Nervenprobe gegen Deutschland: Englands Elfmeter-Trauma
Deutschlands WM-Achtelfinal-Gegner England rüstet sich für das Match am Sonntag. Trainiert werden besonders Elfmeter. Denn daran wollen sie nicht schon wieder scheitern.
RUSTENBURG/HAMBURG dpa | England-Coach Fabio Capello stellt sich für das WM-Achtelfinale am Sonntag gegen Deutschland schon auf ein Elfmeterschießen ein. Der Fußball-Nationaltrainer habe bereits die fünf Schützen der "Three Lions" benannt, berichteten englische Medien am Freitag. Erste Wahl seien Chelsea-Profi Frank Lampard und Kapitän Steven Gerrard sowie Abräumer Gareth Barry, Stürmerstar Wayne Rooney und Capellos Lieblingsschüler James Milner. Alle hätten bereits seit längerem speziell für die Nervenprobe vom ominösen Punkt trainiert, hieß es.
Beim letzten WM-Duell zwischen dem Fußball-Mutterland und der DFB-Elf hatte sich 1990 in Italien das Team von Franz Beckenbauer im Halbfinale im Elfmeterschießen durchgesetzt und wurde danach Weltmeister. Auch bei der EM 1996 zeigten die Deutschen die besseren Nerven und gewannen das Elfmeterschießen gegen die Engländer.
Für Lampard und Gerrard wäre ein Elfmeterschießen die Chance zur Wiedergutmachung für die Schmach des WM-Viertelfinales 2006. Damals waren beide im Krimi gegen Portugal mit ihren Versuchen gescheitert, England schied aus. Lampard verschoss zudem zuletzt zwei Elfmeter, im Pokalfinale mit Chelsea gegen Portsmouth und im Japan-Länderspiel.
"Wir haben ziemlich oft Elfmeter trainiert", verriet Stürmer Jermain Defoe. Am Ende jeder Trainingseinheit habe Capello seine Schützlinge an den Strafstoßpunkt gebeten. "Wir sind ganz entspannt. Der Trainer weiß, dass die Jungs selbstbewusst und bereit sind", meinte Angreifer Defoe.
Englands Torwart David James will einem Elfmeterschießen im WM-Achtelfinale gegen Deutschland möglichst aus dem Weg gehen. "Wir wollen das Spiel in 90 Minuten gewinnen", sagte der Keeper vor der Neuauflage des Fußball-Klassikers. Sollte es auch nach Verlängerung noch keinen Sieger geben, fühlt sich James jedoch für ein Duell vom Punkt gerüstet. "Wir werden unsere Hausaufgaben machen", versprach der 39-Jährige. Das Kräftemessen mit dem Erzrivalen sei für ihn nur "ein weiteres Fußballspiel gegen eine gute Mannschaft", versicherte der Schlussmann des FC Portsmouth am Freitag in Rustenburg.
Deutschland souverän in den Achtelfinals
England zittert nicht nur wegen der deutschen Stärke im Elfmeterschießen. Seit 1986 hat Deutschland seine Achtelfinale bei Fußball-Weltmeisterschaften gewonnen. In der Nachkriegshistorie des Titelkampfes nahmen an WM-Endrunden bis 1978 insgesamt maximal nur 16 Teams teil, die ihre erste Runde in Form von Gruppenspielen bestritten. 1982 (24 Teilnehmer) folgte eine 2. Gruppenphase mit 12 Startern, die Deutschland bis ins Finale führte. Echte Achtelfinal-K.o.-Spiele gab es sonst nur in den Anfängen des Titelkampfes.
Dabei bezog Deutschland am 9. Juni 1938 in Paris im Wiederholungsspiel der 1. Runde gegen die Schweiz mit 2:4 auch seine einzige Niederlage (erstes Spiel 1:1 n.V.). In den Geschichtsbüchern steht 1934 außerdem ein 5:2 gegen Belgien. Mit Ausnahme von 1938 (Platz 10) befand sich die DFB-Mannschaft bei ihren 16 Endrunden-Teilnahmen im finalen Ranking stets unter den besten Acht.
Ballack versteht die Rivalität nicht
Der verletzte Kapitän Michael Ballack will in der kommenden Woche zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Südafrika stoßen und setzt schon deshalb auf einen Sieg im WM-Achtelfinale gegen England. "Es sollte ein fantastisches Spiel werden, aber die Rivalität, von der hier jeder spricht, besteht eher auf Eurer Seite als auf unserer", schrieb Ballack in seiner Kolumne für die Times (Freitag). "Aus unserer Sicht ist die Rivalität eher mittelgroß." Vor seiner Abreise ans Kap dürfte Ballack noch seine fußballerische Zukunft klären. Er steht kurz vor einer Einigung mit Bayer Leverkusen.
Viele Deutsche seien überrascht, von England als der größte Gegner angesehen zu werden. "Wir wissen wirklich nicht warum", erklärte Ballack, dem nach seiner Mitte Mai erlittenen Bänderverletzung im Knöchel Anfang der nächsten Woche die Gipsschiene abgenommen wird. Und der Mittelfeldakteur fügte augenzwinkernd hinzu: "Vielleicht ist es wegen 1966 und dem Tor, das nie hätte gegeben werden sollen!"
Die größte Fußball-Rivalität bestehe zwar zwischen Deutschland und dem Nachbarn aus den Niederlanden, aber auch ein Match gegen England sei "immer aufregend". Das Verhältnis zum Fußball-Mutterland sei zuletzt "gesünder" geworden, wenngleich beide Länder noch nicht so weit seien, dass die Anhänger vor dem Spiel "gemeinsam Bier trinken und zusammen feiern."
WM-Achtelfinale: Deutschland - England, So. 27.6., 16 Uhr, ARD
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