HDTV von RTL und ProSiebenSat.1: Vernagelt und verkauft

Eine Million "Smartcards" wurden für den Empfang der HD-Plattform der Privatsender mittlerweile ausgeliefert. Die Kunden bleiben wegen des rabiaten Kopierschutzes genervt.

Breitbild, bald stärker kontrolliert. Bild: AP

Für die Macher von "HD+" ist es ein großer Erfolg: Das Tochterunternehmen des Satellitenbetreibers Astra gab am Donnerstag bekannt, das es seit Start der Technik Ende letzten Jahres eine Million Zugangskarten für das hochauflösende Fernsehen der Privatsendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 ausgeliefert habe.

Diese "Smartcards" erlauben es den Kommerzsendern, ihren digitalen Satellitenempfang auf ganz neuem Wege zu kontrollieren: Die ehemals komplett kostenlosen weil werbefinanzierten Sender sollen in HD künftig 50 Euro im Jahr kosten. Ohne die Gebühr, die spätestens 12 Monate nach Kauf der für "HD+" notwendigen Empfangsbox (Receiver) erstmals fällig wird, bleibt der Schirm bei RTL HD, ProSieben HD, Vox HD und Kabel Eins HD dann schwarz. Während die öffentlich-rechtlichen Sender weiter auf ein kopierschutzfreies Programm auch in hoher Auflösung setzen, sind die Privaten via Satellit künftig "grundverschlüsselt".

Doch nicht nur das - mit der "HD+"-Smartcard können die Sender noch deutlich weitgehender steuern, was ihre Zuseher mit ihrem Programm tun, als nur die Bezahlung ihrer Inhalte eloquent einzutreiben. Zugangskarte und Receiver gehen dabei eine für den Kunden unglückliche Ehe der Vernagelung ein: Die Sender können bestimmen, wer was wann aufnimmt oder praktische Zusatzfunktionen nutzt, die die Digitalisierung des Fernsehens in den letzten Jahre möglich gemacht hat.

Wenn man bei einem Sender beispielsweise nicht möchte, dass eine brandneue US-Serie aufgenommen wird, lässt sich ein entsprechendes Signal per "HD+" aussenden, auf das die Empfangsbox reagiert. Gleichzeitig kann die Technik auch verbieten, ob die beliebte Rückspulfunktion ("Timeshift") genutzt wird oder sich Werbung überspringen lässt. Selbst eine mögliche Speicherdauer für Aufnahmen lässt sich festlegen, nach der die Sendungen dann einfach im Orkus verschwinden.

Laut "HD+"-Pressemitteilung machen RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1 bislang zwar nicht von den rabiatesten dieser Kopierschutz-Methoden Gebrauch. Doch mindestens ein wichtiges Feature ist bei RTL HD, Sat.1 HD und Co. künftig standardmäßig verboten: Das erwähnte Reklame-Vorspulen. Damit wollen die Sender sich ihre Einnahmen auch aus diesem Bereich möglichst lange erhalten. Ebenfalls aktuell bereits aktiviert ist eine Sperre zum Übertragen auf Festplatte aufgenommener Sendungen auf andere Medien wie DVDs - eine Filmsammlung soll sich niemand mehr anlegen dürfen. Hinzu kommt ein Gewirr an Regelungen je nach Gerät: Mit "HD+"-Logo ausgezeichnete Receiver können am meisten, will man mit einem Zusatzmodul ältere Empfangsboxen nachrüsten, ist vielfach die Aufnahme ganz verboten.

Wer den "HD+"-Stress zumindest teilweise umgehen will, hat dazu mittlerweile allerdings erste Möglichkeiten. So bieten etwa einige TV-Kabelanbieter HDTV von RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1 direkt an, beteiligen sich aber nicht nur indirekt an deren vernagelter Kopierschutzplattform. So kann es hier durchaus sein, dass man HDTV frei vor- und zurückspulen sowie aufnehmen kann, wenn man in seiner Empfangsbox über einen digitalen Videorekorder (vulgo: Festplatte) verfügt. Welche Strategie der eigene Anbieter verfolgt, muss man allerdings dessen Hotline fragen. Eine zweite Möglichkeit ist die Nutzung von IPTV, also dem Fernsehen über das Internet. Hier plant die Deutsche Telekom, in ihr "T-Entertain"-Paket ebenfalls die HD-Sender der Privaten aufzunehmen. Wie es hier mit der Härte des Kopierschutzes aussehen wird, bleibt bislang unklar.

Möglicherweise rettet ja das Bundeskartellamt die Nutzer vor allzu rabiater HDTV-Vernagelung. Im Mai fanden laut "Focus" Hausdurchsuchungen bei RTL und ProSiebenSat.1 statt, um Beweise zu möglicherweise illegalen Absprachen zu finden. Dabei soll es explizit auch um "technische Maßnahmen wie Kopierschutzfunktionen und Werbeblocker" gegangen sein. Es fragt sich allerdings, wie erfolgsversprechend ein kartellrechtliches Vorgehen im noch kleinen HDTV-Markt ist. Ihre regulären Programme in Standardauflösung verschlüsseln derzeit weder RTL-Gruppe noch ProSiebenSat.1, auch wenn sie eine solche "Grundverschlüsselung" immer wieder als erstrebenswert titulierten.

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