Belgien vor Neuwahlen: Das Land ist schlicht unregierbar

König Albert II. hat das Rücktrittsgesuch der Regierung Leterme jetzt doch angenommen. Im Juni könnte ein neues Parlament gewählt werden. Eine Lösung der Krise bleibt fraglich.

König Albert II (links) entlässt die Regierung von Premierminister Yves Leterme. Bild: dpa

AMSTERDAM taz | Belgien steuert immer tiefer in die Krise: Nach dem endgültigen Scheitern der Regierung steht das Land vor Neuwahlen. Am Montagabend hat König Albert II. den Rücktritt des Kabinetts von Premierminister Yves Leterme angenommen. Damit setzte der Hof den Spekulationen ein Ende, im jüngsten Konflikt zwischen Flamen und Frankofonen doch noch einen Kompromiss zu erzielen.

Beide Gruppen streiten seit Jahren um die Zukunft des zweisprachigen Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde. Letzte Woche war die flämisch-liberale Open VLD deswegen aus der Koalition ausgeschieden, zu der auch die frankofonen Liberalen, die Christdemokraten beider Sprachgruppen sowie die Parti Socialiste (PS) gehörten.

Der König hatte das Rücktrittsgesuch Letermes erst einmal nicht akzeptiert. Unter den "heutigen Umständen sei eine politische Krise nicht opportun", erklärte Albert II. Er verwies auf die Folgen der Wirtschaftskrise, die das Land zu bewältigen habe, sowie auf "die Rolle Belgiens auf europäischer Ebene, der mit dem Fall der Regierung ernsthafter Schaden" zugefügt werden könne.

Im Juli übernimmt Belgien die EU-Ratspräsidentschaft. Dass just die europäische Hauptstadt zu diesem Zeitpunkt Schauplatz eines tiefen innenpolitischen Konflikts sein würde, wollten Hof und Regierung um jeden Preis verhindern. Daher beauftragte der König Vizepremier Didier Reynders, den Vorsitzenden der frankofonen Liberalen, am Wochenende damit, mit seinen Amtskollegen von den übrigen Parteien doch noch nach einem Kompromiss zu suchen.

Nachdem verschiedene Seiten zunächst Gesprächsbereitschaft gezeigt hatten, erklärte Reynders am Montag den Auftrag für gescheitert. Wie schon vergangene Woche hatten die flämischen Liberalen ultimativ gefordert, bis Donnerstag müsse die Neuordnung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde entschieden sein. Die übrigen Parteien lehnten dies ab.

Mit dem Rücktritt der Regierung Letermes nach nur fünf Monaten steht Belgien nun wahrscheinlich vor Neuwahlen. Nach Berichten vom Dienstag sollen diese Anfang Juni stattfinden. Die frankofonen Parteien hofften zunächst noch, die bisher nicht an der Regierung beteiligten flämischen Sozialdemokraten (sp.a) könnten an Stelle der Open VLD übergangsweise der Koalition beitreten. Deren Vorsitzende Caroline Gennez erklärte sich zu einer solchen "Notregierung" jedoch nicht bereit.

Verschlimmern könnten sich die Turbulenzen der letzten Wochen nun allerdings durch ein juristisches Chaos, denn der Status von Neuwahlen ist juristisch durchaus umstritten. 2003 hat das belgische Verfassungsgericht den Zuschnitt des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde, der die Hauptstadtregion und das zu Flandern zählende Umland einschließt, für unzulässig erklärt.

Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Marc Bossuyt, sah deshalb bereits die Wahlen von 2007 als nicht verfassungskonform an, da der Wahlkreis weiterhin in seinem alten Zuschnitt bestand. Dass sich dies nun ändert, ist allerdings kaum zu erwarten, denn schließlich führte gerade der Konflikt über eine Neuaufteilung des Wahlkreises zum Fall der Regierung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.