Kolumne Älter werden: Ich will nicht Jutta Ditfurth sein

Unsere Generation hat diesen Staat mitgeformt. Nun kommen selbst ernannte Linke daher und sehen überall nur böses.

Liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus (links). Sollte sich jetzt tatsächlich auch in diesem frommen Rudiboten für Wanderprediger diverser linker (Glaubens-) Bekenntnisse die Auffassung durchsetzen, dass diese komischen antiimperialistischen, antideutschen und extrem alarmistisch auftretenden semiprofessionellen Krawallschoten, die schon während der WM 2006 in Deutschland hinter jedem Busch einen blutrünstigen Nazi mit Ehrendolch und Baseballschläger witterten und - wider besseres Wissen - Jagdszenen auf farbige Spieler und ausländische Touristen herbeibeteten und -schrieben, und die aktuell im Net Punkte für ihre Heldentaten wie etwa das Abfackeln von Deutschlandfahnen, Autos und manchmal auch (fast) Polizisten vergeben, irgendwie auch Linke, also Genossen seien, ich möchte gerne als was anderes firmieren.

Als aufgeklärter Citoyen vielleicht, auch wenn das zunächst pathetisch klingt, als Begriff sperrig ist und die Revolutionswächter mit ihren schwarzen Kapuzenpullovern von angeblich links das sicher abwertend mit Spießbürger übersetzen würden. Mir egal. Denn diese angeblich Linken unterscheiden sich ja längst nicht mehr nur rein äußerlich kaum noch von den auch antiimperialistischen, antibundesdeutschen und auch alarmistischen rechtsextremistischen Volksgenossen (freien Kameraden), die jüngst etwa an der U.S.Airbase in Wiesbaden zusammen mit Kadern der NPD gegen die Amibesatzer, deren illegales Gefangenenlager auf Kuba und den Krieg der Nato in Afghanistan demonstrierten.

Vielleicht liegt es ja tatsächlich am fortgeschrittenen Alter, dass wir von My Generation längst gelernt haben, die Errungenschaften der bürgerlichen Zivilgesellschaft (Civitas) zu schätzen, die von der Verfassung dieses Landes garantiert werden. Und natürlich macht das Leben als Citoyen auch Spaß: lieber Danton sein als Robespierre, lieber Dany Cohn-Bendit als Jutta von Ditfurth, lieber Günter Netzer als die Blutgrätsche Helmut Alu Rahner (Bayer Uerdingen).

Und da ist auch unsere Fähigkeit zur Reflexion beim Blick auf dieses Land: bunte Vielfalt statt viel deutsche Einfalt links und rechts. An diesem neuen Deutschland haben wir post 68 ja auch mit gearbeitet: als Lehrer und Erzieher, als Richter und sogar Staatsanwälte, als Ärzte mit und ohne Grenzen, als Gewerkschafter, Journalisten und wer weiß noch was. Manchmal sogar als Politiker. Und privat überall immer. Dieses Wir schließt logischerweise die (meisten) Zuwanderer der letzten 50 Jahre mit ein, die sich hier durchgebissen haben, die sich wie alle erfolgreichen Immigranten überall auf der Welt in die Mehrheitsgesellschaft hineinintegriert haben - von Assimilation ist nicht (mehr) die Rede -, und die dieses neue Deutschland, das selbstverständlich jetzt auch ihr - unser - Land ist, mitprägen und es einfach leben. Danke dafür!

Die Fähnchenangstbeißer von angeblich ganz links dagegen, die - denkfaul - an einem Deutschlandbild von vorgestern festhalten, interessieren mich ab sofort überhaupt nicht mehr. Versprochen! Mögen sich die Ethnologen, Kriminologen und Hirnforscher um sie kümmern.

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