vorn hat.

Auch Ebay zog sich zurück, weil es mit der chinesischen Konkurrenz Alibaba nicht mithalten konnte. Es erkaufte sich den lukrativen Marktzugang aber über die Beteiligung bei einer chinesischen Firma. Zudem ist Google in China gar nicht weg vom Fenster: Werbeabteilung und Softwareentwickler bleiben - auch das ein Indiz dafür, dass nach alternativen Geschäftsmodellen gesucht wird.

Für einige Chinesen mag die Einstellung von google.cn ein Verlust sein. Zumindest unter den kritischen Onlinenutzern hatte sich herumgesprochen, dass Gmail-Konten weit weniger im Visier der staatlichen Zensurbehörden stehen als die Konten chinesischer Anbieter. Die Einstellung dieser Dienstleistung ist zwar bedauerlich, aber für die meisten nicht wirklich tragisch. Denn die zensurerprobte und technikaffine Onlinecommunity in China wusste bisher, die vielen Onlinesperren bei Facebook, Twitter, Youtube oder Wikipedia zu umgehen.

Das ist zwar lästig, technisch jedoch machbar. Googles Machtkampf mit China ist deshalb ein Scheingefecht.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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