Debatte Euro-Gipfel in Brüssel: Die Rettung des Euro

In Brüssel wird gerade versucht, den Euro zu sanieren. Hier kommt der 7-Punkte-Plan, der wirklich helfen könnte. Radikales Denken ist jetzt nötig.

Erst mal vorweg: Wer die Wirtschaft abwürgt, treibt die Bevölkerung in die Armut und den Staat in den Bankrott.

Zweite Vorbemerkung: Die Hauptursache des "griechischen Problems" ist die neoliberale Konstruktion der Eurozone und des EU-Binnenmarktes: Eine gemeinsame Währung und der gleichzeitige Handelskrieg und Steuerwettbewerb gehen nicht zusammen, diese Konstruktion muss zerreißen. Die "griechische Tragödie" ist eine europäische Tragödie.

Ein 7-Stufen-Programm könnte das Problem - systemisch - lösen.

1. Alle Euro-Staatsanleihen werden vorübergehend durch die EZB garantiert. Damit wäre sowohl das Rating dieser Staatsanleihen hinfällig als auch CDS. Leerverkäufe würden ins Leere gehen. Diese Garantie erhält allerdings nur, wer sich an einer EU-weiten Steuerkooperation wie im nächsten Punkt skizziert beteiligt.

2. In einer konzertierten Aktion werden zunächst die Staatsschulden Griechenlands, dann auch jene Irlands, Großbritanniens, Italiens, Spaniens, Portugals und aller anderen EU-Mitglieder mit Hilfe EU-weiter Kapitalsteuern unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent gesenkt.

Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent würde laut dem Wiener Institut für Höhere Studien (IHS) jährlich 270 Milliarden Euro einspielen. Allein damit könnte der gesamte EU-Haushalt finanziert werden (135 Milliarden Euro) und die Staatsschulden um jährlich 135 bis 185 Milliarden Euro abgebaut werden (den Nettozahlern stünden ihre Beiträge "zu Hause" zur Verfügung).

Zusätzlich sollten EU-weite Vermögenssteuern endlich für die Rück-Verteilung jener Gewinne und Vermögenszuwächse sorgen, die in den letzten Jahren den Reichtum bei EU-weiten Eliten konzentriert haben. In den Genuss der Staatsschuldenreduktion (und der EZB-Garantie) kommt allerdings nur, wer sich an der Beendigung des Steuerwettbewerbs beteiligt: Harmonisierung der Kapitalertrag- und Unternehmensteuern, Einführung progressiver Vermögensteuern, vollständiger Lückenschluss der EU-Zinsrichtlinie (Ausweitung auf alle Kapitaleinkommen), Schließung von Steueroasen im eigenen Hoheitsgebiet (etwa Großbritannien), Ende des Bankgeheimnisses (u. a. Österreich).

Der Sanierungsweg über Vermögensteuern ist nicht nur zielführender als Kahlsparen, er ist auch eleganter als eine Teilentschuldung, da er den Gläubigern den Ausfall ihrer Kredite erspart, Staaten den Bankrott und dem Euro die Implosion.

Gleiche Militärausgaben

3. Zu den budgetären kommen soziale, ökologische und friedenspolitische Übereinstimmungskriterien hinzu: Niemand darf mehr als zwei Prozent des BIP für Militärausgaben veranschlagen. Griechenland könnte allein dadurch sein Defizit um zwei Prozentpunkte reduzieren und würde ein Freundschaftssignal an die Türkei senden.

4. Die Zinssätze zukünftiger Eurobonds werden - so wie bei Sparbüchern - festgelegt. Zum Beispiel: Auf einjährige Euro-Anleihen kommt eine Rendite im Ausmaß der Inflation; auf 3-jährige Anleihen Inflation plus 0,5 Prozent; auf 5-jährige Anleihen Inflation plus ein Prozent; auf 10-jährige Anleihen plus 1,5 Prozent. Dieses Investment ist sicher wie kaum ein anderes und damit höchst attraktiv. Es gibt ohnehin zu viel Geld, das angelegt werden will, in der EU. Das ist ja das Problem: Überflüssiges Geld ist der Stoff, aus dem sich Blasen bilden.

5. Fonds werden reguliert, nicht nur registriert: Zutritt zum EU-Binnenmarkt erhalten nur Fonds mit Sitz in der EU. Riskante Anlagestrategien und Kreditaufnahme (Hebelverstärkung) werden untersagt, Derivate müssen von der EU-Finanzmarktaufsicht genehmigt und dürfen nur noch an Börsen gehandelt werden. Realisierte Fondsgewinne werden EU-weit mit 50 Prozent besteuert, um Arbeitseinkommen ("Leistung") gegenüber Kapitaleinkommen attraktiver zu machen.

Globo - eine Weltwährung

6. Ab sofort dringt die EU mit aller Macht auf die Umsetzung des Vorschlags von John Maynard Keynes nach einer globalen Währungskooperation: Der grenzüberschreitende Handel wird in einer "Weltwährung" (z. B. Globo) abgerechnet. Die Wechselkurse der nationalen Währungen - die bestehen bleiben - werden gemäß den Fundamentaldaten fixiert und periodisch angepasst. Um die Leistungsbilanzen ins Gleichgewicht zu bringen, werden sowohl Defizite als auch Überschüsse sanktioniert: Deutschland müsste für seinen Exportweltmeistertitel genauso Strafe zahlen wie die USA für ihre Import-Orgie. Keynes Überlegung war ja: Handelsungleichgewichte führen langfristig zu Überschuldung (siehe Griechenland gegenüber Deutschland), Krisen und schlimmstenfalls zu Krieg.

7. Der internationale Kapitalverkehr wird nur noch über die Clearingsysteme der Zentralbanken abgewickelt, wodurch hier die Transaktionssteuer technisch unaufwändig eingehoben werden kann. Banken, die in Steueroasen operieren, erhalten kein Konto bei diesen Clearingstellen und sind somit vom freien Kapitalverkehr ausgeschlossen. Artikel 63 VAEU wird angepasst: Länder, die ihre Finanzmärkte weniger stark regulieren als die EU, müssen jederzeit mit Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs rechnen, zum Beispiel erhält finanzieller Giftmüll Einreiseverbot. Diese Maßnahmen stellen zweifelsohne einen Teil des bisherigen Mainstream-Selbstverständnisses der EU-Eliten auf den Kopf. Sie sind aber vielleicht doch die attraktivere Alternative zum Auseinanderbrechen der Währungsunion und zum Einsturz des "Hauses Europa".

Im Übrigen sind wir der Ansicht, dass systemrelevante Banken zerteilt werden müssen. Sonst kommt es früher oder später zur nächsten staatlichen Rettungsaktion. Das treibt die Staatsverschuldung in Richtung Staatsbankrott und: Unternehmen mit ewigem Leben sind mit einer Marktwirtschaft unvereinbar.

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