Vor dem G-8- und G-20-Gipfel in Kanada: Für die Armen fehlt das Geld

Wegen der Krise werden die Industrieländer bis zu 20 Milliarden Euro weniger Entwicklungshilfe bereitstellen. Die Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer werden lauter.

"People not profit": Demonstranten protestieren am Donnerstag in Toronto gegen die Politik der G-8- und G-20-Länder. Bild: reuters

TORONTO taz | Während in Toronto am Donnerstagabend die ersten Staatschefs zum G-8-Treffen eingetroffen sind, haben entwicklungspolitische Organisationen eine düstere Bilanz der vergangenen Treffen gezogen. Von den 50 Milliarden US-Dollar, die im Jahr 2005 im schottischen Gleneagles bis 2010 zur Armutsbekämpfung zugesagt worden waren, werden nach Einschätzung von Oxfam 20 Milliarden fehlen.

Und das habe sehr reale Konsequenzen, sagte Oxfam-Sprecher Mark Fried: "Hinter jedem Dollar, der nicht geliefert wird, steckt ein Kind ohne Schule, ein Patient ohne Medikamente, eine Frau, die bei der Geburt wegen fehlender medizinischer Versorgung ums Leben kommt." Mit statistischen Tricks wie fehlender Berücksichtigung von Inflation versuchten die Staaten zudem, die Bilanz zu schönen, kritisierte die Hilfsorganisation. Auch Deutschland verfehlt seine Zusagen demnach deutlich.

Auch die Hilfsorganisation World Vision machte bei einer Aktion in Toronto darauf aufmerksam, dass es nicht reiche, wenn die G-8-Staatschefs nur "schwanger mit Versprechen" seien. "Es muss auch mal zur Geburt kommen", sagte Aktivist Marwin Meier. Es sei zu begrüßen, dass das Gastgeberland Kanada eine Initiative zur Bekämpfung vom Mütter- und Kindersterblichkeit auf die Tagesordnung gesetzt habe. Doch um dieses Ziel zu erreichen, seien bis 2015 etwa 24 Milliarden Euro zusätzlich erforderlich.

Vor dem Gipfel der führenden Industriestaaten und Russland (G8) in Kanada forderte US- Finanzminister Timothy Geithner von den europäischen Partnern, notfalls mit neuen Schulden die Konjunktur anzukurbeln. Der britische Premier David Cameron verteidigte die Haushaltssanierung als unausweichlich für den globalen Aufschwung. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich bis Samstag in Huntsville, etwa 220 Kilometer nördlich von Toronto. Kanada lässt sich den G-8- und den anschließenden G-20-Gipfel in Toronto etwa 860 Millionen Euro kosten. Zur G 20 gehören auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien. Der Gruppe der G 8 gehören Japan, die USA, Kanada, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien an. (dpa)

Für eine Möglichkeit, Geld einzunehmen und zugleich schädliche Spekulation zu begrenzen, setzt sich in Toronto ein breites Bündnis von Organisationen ein: die Finanztransaktionssteuer - im englischsprachigen Raum unter dem Namen "Robin Hood Tax". Am Mittwoch wurden nach Angaben von Attac mehr als 200.000 Unterschriften für diese Steuer an den Stab des kanadischen Ministerpräsidenten Steven Harper übergeben. Auch bei der geplanten Großdemonstration am Samstag soll sie Thema sein.

"Dass sich hunderttausende Menschen weltweit für ein scheinbar trockenes Steuerthema einsetzen, ist ein deutliches Signal, dass sie nicht länger tatenlos auf eine Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenkosten und auf ein krisensicheres Finanzsystem warten wollen", sagte Attac-Finanzexperte Detlev von Larcher.

Das Thema der Finanzmarktbesteuerung steht beim G-20-Gipfel am Samstag und Sonntag in Toronto zwar auf der Tagesordnung. Die EU wird die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer dort offiziell vorbringen, doch die Chancen auf eine Einigung stehen schlecht. So lehnt Kanada jede finanzielle Belastung des Bankensektors ab, wie Regierungssprecher Dimitri Soudas betonte - mit Verweis darauf, dass Kanadas Banken von der Krise kaum betroffen waren und keine Staatshilfe brauchten. "Die Unterstützer dieser Idee werden am Verhandlungstisch in der Minderheit sein."

Die Befürworter drängen deswegen bereits darauf, dass das Thema bei fehlender Einigung in Toronto nicht beerdigt wird. Falls in Toronto keine Einstimmigkeit zu erzielen sei, müsse sich eine Koalition der Willigen zusammenfinden und mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in ihren Ländern vorangehen.

Das scheint auch die Bundesregierung inzwischen so zu sehen, die für 2011 bereits Einnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro aus einer Finanzmarktsteuer eingeplant hat. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Sprachregelung darum bereits angepasst. "Eine solche Steuer ist nur sinnvoll, wenn sie global eingeführt wird", sagte sie in dieser Woche - um sich sofort zu verbessern: "Sie ist am sinnvollsten, wenn sie global eingeführt wird."

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