Tödlicher Brechmitteleinsatz: BGH hebt Freispruch auf
Anfang 2005 starb in Bremen ein Afrikaner nach einem Brechmitteleinsatz. Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch für den beteiligten Polizeiarzt aufgehoben.
Der tödliche Brechmitteleinsatz von Bremen wird voraussichtlich doch strafrechtliche Konsequenzen haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am Donnerstag den Freispruch für den Bremer Arzt Igor V. auf. Er hatte 2004 den Tod eines Mannes aus Sierra Leone verursacht. Der Prozess gegen den Arzt muss nun neu aufgerollt werden.
Am 27. Dezember 2004 nahmen Polizeifahnder den 35-jährigen Afrikaner Laya C. im Bremer Steintorviertel fest. Verdacht: Drogenhandel. C. habe die Beweismittel, kleine Drogenkügelchen, verschluckt. Auf der Polizeiwache forderten die Fahnder Unterstützung von Arzt Igor V. an. V. arbeitete für ein privates Unternehmen, das im Auftrag der Polizei Blutuntersuchungen und ähnliches durchführt. Mit Brechmitteleinsätzen hatte er aber noch keine Erfahrung, obwohl sie in Bremen damals keine Seltenheit waren. V. verabreichte dem gefesselten Afrikaner den Brechmittelsirup Ipecacuanha über eine Magensonde. Dann flößte er ihm große Mengen Wasser ein, um den Brechreiz weiter zu fördern. C. fiel ihn Ohnmacht, V. rief den Notarzt. Dieser stabilisierte den gefesselten Afrikaner, V. flößte dem Gefangenen noch weiter Wasser ein, auch nachdem dieser bereits Kokainkügelchen ausgespuckt hatte. Dabei lief C.s Lunge voll Wasser. Er fiel erneut ins Koma und starb einige Tage später im Krankenhaus. "Tod durch Ertrinken", diagnostizierten die Ärzte.
Igor V. wurde am Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. V. wurde aber im Dezember 2008 freigesprochen. Der Arzt habe zwar objektiv gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen, dies aber wegen "Überforderung" subjektiv nicht erkennen können.
Jetzt hob der BGH in Leipzig das Bremer Urteil auf und verlangte eine neue Verhandlung. Auch die BGH-Richter gingen von einer Überforderung V.s aus, sie warfen ihm aber vor, dass er die Maßnahme erst gar nicht hätte beginnen dürfen. Es liege ein "Übernahmeverschulden" vor. Dass auch der Notarzt den Einsatz nicht stoppte, könne V. nicht entlasten. Als approbierter Arzt müsse er selbst wissen, was zu tun ist, so der BGH.
Als Fehler kreideten die Richter V. auch an, dass er den Festgenommenen, der an einem Herzfehler litt, nicht über die Risiken der Behandlung aufklärte. Außerdem zeigten die Richter kein Verständnis dafür, dass V. dem Afrikaner "unter menschenunwürdigen Umständen" weiter Wasser einflößte, als bereits erste Kokainkügelchen vorlagen. Beim neuen Prozess kommt neben der "fahrlässigen Tötung" mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Haft auch "Körperverletzung mit Todesfolge" in Betracht. Hier beginnt die Mindeststrafe erst bei drei Jahren; Geld- und Bewährungsstrafen sind ausgeschlossen.
Der BGH bezeichnete auch den Notarzt sowie die Polizisten der Beweismittelsicherung ausdrücklich als "Nebentäter". Bisher blieben diese unbehelligt. Ihnen könnte nun auch ein Ermittlungsverfahren drohen.
Leser*innenkommentare
Hamburger
Gast
" Der Arzt habe zwar objektiv gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen, dies aber wegen "Überforderung" subjektiv nicht erkennen können. "
Dieses Zitat aus dem ersten Urteil macht einen echt wütend. Wofür ist ein Arzt denn da, wenn er im Zweifel unter dem Deckmantel der "Überforderung" keinerlei Verantwortung für die Folgen seines Handelns übernehmen muss? Für diese Verantwortung werden Ärzte doch entlohnt!
Joe Reed
Gast
Recht so.
Wenn jemand den Tod eines anderen Menschen verursacht dann ist es mit einem "Ups, da ist etwas schief gegangen" nicht getan.
Das gilt erst recht für einen Arzt, der eine Maßnahme nicht ausschließlich zum Wohle des Behandelten einleitet.
Amos
Gast
Es kommt immer darauf an, wer auf der Bank liegt. Mit "Don Corleone" hätte man das nicht gemacht. Je geringer das Ansehen, desto rüder die Justiz. Gut dass es da noch eine höhere Gerichtsbarkeit gibt.
l'udo
Gast
Na endlich!
Lukas Knop
Gast
Seit wann ist der BGH denn in Leipzig und nicht mehr in Karlsruhe? In Leipzig befindet sich meines Wissens nach das BVerwG.
julian
Gast
Der BGH ist in Karlsruhe, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Gehe mal davon aus, dass es der BGH war, oder?
ayla
Gast
danke für den artikel:
ein paar anmerkungen dazu:: der gefesselte "Afrikaner" hat einen Namen, also sollte er auch benutzt werden:: wenn statt seiner ein deutscher das opfer gewesen wäre, würde auch nicht die ganze zeit von einem deutschen, geschweige denn einem europäer gesprochen werden:: afrika ist kein dorf, sondern ein kontinent, und afrikaner ist damit genauso wenigsagend wie europäer, was komischerweise nie als erklärungszusatz verwendet wird::
ein bisschen mehr genauigkeit sollte drin sein;; gerade wenn man sich so sehr darauf beruft, dass das opfer nicht mehrheitsdeutsch war:: waren denn die polizisten und der arzt alle europäer::und war europa noch mal ein dorf oder eine stadt?!